Oberösterreichische Heimatblätter Für das Verhältnis Pleyer I zu Weyler ergeben sich folgende Möglichkeiten: a) es wurde von beiden unabhängig voneinander dieselbe, später verlorengegangene Prosaquelle, vielleicht eine Zeitung, benützt, was Liliencron (S. 216) für möglich hielt. Hievon wird noch die Rede sein. b) Priorität des Weylerschen Gedichtes. Diese wird von ihm selbst in Strophe 39 behauptet, ebenso auch von Liliencron, Seemüller (S. 72) und Stammler (S. 902 und Artikel Weyler, 1943 im Druck). Diese Annahme ist nach dem Textvergleich nicht über zeugend, wohl aber findet sich größere Sprachgewandtheit und besseres Verständnis bei Weyler. c) Priorität des Pleyerschen Gedichtes. Dafür entscheiden sich Goedeke 18), John Meier (briefliche Mitteilung), für sie sprechen meine eigenen Textvergleiche. Auch der schlechtere Text von Pleyer wäre nur gezwungen erklär bar, wenn der bessere von Weyler bereits früher vorgelegen hätte. Übrigens ist die Angabe Weylers in Strophe 39, daß er „das lied erst thet bekant und new gedichtet hat“, noch näher zu beachten. Sie besagt in ihrem ersten Teil, Weyler habe das Lied (zu)erst bekannt gemacht. Das steht im Widerspruch zu Pleyer I der sowohl im Titel „Ein new geticht liedt“ als auch in Strophe 27 behauptet, er selbst habe das Lied „von erst“ gedichtet. Weylers zweite Wendung besagt, er habe es „new gedichtet“. Das kann wohl sinngemäß und wörtlich kaum etwas anderes bedeuten als den sonst bei Umarbeitungen damals gebräuchlichen Aus druck „von neuem gesungen“ und klingt wie eine getarnte Abschwächung von Weylers erster Behauptung. Außer dem entscheidenden Textvergleich und dem mangelnden Grunde zu einer Textverschlechterung von Weyler zu Pleyer beim gleichen Druckort Nürnberg und im gleichen Jahre spricht somit auch die Aus¬ legung der Worte Weylers „new gedichtet“ für die Priorität Pleyers. Eine Berichtigung zu Stammler (S. 902 und Artikel Weyler) hätte diese Untersuchungs¬ ergebnisse zum Ausdruck zu bringen. Zur Vorgeschichte. Es ist im Sinne von Liliencron gewiß nicht aus¬ geschlossen, daß beide Dichter eine deutsche Prosavorlage benutzten. Sie hat sich indes bisher nicht gefunden. Möglicherweise könnte es sich aber um Stoffüber¬ nahme aus der berühmten lateinischen Leichenrede handeln, die der Hofprediger Johannes Faber bei den Feierlichkeiten am 16. Januar 1519 in Wels hielt. Sie erschien im Druck jedoch erst am 26. Juli 1519 in Augsburg 19) und enthielt natürlich nur die Ereignisse bis zur Feier in Wels. Die Benützung des Druckes durch die beiden Dichter, die wohl sicher des Lateinischen nicht mächtig waren, ist sehr wenig wahrscheinlich. Am zutreffendsten erscheint mir daher folgender Zu sammenhang: Fabers Leichenrede umfaßt unter anderem Inhalt fast sämtliche in den drei Liedern vorkommenden Episoden bis zu den Welser Feierlichkeiten, min¬ 18) K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, Bd 1 (Dresden 1884) S. 290. 19) J. Faber, Oratio funebris in depositione gloriosi Imp. Caes. Maximiliani Aug. (Augsburg 1519). Abdrücke: Freher, Ner. Germ. Script. (1637) II, S. 402 —420; Freher¬ Struve (1717) II, S. 721 —743. 44
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