OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblätter und Freude am Dasein waren die Tröster und Helfer auf dem weiteren mühsamen Lebenswege, der schließlich doch zur Versorgung der Kinder und zum bescheiden gesicherten Alter im freundlichen Heim führte. Dieses harte Arbeitsleben mit viel schweren und wenig leichten Stunden ward aber verklärt durch das Doppelgestirn der Sangeskunst und Sangesfreude. Schon die Eltern, Raimund und Veronika Hillbrand, waren richtige Vertreter des liederfrohen Ausseerlandes und sangen beide gern und gut. Die kleine Anna lernte sprechen und singen zugleich, behielt jedes einmal gehörte Lied dauernd im Gedächtnis und sang und jodelte mit ihrer silberfeinen und kristallreinen Stimme, daß es eine Freude war, den ganzen lieben langen Tag. Sie brachte daher schon einen ansehnlichen Liedervorrat von Aussee nach Obertraun mit. Dort kam sie wieder in eine liederfrohe Umwelt. Die braven Seewirtsleute Johann und Mario Höll, er gebürtig aus Obertraun, sie aus Kärnten stammend, waren beide be¬ geisterte Sänger. Kein Wunder, daß die Ziehtochter gar bald die Obertrauner Lieder ebensogut kannte und konnte wie der Vater, und der Mutter manche Kärntner Lieder ablauschte. Selbstverständlich kehrten Musikanten und Sänger der Umgebung mit Vorliebe im gleichgestimmten Seewirtshause ein. Von ihnen hörte Anna Hillbrand abermals gar manch neues Volkslied aus Nähe und Ferne. Die sieben Jahre als Sennerin auf der Alm bereicherten ihren Besitz durch Lieder und Jodler aus Gosau und der Namsau. Auch von ihrem Manne lernte Anna noch Gosauer Gesänge. Denn der war ein berühmter Jodler. Zusammen mit seinem Bruder Peter Posch und den Brüdern Johann und Leopold Stimitzer aus Obertraun errang er in Graz einmal den ersten Preis, die Goldene Medaille im Jodeln. Der Ruhm der Eheleute Posch war mittlerweile so weit gedrungen, daß Pioniere der neuzeitlichen Volksliedforschung wie Dr. Josef Pommer, Karl Kronfuß und die Brüder Alexander und Felix Poeschl sie aufsuchten, mit ihnen sangen und einiges auch aufschrieben. Anna Posch hatte freilich schon längst eigene Liedaufzeichnungen geführt. Die ersten reichen bis in ihr 15. Lebensjahr, also 1895 zurück, die letzten erfolgten 1944; sie umspannen also ein halbes Jahrhundert. Ganz in der üblichen Art gehalten, verzeichnen diese immer wieder neu abgeschriebenen und vermehrten „Liederbüacheln“ nur die Wortlaute, das jüngste trägt den Titel: Geschriebenes Liederbuch der Anna und Maria Posch. Maria ist die Tochter unserer Sängerin, ebenfalls musikalisch hochbegabt. Insgesamt hat Anna Posch in ihren verschiedenen Aufzeichnungen 125 Lieden festgehalten, welche sie sämtlich jederzeit auswendig zu singen vermag, gewiß eine beachtliche Gedächtnisleistung! Es verlohnt sich, diesen Liedbestand nach ver¬ schiedenen Gesichtspunkten kurz zu betrachten. Der Gattung nach stehen die Kunstlieder (37) an der Spitze. Dann folgen die Almlieder (18), die Schützenlieder (14), die Neujahrslieder (11), die Liebes lieder (11), die Weihnachtslieder (8), die Soldatenlieder (7), die Hirtenlieder (6), die Ehelieder (6), die Erzählenden Lieder (3) und Sonstige (4). 342

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