Oberösterreichische Heimatblätter maskierten Brauchtumsläufern (Reitern auf Maskenböcken, Streckscheren- und Spitzmützenträgern) auch Leitern befinden, die entweder allein gezeichnet sind 32) oder in eine Kirche gestellt werden33). Nach Weigel verdanken die Ritzzeichnungen ihre Entstehung den in den Zeichnungen selbst dargestellten Maskenläufern, die auf ihren Rauhnachtszügen in den Höfen einkehrten, in der Tenne tanzten und bewirtet wurden und als Dank für die Aufnahme die heilbringenden, fruchtbarkeitsmagischen Zeichen anbrachten, denen im besonderen Fall der Leiter eine ähnliche Aufgabe zugefallen sei wie der russischen „lesenka“, die am Himmelfahrtstag durch den Hin¬ weis auf die Auffahrt des Herrn auch das Emporschießen und Aufwachsen der Saaten besonders anregen und veranlassen soll. Daß dem Leiterzeichen schon durch seine häufige Vergesellschaftung mit den übrigen Heilszeichen, im besonderen aber durch seine Verbindung mit den Kirchendarstellungen sakrale Bedeutung zu kommt, ist nicht zu bezweifeln. Daß Leiter und kirchlicher Brauch in Zusammen¬ hang stehen, zeigt eine noch geübte weihnachtliche Gepflogenheit in Berchtesgaden, wo, nach R. Kriß 34), lange vor Einführung des Christbaumes in der Mettennacht schon „mit Kerzen besetzte Strickleitern“ (siehe oben Weihnachtsbaum im Kieler Museum) angebracht waren, „Himmelsleitern“ also, die offensichtlich die Herab¬ kunft des Herrn während der gnadenvollen Weihnachtszeit versinnbildlichen. Und noch ein Weihnachtsbrauch verdient in diesem Zusammenhange wähnung: in zahlreichen Heimatkrippen des Salzkammergutes (um Ischl und Lauffen), die das heilige Ereignis mitten in die Bergwelt der Krippenschnitzer stellen, findet sich das rauhe Geklüft der dargestellten Landschaft von einer kühnen Brücke überspannt, über die ein Rauchfangkehrer mit geschulterter Leiter hinweg¬ schreitet, wobei einigen Krippenbesitzern die Verbindung von Rauchfangkehrer und Brücke als so wesentlich und untrennbar erschien, daß sie die Figur des Rauch¬ fangkehrers sofort wieder an ihren Platz zurückstellten, als Verf. sie zur photo¬ graphischen Aufnahme ins Vorfeld der Krippe rücken wollte. Ein Photographieren der Figur ohne Brücke erschien ihnen vollkommen sinnlos (Lauffen). Wir haben also hier ein doppeltes Sinnbild der Jahreswende vor uns: die Brücke, die die jähe Kluft zwischen dem alten und neuen Jahr sinnvoll überwindet, und den glück¬ bringenden Rauchfangkehrer mit seiner Leiter, der uns bei der Begegnung mit dem ungewissen Schicksal des kommenden Jahres in allen Fährnissen beschützen soll. Aus all diesen Belegen erhellt, daß die Leiter auch im heutigen Brauchtum, bewußt oder unbewußt, noch als mit jener Symbolkraft geladen empfunden wird, die wir, trotz der spärlichen Zeugnisse, die wir hierüber besitzen, über die Jahr¬ tausende hinweg in gleichbleibender Bedeutung verfolgen können. 32) Geschwendtmühle (erbaut 1585): Leiter vergesellschaftet mit Jäger, Wagen, Haus, Kirche, Hirsch, Bock, Hund, Vogel; Schochechristehof in Oberkirnach (erbaut 1605): Leiter in Verbindung mit Stern, Herz, Raute, Schere, Haus, Mann. 33) Felsenhof in Vöhrenbach (erbaut 1603): Leiter in Kirche, ebenso Oberer Geschwendhof in Gütenbach (erbaut 1613): Leiter in Kirche, vergesellschaftet mit Haus, Herz, Stern, Spirale, Doppelspirale, Bock, Hirsch, Pferd, Hund, Fisch, Mann. 34) R. Kriß, Sitte und Brauch im Berchtesgadener Lande (1947), S. 38. 52
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2