Grbik: Drei Lieder auf den Tod Kaiser Maximilians I. (1519) destens alle wichtigeren. Geschichtlich unbestimmt ist, wann Faber in Wels eintraf, ob und inwieweit er Augenzeuge der von ihm angeführten Einzelheiten war oder ob und von wem sie ihm berichtet wurden. Hiefür kämen in erster Linie die zahl¬ reich anwesenden Geistlichen in Betracht, dann die beiden von der Wiener Univer¬ sität nach Wels berufenen Arzte Puelinger und Tannstetter. Durch Fabers Rede erhielt die Öffentlichkeit gewissermaßen eine amtliche Bestätigung der seit langem und sicherlich in verschiedener Fassung umlaufenden Gerüchte. Die des Lateinischen mächtigen Zuhörer der Rede konnten nun die bestimmt von allen Seiten auf sie einstürmenden Fragen über den bisherigen Ablauf der Ereignisse übereinstimmend nach Form und Inhalt beantworten. So erfuhr endlich auch das wißbegierige Volk die sozusagen offiziell verbürgte Lösung. Möglicherweise zeichnete sie sogleich ein unternehmender Mann auf, um sie selbst poetisch oder durch Verkauf zu ver¬ werten. Ein sicherer Beweis ist heute weder für noch gegen ein solches Zwischen¬ glied möglich. Die Grundlage für die Darstellung der wichtigsten Ereignisse bis zur Feier in Wels bildet somit vermutlich die Rede Fabers, für die späteren das eigene Erlebnis des Dichters. In Wels liegt der Höhepunkt des ganzen Ge¬ schehens und gleichzeitig die tragische Erfüllung des vom Kaiser ahnungsvoll, doch gefaßt, seit Jahren vorausgesehenen Schicksals. Verhältnis Pleyer II zu Weyler. Der Text in der Klosterneu¬ burger Handschrift stammt offenbar erst aus der Zeit nach dem Druck von Pleyer und Weyler. Im umgekehrten Fall hätte Pleyer auf sein Akrostichon gewiß nicht verzichtet, das ebenso seine Priorität wie seine Dichtkunst beweisen sollte. Die neuerliche Bearbeitung desselben Themas, wenn auch unter Angabe neuer Einzel¬ heiten, unmittelbar nach Kenntnis von Weylers Lied erfolgte vermutlich aus fol¬ gendem Grund: Angesichts der Behauptung Weylers, der eigentliche Dichter zu sein, und da dessen Lied wegen der gefälligeren Form vielleicht mehr Verbreitung versprach, war es Pleyers Bestreben, seine Priorität als Dichter in Form eines Akrostichons zu wahren und in seinem zweiten Lied auch noch weitere, von Weyler nicht erwähnte Angaben zu bieten. Hierher gehört z. B. die Berufung des Priors Reisch von Freiburg nach Wels. Vermutlich plante Pleyer auch die Drucklegung dieses Gedichtes. Dazu kam es aber aus unbekannten Gründen anscheinend nicht mehr; wenigstens ist kein zeitgenössischer Abdruck bisher bekannt geworden. Zusammenfassung: Die Vorgeschichte der Entstehung der drei Lieder ist heute nicht mehr einwandfrei zu erklären. Dem Hauptinhalte nach gehen sie anscheinend im wesentlichen auf die lateinische Leichenrede Fabers in Wels zurück. Die Einschaltung eines handschriftlichen oder gedruckten Zwischengliedes in deutscher Prosa zwischen die mündliche Überlieferung und die Liedformen ist mög¬ lich, aber nicht unbedingt nötig. Der sachliche Vergleich der Lieder führt zur zeit¬ lichen Reihung und zum Stammbaum Pleyer I (Flugblatt in Salzburg) — Weyler (Flugblatt in München) — Pleyer II (Klosterneuburger Handschrift.) Inhalt und Form der Lieder erweisen von neuem die Volkstümlichkeit des „Letzten Ritters“ 45
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