Oberösterreichische Heimatblätter im Gemeinschaftsleben gewidmet und zu diesen zählten unzweifelhaft die stadt¬ politischen Probleme des Stadtrichters mit seiner Wahl und seinen Aufgaben und des Stadtrates mit seiner Zusammensetzung und Zuständigkeit. Daneben aber floß noch ein breiter Strom des Lebens in Gewerbe, Handel und Wirtschaft, den zu erfassen unser gleich ernstes Bemühen sein muß, wie einst die Forschung dem Rechtsleben als dem unmittelbarsten Nachbar der Politik nachgespürt hat. Eine Urkunde aus Enns vom 24. April 1330*) führt mitten in die Möglich¬ keiten einer erweiterten Erkenntnis hinein, wie sie die eben angedeutete Blick¬ richtung vermitteln kann. Mit diesem Datum gab der Rat dem Handel und Ge¬ werbe seiner Stadt einige Satzungen („Hie stent geschriben die auf setze, die der rat vnd die gemain hat auf gesatzt der stat ze notz vnd ze eren"). Der Inhalt dieses Dokuments ist in zwei Hauptpunkte zu gliedern, wobei der letztere auf das Gastrecht eingeht, zum Anfang aber über zwei Handelspersonen verordnet wird, die bis nun sehr wenig Beachtung in der Wirtschaftsgeschichte unserer Heimat ge¬ funden haben. Sie trugen die sprechenden Namen „weinchoster“ und „vnder chauffel“. Wie liebte das Mittelalter die Farbe und Bildhaftigkeit seiner Aus¬ drücke! Sie zeigt uns schon einen Schattenumriß, ohne noch ein Licht entzündet zu haben. Methodisch wird es jedoch richtig sein, zunächst die erwähnten Gestalten zu zeichnen, wie sie aus der Überlieferung von Enns hervortreten, dann eine ver¬ gleichende Verbindung zu einem anderen Quellenbezirk, in diesem Fall Wien, herzustellen und schließlich mit Auswertung und Reflexion, die von spärlicher Literatur zum Gegenstand unterstützt werden kann, zu schließen. Das große Ennser Stadtrecht von 1212 spricht im Artikel IX von einem „litchovffaere“. Diesem wurde darin die Zeugenfähigkeit für Fremde gegen ein¬ heimische Bürger und umgekehrt abgesprochen. Leicht läßt sich die zitierte Rechts¬ person als Vorläufer des „vnder chauffel“ von 1330 nachweisen. Im Artikel 48 der Rechtenbestätigung Herzog Rudolfs III. für die Städte Krems und Stein wurde 1305 die gleiche Bestimmung gesetzt: Gäste und Bürger durften gegenseitig nicht mit Zeugen auftreten, „die da haizzent leitchaufer und underchaufel“. Aus 1340, 24. Juli, ist in der Handfeste Herzog Albrechts II. für Wien in Artikel 56 wieder dieser Paragraph überliefert mit „leichoufer“ = „underchoufel“2) Diese erste Erwähnung gibt ein Bruchstück und noch keine sichere Vorstellung. Was erfahren wir aus 1330? Der Weinkoster hatte den fremden Weinhändler, den Gast, zu den Bürgern zu bringen, die Handel treiben wollten, „Wandlung wird dieser hier genannt. Die Bürger mußten ihm dafür für jeden verkauften Dreiling 10 Pfennig Wiener Münze geben, für jede eingekaufte Weinmenge dieses Maßes 4 Pfennig Wiener Münze. Der Gast hatte nichts zu bezahlen. Derselbe Vorgang galt für die Tätigkeit des „vnder chauffel“. Auch er brachte den handels¬ *) O.-S. Urkundenbuch Bd 5, G. 575. 2) O.-H. Urkundenbuch Bd 2, S. 537 (Ennser Stadtrecht). — Dr. J. A. Tomaschek, Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, in: Geschichtsquellen der Stadt Wien, 1. Abt., Wien 1877, Nr. 25 und 37, S. 83 und 112. 260
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