Fischer-Colbrie: Die Landschaft Oberösterreichs in Julius Zerzers Dichtungen Der große Strom — sein Zug und Drang Ist ringsumher im ganzen Land zu fühlen, Und alles ist gestimmt auf seinen Gang, Nach dem die Bäche schmale Bette wühlen Ind krumme Täler, schwingend rund, Den eingeengten Lauf zu öffnen suchen, Nach dem der Berge dämmerblauer Schlund Versinkt zu Lärchengrün und Wiesenbuchen, Nach dem die Hügel aus dem Böhmerwald Ihr nie gestilltes Wogenspiel ergießen, Nach dem des Fuhrmanns Peitsche knallt Auf Straßen, die zu ihm herunterfließen Der große Strom — das breit gerollte Sein, Der Wesenhafte, der das Land durchwaltet, ie trägt geduldig er den Widerschein Und hält, in scheuen Tönen nachgestaltet, Dem Ungefähr sein Spiegelbild entgegen! Ermüdet nicht, in schwanke Häuserzeilen Das Mosaik der Fenster einzulegen, Und läßt genügsam das Vorübereilen Des Augenblicks durch seine Fläche rinnen. Indes er einig bleibt in seinem Schwung. Sein tiefes Fluten, sein geheimes Innen, Das ist der Strom ganz ohne Spiegelung: Der Wandelnde, der schweigend sich entfaltet Nach seinem unbeirrten Maß und Sinn Und — wie er auch die Welt um sich gestaltet Vom Urquell drängt nach seiner Mündung hin. Auch „Die weite Sicht", diese neue Gedichtsammlung Zerzers, in der wir die Krone seines bisherigen Schaffens erblicken dürfen, enthält wiederum eine Reihe landschaftlich ungebundener Naturgedichte, in denen Berge, Täler und Gewässer keine Namen tragen, die sie von ihren Schöpfungsgeschwistern unterscheiden würden. Und dennoch grüßt uns auch aus diesen Gedichten unser schönes Heimatland, in dem wir sie empfangen wissen, grüßt uns Oberösterreich mit seinen Wiesenstreifen, Obstgehölzen und Ackerzeilen, mit seinen blühenden Wegrainen und winddurch¬ spielten Kornfeldern, mit seinen Burgen, Kirchen und Kapellen, mit seinen bach¬ durchschäumten Schluchten und den entrückten Höhen seiner Almen, mit dem Frieden seiner Wälder und dem Zauber seiner Seen; ja die Heimat grüßt uns, wie wir zu erkennen glauben, selbst noch aus der Abendwolke über Baum und Turm und 251
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