OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Aber die Kenntnis des Hochgebirges reichte nur soweit, als die wirtschaftliche Nutzung ging; höchstens daß Hirten und Jäger auf ihren Streifzügen und Pirsch¬ gängen manchen Gipfel bestiegen. Daher blieb auch die Landesgrenze im Dach¬ steingebiet lange veränderlich und umstritten. Eine ältere Grenzlinie ging über die Plankensteinalm — Modereckalm — Torstein ins Quellgebiet der Mandling. 1492 wurde sie auf den Paß Gschütt und die Zwieselalm vorverlegt und 1565 genauer bestimmt“). Die Grenzbeschreibung des Landgerichtes Wildenstein von 1570 nennt als Grenze die Linie „Landfridt“ (Landfriedkogel) — „Krüppenstain (Krippenstein) — „Moderegg“ — „Camersee“ (Hinterer Gosausee) — „Zwiesel¬ perg". Sie bezeichnete die Grenze der ärarischen Wälder und bezog die südlichen Höhen gegen den Dachstein hinauf nicht ein7). Die Fels- und Gletscherregion war unbekanntes Niemandsland, das Reich geheimnisvoller Sagen, die das ver¬ gletscherte Berghaupt umwoben. Das Sagenmotiv von der „übergossenen“, „ver¬ schneibten“ oder „verwunschenen Alm", von der „verlorenen Weide", vom Unter¬ gang einst blühender Almen, deren Sennerinnen aus Übermut sich und die Kühe in Milch badeten, Käse und Butter zum Bau von Hütten und Stegen verwendeten und zur Strafe von ewigem Eis und Schnee begraben wurden, knüpft sich in manchen Abwandlungen auch an die Hochlandschaft des Dachsteins8) Schon die mittelalterliche Namengebung des Dachsteingebirges läßt erkennen, daß das Bergmassiv zuerst und am stärksten auf der steirischen Seite ins Bewußtsein der Umwohner trat. Vom Ennstal aus gesehen ist die Dachstein¬ gruppe mit den fast 1000 Meter hohen mauergleichen Steilabstürzen der Süd¬ wände eine sehr augenfällige Gebirgserscheinung. Am überwältigendsten tritt der Torsteingipfel (2947 Meter) hervor, dieser „gewaltigste Gipfelaufbau der ganzen Dachsteinkette, das stolzeste Schaustück der Nördlichen Kalkalpen“ (Radio-Radiis). Er gilt bis ins 19. Jahrhundert als der höchste Gipfel; daß seine auffällige Gestalt den geringen Höhenunterschied von 50 Meter gegenüber dem Dachsteingipfel (2996 Meter) leicht übersehen läßt, hat Simony auch durch Messungen der Sicht¬ winkel von verschiedenen Punkten, auch vom Dachsteingipfel selbst, nachgewiesen. Für diese eindrucksvolle Bergerscheinung haben die Einheimischen frühzeitig einen bestimmten und dauernden Namen geprägt, der schon 1238 als „lapis qui Torstein dicitur“ in einem Grenzstreit zwischen Stift St. Peter in Salzburg und steirischen Adeligen urkundlich festgehalten ist (J. v. Zahn, Urkundenbuch Herzogtums Steiermark Bd 2, S. 475). Der Torsteingipfel wurde beider Generalstabsaufnahme 1784 auch als Dreiländergrenze bestimmt; Salzburg hat am Dachsteingipfel keinen Anteil. Weniger auffällig ist die Erscheinung des Dach¬ *) N. Krebs, Die Dachsteingruppe. Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins Bd 46 (1915) G. 30. *) J. Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns. Archiv für österreichische Geschichte Bd 94 (1901) S. 631 f. 8) A. Depiny, Oberösterreichisches Sagenbuch (1932) S. 148. — K. A. Gloning, Ober¬ österreichische Volkssagen. 2. Aufl. (1922) S. 7. — J. Pöttinger, Sagen aus Oberösterreich (1932) S. 48 f. — J. F. Perkonig, Das verzauberte Gebirg (1937) S. 112 f. 195

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