Schmidt: Wien unter Fremdherrschaft in der Vorstadt des hl. Nikolaus einen Erfolg zu verzeichnen. Tags darauf, am Samstag, an dem Sonne und Mond in Konjunktur standen, schrieben während der Konjunktur die versammelten Mitglieder der Universität einen Brief an den König mit der Bitte um freies Geleit für eine Abordnung, damit sie mit anderen Prälaten und Vertretern des Klerus den König bewegen könnten, seinen Zorn gegen die Stadt zu besänftigen. Diese Abordnung kam dann auch am 15. Mai zum König und begann ihn zu bitten, er möge den Bürgern eine Frist gewähren, damit sie Boten zum Kaiser schicken könnten. Die Verhandlungen zogen sich hin und der König gewährte nur einen Waffenstillstand von sieben Tagen, alle anderen Bitten aber schlug er ab. Nach Beendigung des Waffenstillstandes am 19. Mai stand die ganze Bürger¬ schaft bei Anbruch der Nacht an den Schanzen der Vorstädte in Waffen, da man nichts anderes dachte, als daß der König in dieser Nacht einen Sturm machen werde, auf den jedermann gefaßt war, ja den wir sogar herbeisehnten. Es geschah jedoch nichts. Am Morgen um die fünfte Stunde versammelte sich die Universität. Der Bürgermeister und viele Bürger brachten eine Denkschrift mit vielen Artikeln und baten uns, diese zu lesen und zu sagen, ob wir etwas hinzufügen oder weg¬ nehmen wollten. Die Denkschrift, die die Bedingungen enthielt, unter denen, vom Hunger getrieben, die Stadt Wien dem König übergeben werden sollte, war gut abgefaßt und es wurde den Bürgern gesagt, daß die Universität ihnen jederzeit zur Seite stehen werde. Am 21. Mai begab sich neuerlich eine Abordnung der Bürger mit dieser Denkschrift zum König. Nachdem durch zwei Tage verhandelt worden war, wurde am 23. Mai eine Vereinbarung getroffen, daß die Stadt Wien den Ungarkönig Mathias am 1. Juni einziehen lassen werde, wenn der Kaiser die Stadt nicht bis dahin verteidigt haben würde. Eine Abschrift dieses Vertrages wurde sogleich von der Stadt an den Kaiser abgeschickt mit einem Schreiben, so voll Tränen, die kaiserliche Majestät fast verabschiedend. So leb denn wohl, mein Kaiser! Der Du allen Fürsten Österreichs einen großen Makel angehängt hast. Du speisest uns mit Worten ab, ohne Hilfe nachfolgen zu lassen. Am 27. Mai reisten die kaiserlichen Beamten von Wien ab, nachdem die Burg verschlossen hatten. Die Bürger aber öffneten die Burg wieder, um sie für den Ungarkönig zu reinigen und instandzusetzen. Am Samstag den 28. Mai um die zehnte Stunde zog Herzog Johannes, der Sohn des Ungarkönigs Mathias, mit vielen anderen in Wien ein. Er begab sich zuerst zur Kirche und dann zum Bade. Am 1. Juni betrat sodann der König die Stadt mit 800 ausgewählten Kriegsleuten und drei Herren, die freilich nicht in allem gut ausgerüstet waren, bald darauf kam auch die Königin an. Der König erließ ein Schreiben an alle Herren in ganz Österreich, daß am 24. Juni alle hier persönlich erscheinen sollten. Am 6. Juni leistete die Bürgerschaft von Wien dem König, seinem Sohne und deren Nachfolgern den Eid der Treue. Es wurden Brote ohne Zahl verteilt. In einer Versammlung aller Universitätslektoren, die wir am 22. Juni abhielten, berichtete ein Magister, der in der Maut zu Ybbs gewesen war, daß der Kaiser 229
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