OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter reichischen Landesarchivs, die einstens Hans Wilhelm von Schönkirchen angelegt hatte, entstand der „Anlageplan“ des Werkes. Die Herausgabe aller Landesordnungen wurde das Ziel des Unternehmens. Was waren die Landesordnungen? Jeder Versuch einer Definition in engem Nahmen wird Verwirrung stiften. Das beste Verständnis wird wohl durch Wiedergabe der Kapitelüberschriften der Landesordnung des Landes ob der Enns (Anfang 17. Jahrhundert)2) erreicht: 1. Von den landtsständten, officirn, auch deren persohn vnnd ämbtern. 2. Von gerichtlichen processen in ordinari vnnd extraordinari verfahrungen. 3. Von contracten vnd waß denselben anhenngig. 4. Von testamenten vnd letsten willen. 5. Von erbschafften ohne testament ab intestato. 6. Von lechen. Diese Texte der Landesordnungen waren die wichtigsten Rechtsbücher ihrer Zeit bis zu den Tagen Maria Theresias und Josephs II. Sie wurden in mühseligen Entwürfen von ständischen Kommissionen beraten, meist von einem besonders begabten Geist dann verfaßt, vom Landes¬ herrn teilweise verworfen, teilweise sanktioniert, wieder umgearbeitet und in diesem fließenden Zustande als einzige schriftliche Unterlagen bei den Gerichten gebraucht. 3) Die Quellengeschichte mußte deshalb zum zweiten Aufgabenkreis der Sammlung werden. Graf Chorinsky und seine Mitarbeiter kamen dabei in ihren Ergebnissen sehr weit. Hinter den Texten wurden die Namen der Textschöpfer gefunden und näher beleuchtet. Ein mühevolles, be¬ deutendes Wegstück in der Geistesarbeit unserer Vorfahren im 16. und 17. Jahrhundert konnte aufgezeigt werden. Nur die wichtigsten Namen seien hier wiedergegeben: „Zeiger in das Land¬ rechtsbuch Ferdinand I.“ — Caspar Straßer 1540 — Bernhard Walther — Püdler'scher Entwurf — ständisches Aristokratentum Reichhardts Strein von Schwarzenau — Johann Baptist Suttinger von Thurnhof — Dr. Abraham Schwartz im Lande ob der Enns. Heute sind diese Gestalten noch nicht klarer gezeichnet, als sie es damals waren. Im Jahre 1894 hielt Graf Chorinsky vor dem Juristenverein zu Linz einen ausführlichen Vortrag über sein Arbeitsgebiet und seine rechtsgeschichtlichen Ansichten. Beispielgebend ist der Idealismus, der durch die Sätze hindurch zu spüren ist und den spröden Stoff immer wieder zu Lebendigkeit zu steigern versteht. Was Dr. Theodor Motloch wenige Jahre später zum Inhalt seines Nachrufes machte, wurde von ihm damals ebenso klar ausgesprochen: Hauptfrage seines Lebens sei gewesen, „welches Recht denn eigentlich vor dem bürgerlichen Gesetzbuche in Öster¬ reich gegolten habe“. Die beiden Erzherzogtümer Österreich ob und unter der Enns erschienen ihm würdig zum Ausgangspunkt seines Forschens, weil sie im 16. Jahrhundert das kulturell fortgeschrittenste Gebiet des deutschen Reiches waren, weil sich alle Bildungselemente der Zeit damals in Österreich, dem Kern eines Weltreiches, trafen und deshalb auch ein vorbildlicher Stand der Rechtswissenschaft angenommen werden darf. Tatsächlich habe ihn der vorzügliche Wert aller suristischen Arbeiten dieser Zeit sehr angezogen. Unfehlbar sei in ihm die Überzeugung gewachsen, daß die Quellen vieler Rechtssätze des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in den juridischen Arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts liegen, daß aus diesem Grunde „die unschätz baren Vorzüge unseres Bürgerlichen Gesetzbuches eben in der 300 jährigen Vorbereitung dieses Meisterwerkes zu finden sind.“ Ist die Rechtsgeschichtsforschung über diesen wertvollen Stand¬ punkt hinausgewachsen, ja hat sie ihn wenigstens erhalten? Leider muß diese Frage verneint werden. Für Graf Chorinsky ist es aber ein bleibender Nachruhm. Bei diesem Vortrag zu Linz entwarf der Forscher auch ein interessantes Bild der obder¬ ennsischen Landesordnung, das in allen Zügen beibehalten werden kann. Er verband damit seinen 2) O.-ö. Landesarchiv, Ständisches Archiv, Handschriften, Bd 108 (Landtafel). 3) Vgl. Mischler-Ulbrich, Österreichisches Staatswörterbuch, Bd 3, 2. Aufl. (Wien 1907) S. 348 ff (Motloch, Landesordungen und Landhandfesten I Österr. Ländergruppe), und die Ab¬ handlungen Anmerkung 1.

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