OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter mit langen Schleppen“ durchschreitet. Mit diesem dichterischen Hinweis auf den Pacher-Altar gewinnt das von Zerzer so wesenhaft geschaute und mit reifer Meisterschaft dargestellte Bild der Landschaft um den Wolfgangsee seine letzte Fülle und Rundung. Geist der Salzkammergutlandschaft weht uns auch aus der Marienlegende „Die Heimsuchung“ an: durch die wechselvollen Landschaftsbilder, die Mariens Gang zu Elisabeth begleiten, schimmert die Gebirgswelt des südlichen Oberöster¬ reich als Urbild durch und im Anblick des von den Kämmen bewaldeter Berge überschatteten Sees, an dessen sanften Gestaden Elisabeth wohnt, fühlen wir uns wie von der milden Stimmung des Grundlsees umfangen. Hinwiederum läßt uns das visionshafte Schlußstück der Sammlung, die Legende „Der Gnadenberg“, angesichts der verlassenen Schlucht, aus der eine vom letzten Gericht verbannte Seele den Weg zum Gipfel des Läuterungsberges findet, an die abgründige Ein¬ samkeit des Toten Gebirges denken. Und selbst aus der galiläischen Landschaft der „Kreuzabnahme“ scheinen die Berge unserer Heimat emporzuwachsen und uns mit ähnlich vertrauten Zügen zu grüßen wie aus mancher Passionstafel Albrecht Altdorfers. (Nicht nur von ungefähr stellt sich der Vergleich mit dem großen Meister der Donauschule ein: denn wie bei Altdorfer die Landschaft mit dem göttlich-menschlichen Geschehen eine geheimnisvolle Einheit bildet, so nimmt sie auch bei Zerzer, als sei sie Person unter den Personen, an den heiligen Begeben¬ heiten Anteil, so wenn zu Beginn der Legende die über dem Kreuzigungshügel aufragenden Berge, indem sie den Leichnam Christi in den Schoß ihrer dämmernd gelösten Lehnen zu betten scheinen, das Pietà-Motiv der Kreuzabnahme vorweg nehmen, so wenn sie am Schlusse der Dichtung mit ihren steilen Gebärden die Himmelfahrt des Gottessohnes vorausdeuten.). Ein anderer „Gnadenberg“ als jener der Legende, findet die Hochwaldhöhe eines stillen Mühlviertler Bergdorfes in Zerzers Erzählung „Stifter in Kirchschlag“ dichterische Verklärung. Der Genius des Ortes und der Geist der Landschaft, wie sie sich vom Breitenstein, dem felsigen Gipfel überm Schauer¬ wald, in der ganzen Schönheit und Größe ihres Wesens zeigt, werden in Zerzers Stifter-Erzählung als Wortgestalten offenbar. Er weiß den Leser ganz einzu¬ spinnen in jenes friedetiefe Reich, das mit seiner wunderbaren Stille und mit seiner herzbeglückenden Fernenschau, mit dem Balsam seiner tannenduftdurch¬ würzten Luft und mit dem heilsam klaren Wasser seiner felsenkühlen Quellen dem alternden Stifter die Kraft zu unvergänglich großem Spätwerk gab. Das schwer gefährdete Wachstum von Stifters „Nachsommer“ darzustellen, hat sich ja Zerzer als Hauptthema seiner Erzählung gesetzt, die zu einer dichterischen Bot¬ schaft vom Wert und Wesen künstlerischen Bildens überhaupt wird. Am Beispiel Stifters zeigt Zerzer, daß das wahre Kunstwerk nach denselben großen Gesetzen wächst, nach denen die Natur ihre Gebilde hervorbringt. Daher bildet auch in dieser Dichtung das menschliche Geschehen eine innere Einheit mit den Erschei¬ nungen der Natur. Die scheinbar so geringen, in Wahrheit so erhabenen Begeb¬ 246

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2