OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter Bald nach dem Hinscheiden wird der Tote im Sterbehause in der üblichen Weise aufgebahrt. Das Bettstroh wird am Abend nach dem Gebetläuten wo¬ möglich an einer Wegkreuzung verbrannt. Dabei sollen drei Vaterunser gebetet werden. An zwei, manchmal auch drei Abenden versammeln sich die Nachbarn zur Totenwache („Wachten“). Bei Erwachsenen werden gewöhnlich fünf Rosen¬ kränze mit Litaneien, bei Kindern drei Rosenkränze gebetet. In einer Pause gibt es einen kleinen Imbiß (gewöhnlich Kaffee). Früher war es Brauch, daß einige Dorfbewohner die ganze Nacht bei dem Toten blieben. Bei Todesfällen im Pfarr¬ dorf und in dessen nächster Nähe wird in neuerer Zeit in der Kirche „gewacht". Von einem oder mehreren Ansagern werden die Verwandten und Nachbarn nach einem ungeschriebenen Gesetz zur Teilnahme am Begräbnis eingeladen („mit dem Toten gehen“ lautet der alte Ausdruck). Bei einer großen „Freundschaft“ (Verwandtschaft) kommen bis zu 200 und mehr „Totenleute“ zusammen. Im Pfarrdorf Nattern¬ bach selbst bildet der kleine Bach (Reifingerbach) die Grenze für das „Ansagen“ Leichenbestatter und Vorbeter ist der Tischler. Dieser verfertigt den Sarg, der mit einem alten Wort als „Trau'r“ bezeichnet wird, und das Totenkreuz. Am Morgen des Begräbnistages begibt sich der Tischler in das Sterbehaus und legt den Toten in den Sarg. Dann gibt er zwei Leuchter mit brennenden Kerzen au den Sarg und stellt ihn auf eine Bank unter die Türe des Aufbahrungsraumes Früher war es allgemein üblich, daß sich nun der Tischler, das Totenkreuz in der Hand haltend, im Namen des Toten beurlaubte und bedankte. Dieser Brauch ist auch heute noch nicht ausgestorben. Das folgende Beispiel stammt von Tischler¬ meister Johann Bruckner in Natternbach, geht aber auf eine frühere Zeit zurück: Bevor wir den Toten aus dem Hause tragen, will ich mich in seinem Namen mit einigen Worten beurlauben. Der Verstorbene erreichte ein Alter vor 60 Jahren, war 30 Jahre verheiratet und Vater von fünf Kindern, von denen zwei in jungen Jahren gestorben sind. Allzufrüh für die Seinen ist er heim¬ gegangen zur ewigen Ruhe. Sein irdisches Tagewerk ist vollbracht. Seine sterbliche Hülle liegt blaß und starr vor unseren Augen. Zwar entfliehen den Augen Tränen¬ Trauer und Schmerz drücken uns nieder; aber wir beugen uns unter die weise und väterliche Führung Gottes. Was Gott, der Vater ewiger Erbarmung und Liebe, tut, muß uns ja immer zum Besten gereichen. Geliebtes Eheweib und Kinder! Euch danke ich für die gute Pflege in meiner Krankheit. Behüt' euch Gott und lebet wohl! Dann beurlaube ich mich auch bei meinen Verwandten und Nachbarn und allen, die mich zum Grabe geleiten. Behüt euch Gott und lebet wohl! Lebe so, wie wir nach der Lehre Jesu Christi leben sollen, damit wir am Tage der Auf¬ erstehung samt dem Verstorbenen zur Zahl der Auserwählten gezählt werden können und der Herr Jesus Christus zu uns sagen kann: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, und besitzet das Reich, das euch bereitet ist vom Anbeginn. Ver¬ geßt meiner nicht, vielgeliebtes Eheweib und Kinder, Verwandte und Freunde! Auch ich werde euch nicht vergessen. Habe ich jemand beleidigt, so verzeiht mir! So lebet wohl, bis wir uns alle einst bei Gott wiedersehen." 276

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