Fischer-Colbrie: Die Landschaft Oberösterreichs in Julius Zerzers Dichtungen Gedichte, hinaus das Allgemeine landschaftlicher Erscheinungen zum Gegenstand der Darstellung macht. Aber wie viele dieser anderen, vom Topographischen los¬ gelösten Landschaftsgedichte lassen doch erkennen, daß sie aus dem Erleben der oberösterreichischen Landschaft gewachsen sind! In typisch oberösterreichische Voralpenlandschaft führt Zerzers zweiter Ge¬ dichtband „Vor den Bergen“. Wie keinem Dichter vor ihm, ist es Zerzer gegeben, das tiefste Wesen dieses Landes „vor den Bergen“ zu erfassen: er erlebt den Sehnsuchtszug ins Wunderbare, das sich den Hügeln als blaue Ferne des Gebirges zeigt, den Glaubensschwung ins Große, ins Erhabene, das am Rande dieser Landschaft als Felsenkette immer wieder aus dem Unsichtbaren tritt, als die geheimen Lebenskräfte, die dem Rhythmus des von der Donau nach den Alpen wellig steigenden Geländes ureigentümlichen Zauber verleihen. In dem Gedicht „Das Vorland“ wird dieser Zauber wortoffenbar: Auch wenn der Nebel es umringt, Ist das Gebirge noch das Aufgestellte, Nach dem vorahnend das gewellte, Das ziehende Gelände sich beschwingt, Aufwallend, wie es naht dem Ungeschauten. Doch kommt der Morgen, der den, blinden Bügen, Dem Tasten recht gibt: wenn sich hinter Flügen Zerstäubter Wolken, die den Blick verbauten, In zartem Blau das Riff des Berges zeigt. Und willig nun der groß Erkannte Entgegennimmt das flutend anverwandte, Das Land, das auch im Dunkel nach ihm steigt. Diese Meisterprobe dichterischer Landschaftskunst, an der klar wird, daß der Titel „Vor den Bergen“ nicht nur den landschaftlichen Raum, sondern auch die innere Richtung des ganzen Werkes bezeichnet, hat die Kraft, alle Gedichte des Buches zu vertreten. Denn dieses Gedicht zeigt beispielhaft, wie sich bei Zerzer das Bildliche und das Sinnbildliche der im lyrischen Wort gestalteten Landschaft restlos decken. Wirkliche Landschaft und Landschaft der Seele sind hier voll¬ kommene Einheit geworden. Der Wille zum Erhabenen, der sich im Steigen des Vorlandes nach dem Gebirge ausdrückt, beherrscht das ganze Buch: er prägt sich aus in wundervollen Baumgedichten, er schafft sich seine dichterischen Sinn¬ bilder im Stadtturm, den die Giebellinie der alten Häuser „dem Himmel und der Ferne überließ“ und im Turm der Kremsmünsterer Sternwarte, der seine Geschosse wie Glieder eines Fernrohrs auseinander- und immer höher faltet, bis er endlich einhält und „das Schauen aufreißt in die hohen Sterne“; und dieser Wille zur Entfaltung ins Hohe lebt in den Kirchengedichten, mit denen Zerzer dem Geist christlicher Baukunst, der am Bilde der Voralpenlandschaft mit¬ 249
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