OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Bausteine zur Heimatkunde eine stattliche Wagenreihe zur Gerichtsstätte unter dem Maibaum auf. Voran ein Reiter mit Schärpe in den Ennser Stadtfarben Grün-Weiß-Rot, dann folgten die Fuhrwerke mit dem hohen Gerichtshof (Richter, Beisitzer, Staatsanwalt, Ver¬ teidiger), mit den gut bewachten Angeklagten und schließlich kam das geschmückte Langholzfuhrwerk, das den Baum zurückbefördern sollte. Eine Musikkapelle war natürlich auch dabei. Auf erhöhter Stätte wurde nun, begleitet von den Lachstürmen der um¬ drängenden Zuhörer, ganz stilecht, aber in witziger Verulkung die Verhandlung durchgeführt. Sie endete mit der Verurteilung der Angeklagten, die auch verhalten wurden, den Baum auf der Stelle zurückzuschaffen. Von geübten Fachleuten wurde denn auch der riesige Baum rasch und sicher gehoben, gelegt und verladen. In feierlichem, durch die Zuschauer schier ins Endlose verlängerten Zuge kehrte er unter den blühenden Bäumen des Majen¬ sonntags heim. Nach dem feierlichen nochmaligen Setzen erklärte der Gerichtsho den Fall für beendet und zog sich zu einer Schlußsitzung in das Extrazimmer des Gasthofes zurück. In allgemeinen Maitanz und richtige Maienfröhlichkeit klang der frohe Festtag aus. 2. Maibaumkraxeln in Tollet 1947 Eigene Maueranschläge in der Stadt Grieskirchen und Umgebung machten es Wochen vorher schon kund: Am Sonntag, den 18. Mai 1947, um 3 Uhr nach¬ mittags (alte Zeit), veranstaltet die Freiwillige Feuerwehr Tollet bei Grieskirchen in Schatzls Gasthaus und Fleischhauerei ein richtiges Maibaumkraxeln. Neben dem altbehäbigen Gasthof steht ein prächtiger Maibaum. Die Frei¬ willige Feuerwehr Tollet hat ihn gesetzt. Kerzengrad ragt er 22 Meter in die Höhe und mißt am Boden 32 Zentimeter im Querschnitt. Ganz oben trägt der Stamm noch seine grünen Zweige, in die rote Papierrosen und weiße Papierbänder eingeflochten sind. Vom obersten Wipfel flattert ein rot-weiß-rotes Fähnchen. Ansonsten ist der Stamm sauber abgeschält und geglättet. Er leuchtet in hellem Gelb, von dem sich das grüne Reisiggewinde, der „Schneck“, gut abhebt. Wie die Schlange vom Baum der Erkenntnis ringelt sich dieser Schmuck vom Wipfel¬ bäumchen bis zur halben Stammhöhe herunter. Auch drei grüne, mit weißen und roten Papierbändern sowie Rosen durchwundene Reisigkränze hängen in gleichen Abständen waagrecht um die obere Hälfte des Baumes Am Vormittag des 18. Mai werden die nötigen Vorbereitungen für das Kraxeln getroffen. Zwei kräftige, klettertüchtige Burschen entfernen zunächst das Gewinde um den Stamm und stecken in bereits vorgebohrte schräge Löcher vier Fähnchen hoch oben am Baum fest. Das oberste und unterste Fähnchen ist rot, die mittleren sind gelb. Auf der Wiese rund um den Baum wird ein Tanzboden aufgeschlagen und durch herausgeschleppte oder behelfsmäßig aufgeschlagene Tische und Bänke für die Sitzgelegenheit der Gäste gesorgt. In der Küche werden als 273

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