OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter lichen Majestät hinzugegangen war. Als ich wegging, hielt er noch kräftig meine Hand und drückte sie. Dieses Lektorat wollte mir die kaiserliche Majestät unter der Bedingung übergeben, daß es Zustimmung und Wille der Lehrer an der medi¬ zinischen Fakultät wäre. Alle neun Lehrer gaben einstimmig ihre Billigung und übergaben mir unter dem Siegel der Fakultät das Dokument ihrer Zustimmung an die kaiserliche Majestät. Diese Schrift las der Kaiser in der folgenden Nacht, worauf er meinem Solicitator Bescheid gab, daß ich ihm genehm sei und daß ei bei der nächsten Ratssitzung meinen Eid haben wolle, den ich dann in der Nacht zum 22. Februar wie oben beschrieben abgelegt habe. Elf Wochen lang habe ich jetzt keine Praxis ausüben können. Ein gewissen Stadler, der mich zu sich rufen ließ und mir für die Behandlung zwei rheinische Gulden gab, hat mich angesteckt, so daß ich an einem Geschwür pestkrank wurde. Die Krankheit breitete sich auf die ganze linke Halsseite, den linken Arm und auf den ganzen Rücken bis zum Gürtel aus. Doch siegte die Natur. Am siebenten Tage öffnete sich das Geschwür und durch elf Wochen floß Eiter aus zwei Öff¬ nungen. Auch heute am 28. Oktober ist noch keine völlige Heilung erfolgt. Heut¬ sind es auch 13 Wochen, daß Zizimus, der Sohn des großen Türken Ottoman ous Kilikien seinen Weg nach Rhodus nahm. Am 20. November wurde ich um die Stelle des Pestgeschwüres wirksam ausgebrannt. Und so geht nun das sechste Jahr meines Doktorates zu Ende, das ich durch die Gnade Gottes trotz der großen Krankheit, der Pest, lebend überstanden habe. 1483 Im Januar 1483 kaufte ich das Haus des Johannes von Seligenstat in Weihenpruk um 280 ungarische Gulden und gab seiner Ehefrau zwei Gulden als Leihkauf. Am 12. März verehrte mir ein Patient zwei Maß ausgesuchtes Mehl für Weizenbrote und eine Frau aus Zwettl zwei Achtel Schmalz. Solche Gaben sind für uns besonders wertvoll, da wir hier zu Wien schon gewissermaßen in Be¬ lagerung versetzt sind. Man läßt keine Lebensmittel zu uns herein, nur mitunter wird verstohlen oder mit Gewalt etwas herzugebracht. Aber was ist das bei so vielen Menschen! Nun erdulden wir von Seiten des Ungarkönigs Mathias schon die zweite Belagerung, seitdem er Hainburg eroberte. Sogleich nach der Übergabe Hainburgs führte er seine Heerhaufen gegen uns, besetzte auch die Orte um Wien und läßt nichts zu uns herein. Wenn auch die Pest sich schon zu mildern scheint, so steigert sich doch die Teuerung täglich. Bis zum 13. Juli, an welchem Tage die Wiener aus der Umgebung mit Ge walt, Schwert und Feuer große Beute hereinbrachten, habe ich von mehreren Patienten ab und zu verschiedene Lebensmittel, darunter auch zwei Spanferkel und ein Achtel Eimer Wein verehrt bekommen. Wenn uns keine Lebensmittel einge führt werden, bringen wir sie mit Gewalt herein. Wien ist wie ein Räuber ge worden! Am 17. Juli brachten die Bürger 300 mit Getreide beladene Wagen herein. Am 5. August hatten wir schon einen ansehnlich starken Frost. Nachdem 222

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