OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Weinberger: 100 Jahre Eiszeitforschung in Oberösterreich schwer vermag sich die neue Ansicht gegenüber der offiziellen Wissenschaft, die zuerst noch der Katastrophenthorie, dann der Drifttheorie huldigt, durchzusetzen. Offiziell siegte die Eiszeittheorie erst am 9. November 1875, als O. Torell auf einer Tagung der Deutschen geologischen Gesellschaft den Nachweis führte, daß die Schlifflächen auf den Rüdersdorfer Kalkbergen nur durch Gletscherwirkung entstanden sein können. Eine anschauliche Vorstellung vom Stande der amtlichen Auffassungen vor 80 bis 100 Jahren geben die damaligen geologischen Kartenwerke. Die schönen Karten Gümbels über Bayern aus dem Jahre 1858 scheiden die Eiszeitgebilde überhaupt nicht aus. Er kennt nur erratisches Diluvium (also Flutanschwem¬ mung), Löß und Gerölle. Das hervorragende Kartenwerk, das 1864 F. v. Hauer über die österreichisch-ungarische Monarchie zusammengestellt hatte und das 1867 bis 1871 herauskam, verzeichnet nur Löß und Quartärschotter. Die Eiszeitablage¬ rungen wurden von ihm zumeist dem Tertiär zugewiesen. War es angesichts dieser Lage nicht eine prometheische Tat, sich vor hundert Jahren zur Eiszeit zu bekennen und in ihrem Sinne zu arbeiten? I. Das Pionierzeitalter In diesem Zeitabschnitt wurden in mühevoller Arbeit die ersten Beobach¬ tungen gemacht, die noch vielfach im Dunkeln tappten. Noch immer ist die Fluten¬ theorie herrschend. Wie erwähnt, schrieb noch 1857 Schönnamsgrubers, seine Ansicht nieder, nach der das Salzachvorland von ungeheuren Überschwem¬ mungen zusammengespült worden sei. Nachdem man also in der Schweiz schon seit einiger Zeit mit dem Eiszeit¬ gedanken arbeitete, zündete auch in Oberösterreich dieser Funke. Unser erster Pio¬ nier, der zuerst mit der Fackel der Erkenntnis in das Dunkel der Diluvialvorzeit hineinleuchtete, trägt einen bekannten Namen. Es ist dies unser Friedrich Simony*). Die Simonyhútte, das „Hotel Simony", die Simonyscharte, die Simonywarte, die Simonyhöhle, das Simonykees, die Simonyspitze unweit des Großvenedigers, das Salzmineral Simonyit tragen seinen Namen. Es ist hier nicht der Ort, näher auf sein Leben einzugehen. Allbekannt ist der große Einfluß Simonys auf Adalbert Stifter. Stifters herrliche Naturschilderungen im „Berg¬ kristall“ gehen auf eine gemeinsame Besteigung des Dachsteins zurück. In seinem Bildungsroman „Der Nachsommer“ ist die tragende Person niemand anderer als Simony. Er ist es, der als Heinrich in die Alpen geht, um sie zu erforschen. Seiner wissenschaftlichen Vielseitigkeit als Zoologe, Botaniker, Seenforscher, Gletscherforscher, Meteorologe können wir hier nicht gerecht werden, ebenso wenig seiner Kunst als Landschaftszeichner. Auch sein großes Dachsteinwerk sei hier nicht 6) F. Schönnamsgruber, Die Diluvialfluthen des Salzachgebietes, Correspondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereines zu Regensburg Ig 11 (Regensburg 1857) S. 135. *) A. Penck, Friedrich Simony, Leben und Wirken eines Alpenforschers, Geographische Ab¬ handlungen, herausgegeben von A. Penck Bd VI/3 (Wien 1898); A. Böhm von Böhmersheim, Zur Biographie Friedrich Simonys (Wien 1899); F. Morton, Friedrich Simony. Das Wirken eines großen Forschers im Salzkammergute, Heimatgaue Ig 6 (Linz 1925) S. 45.

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