OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter lung in ihr verloren und ist den Weg der Spezialisierung gegangen. Sie ist hiedurch für den Bauschaffenden eine reine Sache des Verstandes geworden, der unter dem Diktat des Rechen¬ schiebers, des Lineals und Zirkels das Gefühl für die Notwendigkeit des Zusammenklanges mit der Natur verloren hat. Daß dem früher nicht so war und daß auch ein Bauschaffen in voller Übereinstimmung mit den ästhetischen Erfordernissen der Landschaft durchaus möglich ist, zeigen uns Baulich¬ keiten früherer Zeiten, bei denen es sich nicht selten auch um technische Werke großen Ausmaßes gehandelt hat. Ich erinnere da nur an die Salinenbauten des Salzkammer¬ gutes mit dem allbekannten, von Hallstatt bis Ebensee führenden Solenleitungsweg, der dank seiner naturverbundenen und technisch einwandfreien Linienführung und seiner schlichten und dabei formenschönen Talüberbrückungen, Durchlässe, Stütz- und Wandmauern seit langem zu den Sehens¬ würdigkeiten jener Gegend gehört und von dem niemand behaupten wird, daß er die Harmonie der Landschaft störe oder daß er in ihr als Fremdkörper wirke. Ich erinnere ferner, um in jener Gegend zu bleiben, an die als „Kunststraße“ erbaute, von Traunkirchen nach Ebensee führende Teilstrecke der Salzkammergut-Bundesstraße, die trotz der größten Ge¬ ländeschwierigkeiten und der dadurch bedingten weitgehenden Eingriffe in die Natur in ihrer Anlage und in der Ausgewogenheit ihrer Einzelheiten gleichfalls zum nicht mehr gern zu missenden Bestande dieser herrlichen Landschaft geworden ist. Ich erinnere weiter an die schönen, alten Klaus- und Triftbauten in unseren Bächen und Flüssen, ferner an deren gewässer¬ technisch so richtig und landschaftlich so schön angelegte Wehrbauten, an die leider nur mehr aus Bildern so recht erkenntliche Naturverbundenheit der einstigen Pferdebahn LinzBudweis mit ihren formschönen Bauwerken, an die Gewerkschaftsbauten der Eisenwurzen mit den berühmten Speichern („Kasten“) der Innerberger Gewerkschaft (Inner¬ berger Stadel in Steyr!), an die in ihrer Umgebung so patriarchalisch wirkenden Schiff¬ meisterhäuser der Donau und auch an die weiträumigen und behäbigen Postherbergen der ehemaligen Reichsstraßen mit ihren mächtigen Stallungen und großen Vorratsspeichern. Nicht zuletzt muß aber an die Landschaftsverbundenheit unserer Bauernhöfe in allen Teilen unseres Landes erinnert werden, deren Vielheit an Form und Zahl in ihrer Gesamtheit die größte und wertvollste Bauleistung unserer Heimat verkörpert. Die Landschaftsverbundenheit in Baugestaltung und Standortwahl der Einzelgehöfte und ihrer Siedlungsgruppen, der Bauern¬ dörfer, hat nicht wenig dazu beigetragen, unserem Heimatlande den Ehrentitel eines „bäuer¬ lichen Gottesgartens“ einzubringen. Bei allen diesen Bauten ist die Naturverbundenheit nicht etwa unter Beeinträchtigung ihres technischen Zweckes erzielt worden. Im Gegenteil, dieser wurde, vielfach mit einfachsten Mitteln, voll erreicht. Die Bauschaffenden jener Zeit haben es eben verstanden, beiden Anforderungen — denen der Technik und der Landschaft — gerecht zu werden. Wie sehr es ihnen eine Selbstverständlichkeit war, ihre technischen Werke nicht aus dem Rahmen der Natur zu lösen, sie nicht als selbständige, aus dem Zusammenhang mit ihrer Umgebung gerissene Objekte zu betrachten, zeigen uns die Baupläne, in denen man kaum einen baureifen Entwurf finden wird, in dem nicht ein schmückendes Landschaftsbild, zumindest ein Baum oder Strauch, in die rein technische Darstellung hineinkomponiert wäre. Nicht selten waren aber die Haupt¬ risse durch eine perspektivisch oder axonometrisch dargestellte Ansicht des geplanten Baues ergänzt, die seine gestalterische Wirkung auch mit Rücksicht auf seine Umgebung veranschaulichen sollte. Diese Art des Planens konnte nur einem ausgeprägten Gefühl und Verständnis für Formen¬ schönheit entspringen, das gemeinsam mit der Naturverbundenheit den damaligen Bauschaffenden eine ungekünstelte, selbstverständliche Voraussetzung ihres Wirkens war. Diese Voraussetzung ist heute nicht mehr gegeben, denn das Gefühl und Verständnis für Naturver¬ bundenheit und Formenschönheit ging den nachfolgenden Generationen der Bau¬ schaffenden unter dem Druck der raschen Aufwärtsentwicklung der Technik, dem Übermaß ihrer Rationalisierung und der immer mehr überhand nehmenden materialistischen Geisteshaltung verloren. Man hat aus einer liberalistischen Gedankenwelt mit ihren gleichgearteten Wirt¬ 80

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