Oberösterreichische Heimatblätter Preise zwei Gugelhupfe und je ein Stritzel und Ring gebacken und dick bezuckert. Batterien von Fässern und Gläsern stehen längst für Bier- und Mostausschank bereit. Es kann losgehen. Langsam füllt sich Haus und Garten mit erwartungsvollen Gästen. Nun setzt endlich die Musik, die auf dem Tanzboden im Freien Platz genommen hat, mit einem Marsch ein. Die Kapelle verrät schon in ihrer Zusammensetzung¬ Ziehharmonika, Zugposaune, Klarinette und Schlagwerk — ihre Herkunft von der Jazzband. Mit reichlicher Verspätung beginnt das Klettern. Zuerst erklimmen jene zwei großen Burschen, die am Vormittag den Baum zurüsteten, ihn nochmals und holen sich anscheinend ohne besondere Anstrengung die beiden obersten Fahnen. Sie haben sich die Fußsohlen, inneren Unterarme und Handflächen fest mit Pech eingerieben, verschränken die Hände um den Stamm, pressen die Sohlen seit¬ wärts an ihn und kommen ruckweise rasch in die Höhe ans Ziel. Der Beifall der Zuschauer aber bleibt spärlich. Der Baum ist nämlich noch nicht eingeseift und daher verhältnismäßig leicht zu ersteigen. Von nun an aber soll es keiner mehr so leicht haben! Eben klettert der erste Sieger nochmals bis zur Mitte empor und schmiert dort den Stamm etwa eineinhalb Meter lang tüchtig mit Seife ein. Mehr ist gar nicht notwendig, da die Kletterer dieses heimtückische Rutschmittel nach oben wie unten selber weiter¬ verschmieren, freilich, ohne es zu wollen. Die Musik hat bisher vom Klettern anscheinend keine Notiz genommen, sondern fleißig Marsch, Foxtrott und andere moderne Tänze — hie und da auch einmal einen Walzer oder Polka — aufgespielt und nie darauf vergessen, in der Tanzmitte etwas auszuhalten, laut „Halbab“ zu rufen und so die Tänzer ans Zahlen zu mahnen. Nun aber setzt auch die Musik aus. Als erster Kletterer versucht ein etwa 12 jähriger Bub sein Glück. Er hat nur ein Hoserl an und am Gürtel ein Säckchen mit Asche hängen, um damit die Seifen¬ schicht zu bekämpfen. Bis zur halben Höhe kommt er auch langsam und mühsam empor, dann aber gehts umso rascher und leichter wieder herunter. Bub auf Bub versucht nun ähnlich sein Glück. Lange Zeit scheint das Beginnen aussichtslos. So aussichtslos, daß die Musik längst wieder den vielen Tanzlustigen zuliebe alte und neue Tänze aufspielt, ohne sich weiter ums Klettern zu kümmern. Schließlich und endlich verliert durch das stete Weiterverschmieren und Ein¬ äschern der Stamm doch mehr und mehr seine Glätte und so findet auch das zweite gelbe Fähnchen endlich noch seinen Herrn und Meister. Allgemeiner Beifall und ein Tusch der Musik belohnen die Leistung, der bald auch die Eroberung der vierten Fahne folgt. Voll Freude nehmen die Helden des Tages ihre Festgebäcke in Empfang. Der Maibaum wird nun amerikanisch versteigert. Auf zwei Böden geht der Tanz weiter. Der Baum wird am nächsten Morgen geworfen und vom Ersteher übernommen. Damit ist das Baumkraxeln beendet. 274
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