Bausteine zur Heimatkunde Auch in den Nachbardörfern von Neustift und in der Umgebung von Königs¬ wiesen traf ich Krautbottiche der geschilderten Art an und mein Gewährsmann Ignaz Pilz, der aus Komau bei Neustift stammt, sagte mir, daß in den hoch¬ gelegenen Dorfschaften und Einschichten des angrenzenden Waldviertels noch viele solcher Bottiche in Gebrauch stehen. In Dr. Stepans Werk „Waldviertel“ ist im 3. Band, Seite 17, ein Krautkessel abgebildet, eine Schilderung der Bereitung des Grubenkrautes aber enthält dieses Buch nicht. In früheren Zeiten war diese Art des Krauteinmachens sicherlich über ein viel größeres Gebiet verbreitet. Die rauhen Höhenlagen des Granitmassivs das letzte Rückzugsgebiet und auch hier kann ein langsamer, aber steter Rückgang festgestellt werden. Die Bereitung des Sauerkrautes ist eben einfacher und erfordert weniger Arbeit. Ich vermute, daß vor Zeiten, als sich die Dorfschaften noch nicht zur gemein¬ samen Beschaffung eines Krautkessels aufgerafft hatten, einzelne Leute das „Krautsieden“ förmlich berufsmäßig betrieben und zur Herbstzeit mit ihrem Kessel von Dorf zu Dorf zogen. Der Familienname Krautsieder, der mir einmal im Mühlviertel untergekommen ist, legt mir diesen Gedanken nahe. Die Ahnen unserer vielen Bodingbauer waren ja auch Bottichbauer von Beruf und vielleicht hat mancher unter ihnen nicht nur Bottiche für die Brauhäuser, sondern auch Kraut bottiche der hier beschriebenen Art hergestellt. Karl Radler (Hagenberg) Der Schelm von der Rabensteinmühle Eine literatursoziologisch eigenartige Gestalt ist der Schelm, der unter der Bezeichnung Picaro in der spanischen Literatur als Gegenpol gegen die Ritter-Gestalten der Oberschichte seine eigentliche Formung und häufigste Wiederholung fand und von hier aus in die Literaturen der anderen Völker eindrang, die ihn mit ihrem natio¬ nalen Inhalte erfüllten: der Sucher Simplicius Simplicissimus Grimmelshausens und die lebenswahren Schelme auf anderer sozialer Basis des Oberösterreichers Johann-Beer. Neben den Kunst-Schelmen¬ romanen gibt es Volks-Schelmengeschichten; zahlreiche Erzählunger von Schelmenstreichen, die mündlich im Volke leben und bisweilen als Episoden in die Kunst-Schelmenromane Aufnahme fanden. Schelmen¬ geschichten sind gekennzeichnet durch die (meist gutmütige) Übertölpe¬ lung des sozial Stärkeren durch den sozial Schwächeren. — Die fol gende typisch volkstümliche Schelmengeschichte, die heute nur mehr wenige kennen werden, soll der Vergessenheit entrissen werden. Der Anlaß ihrer Entstehung — eine Begebenheit oder ein frei erfundenes Schelmenstückchen oder eine Sage in Anknüpfung an den überhängen¬ den Felsen — wird sich kaum mehr feststellen lassen. Mir hat sie der nun schon lange verstorbene Wirt des Gasthauses zur Rabensteinmühle erzählt. Einstmals, als es noch keine Bahn, aber dafür viel fahrendes Volk auf der Landstraße gab, kam an einem strahlenden Sonntagvormittag im Sommer Handwerksbursche in das Gasthaus zur Rabensteinmühle bei Aurachkirchen und mochte wohl so vertrauenserweckend ausgesehen haben, daß ihm der Wirt auf seine Bestellung Braten samt Zubehör und Wein kredenzte. Als der Handwerks¬ bursche alles verzehrt hatte, dankte er und eröffnete dem Wirt, daß er nicht einen
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