OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Lebensbilder im Unterhandeln, seine schriftstellerische Begabung, sein wohl wieder echt schwäbisches Organi¬ sationstalent ließen ihn von Neukirchen, von Oberösterreich, nicht mehr so rasch loskommen. Er blieb die dreißig besten Jahre seines Lebens als Gemeindearzt in dem 10 Kilometer südlich von Braunau gelegenen Pfarr- und Bauerndorfe. Auch diese drei Dezennien wurden von Reh ähnlich wie seine Hochschulzeit wieder bis auf die letzte Minute ausgenützt. Ein Vollschwabe müßte an der vielseitigen Betriebsamkeit seines freilich nur halbschwäbischen Landsmannes seine helle Freude haben. Bei ihm war alles bis auf die letzte Minute eingeteilt. Eine glänzende und rasche Auffassungsgabe, ein sehr verbindliches äußeres Wesen, eine bewundernswerte geistige Vielseitigkeit und Wendigkeit lassen uns das reiche Arbeitsfeld, das Reh so sorgfältig beackerte und betreute, einigermaßen begreifen. Er war wirklich ein Lebens¬ künstler. Was hätte er wohl erreicht, wenn er seine gewaltigen Energien auf nur einem Gebiete, etwa der Kunstforschung oder im Schriftstellerberufe gesammelt hätte! Aber das lag ihm nun einmal nicht. Schillernde Vielseitigkeit, bunte Abwechslung befriedigten seine Wesensart stärker Es birgt für den Biographen immer eine gewisse Gefahr, eine ganze Persönlichkeit, wenn sie noch so vielseitig ist, zu zergliedern. Aber ich kann doch nicht umhin Rehs Arbeitsfelder im einzelnen zu beschreiben. Unser Dorfarzt, der alle Fähigkeiten ebenso für einen Stadtarzt besessen hätte, war ein vielbeschäftigter, überaus geschätzter, gewissenhafter und verschwiegener praktischer Arzt. Neh hat die wirtschaftliche Organisation der Arzte Oberösterreichs nach dem Vorbilde von Niederösterreich gemeinsam mit dem Braunauer Stadtarzte Dr. A. Pascher aufgebaut. Sein Bild ist deshalb auch an bevorzugter Stelle in den Räumen der oberöster¬ reichischen Arztekammer in Linz angebracht. Dr. Pascher war eine mit guten Ideen begabte Persönlichkeit, aber die gesamte Fundierung des gemeindeärztlichen Berufes und des wirtschaft¬ lichen Aufbaues der Arzteorganisation im einzelnen verdanken die Arzte Oberösterreichs dem Schriftführer Dr. Reh. Durch zwei Jahrzehnte leistete er selbständig fast die ganzen schriftlichen Arbeiten. Heute würde man für derlei Dinge eine Flucht von Kanzleien organisieren. In der Zeit seiner großen ärztlichen Praxis — man bedenke, Landpraxis mit täglich 30 Kilometer Pferdefahrt — setzte Reh sein Reiseleben uneingeschränkt fort. Er ist einmal wöchentlich in Braunau, einmal monatlich in Salzburg, bei allen Organisationssitzungen in Linz und weit darüber hinaus: in Paris 1900, in Nord- und Mitteldeutschland 1901, in den Nordischen Staaten Europas 1902, in der Schweiz 1903, in Bosnien und Dalmatien 1904, in Belgien, Holland, England 1906, in Südtirol 1908, in Ungarn 1909, in Nordamerika 1910, in Ostdeutschland 1911, in der Schweiz und Oberitalien 1912, in Italien 1913, in Bayern 1922, in Kärnten und Steiermark 1923, in Südtirol und Schweiz 1924, in Kärnten 1925, im Burgen¬ land 1926, im Schwabenland 1927 und im Frankenland 1928. Wie bereits eingangs erwähnt ist jede dieser Reisen ausgezeichnet vorbereitet, die Stadtpläne studiert usw. Reh besuchte auf seinen Reisen die wichtigsten europäischen Museen, die großen Gemäldegalerien, er bemühte sich in die Seele der Städte, der Länder einzudringen. So konnte er in reger Geistesarbeit seinen Gesichtskreis Jahr für Jahr erweitern und neue Kräfte für Dorf- und Berufsleben gewinnen „Durch Arbeit — Erholung zur Arbeit“, könnte man mit einem Satze sagen. Auf die im Voraus geschilderten Erlebnisse baut sich aber nun eine reiche schrift¬ stellerische Tätigkeit auf. Es ist bedauerlich, daß das meiste in Zeitschriften zerstreut ist, nicht gesammelt wurde und für den Verfasser selbst vielfach nicht mehr greifbar ist. Deshalb fehlen oft genauere Angaben. Reh schrieb vor allem zahlreiche Aufsätze, die man unter dem Titel „Zur Biologie und Psychologie des Landarztes in Oberösterreich“ sammeln könnte. In ausgezeichneter Weise verknüpfte der gewandte Schriftsteller dabei Theorie und Praxis, wirt¬ schaftliches und soziales Denken. Die Darstellungen sind sehr anschaulich, die Sprache leicht verständlich und die Ausdrucksform knapp umrissen. Dazu kommt eine Reihe von Reiseberichten, ausführlicher die ansprechende Schilderung „Mit dem Wiener Gesangsverein im Fluge durch die Neue Welt“, die ausgezeichnete gesell¬ schaftliche Einblicke in das Leben und Treiben in den U. S. A. gibt. 353

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