OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Fischer-Colbrie: Die Landschaft Oberösterreichs in Julius Zerzers Dichtungen zum Offensein gegenüber der Schöpfung vollzieht und wie er damit die Gnade der schenkenden Liebe erfährt — diesem inneren Gang der Handlung entspricht es, wenn der Held der Erzählung, da er endlich den höchsten Gipfel seines Berges erreicht hat, jenen wilden Widerstreit der Naturkräfte in beglückende Harmonie aufgelöst sieht: „Wie zahme Gemsen drängten nun von allen Seiten die Berg¬ rücken in ungezählten Rudeln an Johannes heran. Sie hatten endlich ihren Wider¬ stand, ihr hinweg gewandtes Aufbäumen, ihre splitternde Flucht vergessen. Milde und besänftigt fanden sie sich nun ein, stiegen zu ihm herauf, der über ihrem eifernden Zutrauen auf dem höchsten Gipfel stand und sie an sich herankommen ließ, wehrlos inmitten dieser tausendfachen Zärtlichkeit, matt im Umschmiegen des in sanften, geglätteten Linien auf- und abschwellenden, liebreich drängenden Ge¬ staltenkreises ... Er verstand nicht mehr, wie es war, verschlossen zu sein. verstand nicht mehr, warum er jemals Scheu getragen hatte, den Augenblick ans Herz zu drücken und zu ihm wie ein Bruder oder ein Geliebter zu sagen: Verweile doch, du bist so schön!" Bilder oberösterreichischer Gebirgswelt durchweben auch Zerzers Legenden¬ sammlung „Die Heimsuchung“, die außer dem Titelstück die Legenden „Die Kreuzabnahme“, „Wolfgang-Legende“ und „Der Gnadenberg“ enthält. Es versteht sich von selbst, daß in der dritten dieser Legenden die mit vollendeter Naturtreue und liebevoller Hingabe an die geringsten Einzelheiten dargestellte Landschaft geographisch bestimmt ist. Ein Stück Salzkammergut hat hier einen dichterischen Künder gefunden, dessen erlesene Wortkunst den ganzen Zauber dieser Gebirgs- und Seenlandschaft heraufbeschwört. Da ist der in dürres Schilf gebettete Mondsee und da grüßt uns die liebliche, nach ihm benannte Klostersiedlung an sanfter Uferlehne, „über der mattblau werdenden Rundung des Wassers hängend“, da leuchtet der Spiegel des Abersees „wie ein anderer Himmel in seinen ewig wechselnden Lichtern und Farbentönen“ und da träumt in einer Lichtung des hohen Waldes, der sich zwischen diesen großen Seen hindehnt, der Krotensee, „zwischen weißen, ausgewaschenen Tannenwurzeln ein kleiner, schwarzgrüner See, der nur in der Mitte einen sattblauen, rieselnden Schimmer trug“. Da sinkt die Felsenwand des Falkensteins „hell und steil von der waldigen Höhe des Berges in die blaugrün darunter strömenden Fluten“, da ist „das dunkel bewachsene Bergriff des Sparber über den Ufern emporgerichtet, in Haltung und Umrif eines steigenden Wappenlöwen“ und da steht bald mit schiefergrau dämmernden, bald mit lichtblauen Wänden der Schafberg vor unserem Blick, „ein Auserwählter aus dem Gedränge bewaldeter Rücken und Höhenzüge, seit den Schöpfungstagen zu nie gestillter Beschauung emporgerichtet.“ Und da erscheint schließlich in dem festlichen, wie ein Orgelvorspiel rauschenden Präludium der Dichtung die Kirche von St. Wolfgang selbst mit ihrem Turm, der „hell und steil wie ein Segel über der Ufermauer“ steht, und mit dem „Dämmergefunkel des heiligen Schreins“, zu dessen beiden Seiten „frohe Botschaft reich gekleidet“ einhergeht und „die Tafel¬ gemälde in brennend roten und leuchtend grünen oder goldgestickten Gewändern 245

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