OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Kastner: Die Kirchenkrippe von Altmünster Der Gefahr langweiliger Wieder¬ läßt sich nur durch innere Bezüge herstellen. holung, eines verdrießenden Gleichklanges ist der Künstler dadurch entgangen, daß er das Hauptgewicht auf die Darstellung verschiedener Temperamente ver¬ legte. Da gibt es zwei kahlköpfige Gelehrte mit aufgestellten Büchern auf ihrem Schoß mit gewagten Drehungen, die auf ein sehr hitziges Temperament schließen lassen, neben rüstigen, still vor sich Hinsinnenden. Freilich tut sich der innere Bezug hergestellt durch die erregte Erörterung und die lebhaften Gespräche der Ge¬ lehrten —, der reiche Wechsel zwischen sinnenden, skeptischen, grübelnden, zwischen nüchternen Buchstabenmenschen und lebendigen Feuergeistern, zwischen denen der Knabe mit erhobener Hand, ohne eines der mächtigen Bücher auf seinen Knien, ein Bild und Abgesandter einer anderen Welt (in einer dem Barock sehr liegenden Gegensatzwirkung) thront, erst dem genau Schauenden in seiner ganzen Fülle auf. Die herzukommenden Eltern, die angsterfüllt ihr verlorenes Kind suchen — und mag die Mutter noch so schön in ihrer halb vorwurfsvollen, halb erfreuten Gebärde sein — sie können durch ihren kleinen Beitrag zum Ausgleich durch die Senkrechte die durch so viele Figuren überlastete Horizontale in der Komposition dieser Gruppe nicht auswägen und so hat gerade mit dieser Gruppe das Volk wenig anzufangen gewußt. Trotzdem hat der Künstler hier Großes geleistet. Vermag uns auch die Reihe der Stühle, das Gewirre der Männer als Gesamteindruck nicht so zu be¬ glücken, wie etwa die Flucht mit ihrem unvergleichlichen Stimmungszauber, so hätte doch manch ein Gelehrter Kraft und Größe genug, als Entwurf zu einem Monumentaldenkmal zu dienen. Auch die Bemalung unterstreicht vielfach die an¬ l gestrebte Wirkung. Noeburni, dn Auch dem Nichtfarbgewohnten mag aufgefallen sein, welche Bedeutung der farbigen Fassung der lindenholzgeschnitzten Figuren zukommt. Er mag daran er¬ messen, wie beglückend es ist, das alte Werk noch im ursprünglichen Zusammen¬ wirken von Schnitzmesser und Pinsel zu sehen. Dies stellt einen besonderen Wert der Altmünsterer Figuren dar21). Auch der Erhaltungszustand der Schnitzarbeit ist, im Großen gesehen, gut. Eine ganze Reihe von Zeigefingern sind abgebrochen und lassen so den letzten feinsten Bewegungsausklang bereits vermissen. Einiges wird wohl alljährlich neu grob angeleimt und hält dann wieder eine Weihnachtszeit durch. Einige Füße, Hände, Opfergaben, Schleifen, besonders aber das Spruchband des Gloriaengels wären von kundiger Hand leicht und ohne Gefahr am Orte selbst zu ergänzen oder zu erneuern. Wir können also, ohne schön zu färben, von einem ausgezeich¬ neten Erhaltungszustand der Krippenfiguren sprechen, was uns um so mehr freuen muß, da wir ja nur wenige Krippen von dieser seltenen Wertigkeit besitzen. Sie hat bisher seltsamer Weise noch keinerlei Würdigung in unserer heimischen Literatur gefunden. 21) Man kann darauf nicht genug hinweisen, weil ich leider erleben mußte, daß man alt¬ gefaßte Figuren in wohlgemeintem Erneuerungs- und Verschönerungsdrang ausgekocht hat, um sie dann wieder „schön neu" zu bemalen. 327

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2