Oberösterreichische Heimatblätter Am hohen Vorbild Stifters geschult, aber aus einem gewandelten Lebens¬ gefühl heraus doch ein ganz neues Bereich des Landschaftserlebens erschließend, wird Julius Zerzer, wie Stifter nicht selbst ein Sohn, sondern nur dauernder Gast des Landes, zum dichterischen Gestalter oberösterreichischer Landschaft im 20. Jahr¬ hundert. Schon der thematischen Fülle nach steht er an der Spitze der gegen¬ wärtigen Dichter, in deren Werken sich oberösterreichische Landschaft spiegelt. Julius Zerzer wurde am 5. Jänner 1889 in Mureck an der Südgrenze des Bundeslandes Steiermark als Sohn eines Arztes geboren, dessen Vorfahren in Kärnten daheim waren; vermutlich waren die Urahnen aus dem Zerzertal, einem Nebental des Passeiertales, nach Osten gewandert und hatten sich, dem Lauf der Drau folgend, in Kärnten niedergelassen, wo noch heute im Gailtal der Name Zerzer häufig zu treffen ist. Mütterlicherseits leitet sich Zerzers Geschlecht in den südlichen Böhmerwald, in die engste Heimat Adalbert Stifters zurück: Zerzers Ur¬ großvater Lorenz Stifter war in Honetschlag nordöstlich von Oberplan gebürtig. Eine verwandtschaftliche Beziehung zu Adalbert Stifter läßt sich aber trotz dem Zusammentreffen von Namensgleichheit und Gemeinsamkeit der Heimat nicht nach¬ weisen. Von den Rebenhängen der Windischen Bühel, die das Landschaftsbild von Mureck im Süden begrenzen, mußte Zerzer schon in Kinderjahren Abschied nehmen. Mit der Ennstaler Bergwelt eröffnete sich dem Knaben, der in Liezen, dem neuen Berufsort des Vaters, die Volksschule besuchte, eine herbere Landschaft, wo er seiner späteren Wahlheimat Oberösterreich schon ganz nahe war. Zunächst aber zog sein Lebensweg nach Niederösterreich: als Schüler des Benediktinergymnasiums in Seitenstetten legte er den ersten Grund humanistischer Bildung. In Leoben setzte Zerzer seine Gymnasialstudien fort und beendete sie nach dem frühen Tode des Vaters in Graz, wo er sich dann an der Universität dem Studium der Germanistik und Anglistik widmete. Eine Reise nach England gab ihm nachhaltige Anregungen für seinen Beruf und seine Kunst. Nach dem in Graz abgeleisteten Probejahr kam Zerzer im Jahre 1914 als Lehrer an die Realschule in Linz, an der er noch heute nach vorübergehender Verwendung an der Lehrerbildungsanstalt und am als Professor wirkt. So wurde dem steirischen Dichter Realgymnasium — die oberösterreichische Landeshauptstadt und damit das Land Oberösterreich selbst zur zweiten Heimat, von der er auf ungezählten Wanderfahrten inneren Besitz ergriffen hat. In den bisher dreiunddreißig Jahren seines Linzer Aufenthaltes hielt Zerzer wie der Held seiner Faust-Legende „Johannes“ immer wieder auf bescheidenen Reisen, auf Kreuz- und Querfahrten nicht nur nach altem Kulturgut Nachschau, sondern er gab sich auch mit ganzer Dichterseele dem Natur- und Landschafts¬ erlebnis hin, das ihm die neue Heimat Oberösterreich in unerschöpflicher Fülle bot. So erklärt es sich, daß es vor allem die oberösterreichische Landschaft ist, deren viel¬ fältiges Bild sich in den Werken dieses Dichters vor den Blicken der Leser ent¬ faltet, um den Reichtum ihrer Schönheit, das Wesen ihres Daseins, den Sinn ihres Anteils an der ganzen Schöpfung zu offenbaren. Wohl hat Zerzer seiner 242
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2