OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Lebensbilder Ich mußte hier diese Fragen um den Landarztberuf kurz streifen, da ich für einige offen¬ sichtliche Mängel doch auch eine bescheidene Abhilfe wüßte. Diese hat freilich nichts mit den ökonomischen Grundlagen dieser Erscheinung zu tun. Wie dem Landlehrer und dem Landgeist¬ lichen sollte auch dem angehenden Landarzte eine bescheidene Ausbildung auf den Gebieten der Volksforschung, Volkskunde, Volkstumspflege und Volkserziehung geboten werden. Sie könnte auf der Hochschule vielleicht in Verbindung mit der Hygiene gebracht werden. Von einer orga¬ nischen Dreiheit: Landlehrer, Landgeistlicher, Landarzt würde ich mir ein wirksames Mittel für jegliche Arbeit im Sinne von Pflege der Dorfkultur und im Kampf gegen die Landflucht ver¬ sprechen. Bei den kulturellen und sozialen Hilfsbestrebungen, die Dorf, Markt und Kleinstadt wieder zu einer begehrenswerten Heimat machen wollen, sind örtliche Kraftzentren auf dem Lande sehr wichtig. Von den Landeshauptstädten aus allein können diese Fragen nicht gelöst werden. Man entschuldige die etwas langatmige Einleitung; ich fühle mich aber immer verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß die Unterscheidung von „Einzelfall“ und „Typus“ für jede Biographie sehr notwendig ist. Der Beruf, seine Biologie und Psychologie, ist als soziales Milieu zu werten, das fast ebenso wichtig ist, wie Naturlandschaft, Siedlung und Wohnung. Medizinalrat Dr. Emil Reh ist seinem Geburtsorte nach ein Südtiroler. Am 28. Mai 373 erblickte er in der altehrwürdigen Bischofstadt Brixen das Licht der Welt. Das Erleben der Jugendjahre und der Gymnasiastenzeit in der an Kunstschätzen und kirchlichen Bauten so reichen Stadt, ihre Lage vor einem der wichtigsten Tore nach dem klassischen Kunstland Italien mag wohl unbewußt einer der Quellen der Südlandsehnsucht des Arztes und Kunst¬ forschers Dr. Reh gewesen sein. Wir müssen da erinnern, daß viele oberösterreichische Arzte an der tirolischen Landesuniversität Innsbruck ihre Studienzeit verbrachten, daß andererseits aber auch zahlreiche in Tirol geborene Arzte in Oberösterreich ihre Berufs- und Lebensheimat suchten und auch fanden. Von diesen Tiroler Arzten unseres Landes unterscheidet sich Reh ganz wesentlich. Erst ein weiteres Zurückgehen in die Ahnengeschichte läßt uns die vielseitige Begabung dieses Doppel¬ lebens, seine starke Aufgeschlossenheit für fast alle Gebiete der Kunst und Wissenschaft, vor allem aber die Vereinigung mancher Gegensätzlichkeit in einer Person erklären, zumindest verständ¬ licher machen. Daß Rehs väterliche Vorfahren aus dem Schwabenlande stammten, hat wohl eine für ein ganzes Lebensbild grundlegende Bedeutung. Die Reh hatten im Raume von Dillingen an der Donau in Bayrisch-Schwaben ihre Heimat. Dort sind sie in der Zeit des 30jährigen Krieges noch Bauern, dann begegnen sie uns im Raume von Augsburg und weiter den Lech aufwärts als Müller, als Frächter und schließlich nach 1809 in Reutte, also bereits in Tirol, als Bräuer. Rehs Großvater sowie sein Onkel werden vielgesuchte Arzte in Vorarlberg, zu Höchst am Rhein im Raume des Bodensees. Die ärztliche Seite im Leben Rehs ist von seiner schwäbischen väterlichen Linie her vorgezeichnet, wenn auch der Vater selbst Beamter war. Reh schildert diesen als einen großen Freund der Fauna und Flora der Berge, aber auch als einen Kunstfreund, der seinem Sohne bereits die Grundlagen der Kunstgeschichte und Stilkund¬ beibrachte. Die Mutter Rehs war eine geborene Tauber und rein tirolisch-bajuwarischer Abstammung In der mütterlichen Ahnenreihe finden wir Bauern, aber auch niederen Landadel der Brixner Bischöfe vertreten. Der mütterliche Großvater Rehs war Maler und Zeichenlehrer. Das überraschend reiche Lebensbild unseres Arztes und begeisterten Kunstforschers vereinigt, wie wir in der Folge näher ausführen werden, in wunderbarer Weise schwäbisches und baju¬ warisches, väterliches und mütterliches Erbe. Vorerst besuchte Reh das Gymnasium zu Brixen. Seine ersten Reisen führten ihn schon zur Großmutter in das Arzthaus am Bodensee. Wir spüren im jungen Gymnasiasten bereits etwas von echter Schwabenart, vom Fernweh, wenn wir hören, daß er bereits vom 16. Lebensjahr 351

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