OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter der Öffentlichkeit die Kunde von diesem denkwürdigen Ereignis übermittelte. Ein Auszug aus diesem Bericht möge den hier gebotenen Überblick beschließen: „Am 17. Juli traf Herr Professor Thurwieser wieder in Filzmoos ein, mit dem festen Entschlusse, den Thorstein unter die Füße zu nehmen. Und — welch eine Freude! — dem beharrlichen Willen sollte eine noch herrlichere Krone werden. Die berufenen Führer, Peter und Adam Gappmayer, kühne Bergsteiger, erklärten, daß einem muthigen Steiger auch der Dachstein — bisher unerstiegen, und un¬ ersteigbar geglaubt — seinen stolzen Nacken beugen müsse. Dieser Dachstein ist unter den Hauptgipfeln des Hallstädter Eisgebirges, welche zusammen man die 3 Dachsteinspitzen nennt, der höchste; er steht den zwei andern, deren westlicher eigentlich Thorstein heißt, und schon früher von Einigen (man weiß nur fünf) er¬ stiegen ward, gerade östlich, von Filzmoos aus aber ostnordöstlich, so, daß im Hochsommer die Sonne bei ihrem Aufgange fast an den Dachstein zu streifen scheint. Furchtbar trotzt er herein in dieses Thal mit seiner dreieckichten Pyramiden¬ gestalt. Selbst die gar nicht schüchternen Bewohner dieses Thals bangten, ob des Wagstückes, ihn — auch nur anzusteigen. Indeß, wer weiß nicht, daß Gefahr den Muthigen auch nur noch mehr reize? Am selben Tage, ¼ über 5 Uhr Abends, wurde die Reise nach der dem fernen Ziele am nächsten gelegenen Alpe, Sulzen genannt, angetreten, nachdem vorher verabredet worden war, daß bei der Ankunft auf dem Gipfel des Dachsteines ein Zeichen aufgestellt werde. Am 18. Juli, um 234 Uhr früh, brachen die kühnen Steiger von der Alpe auf, und stiegen über Steingerölle, zerklüftete Eisfelder und schroffe Felsen ihrem Ziele entgegen. Um halb 9 Uhr legte ich zuerst das Fernrohr an, um nach dem Zeichen auf der Spitze zu schen und schon war über derselben ein schwarzer Fleck, wie an den Wolken hängend, der mich vollständig von dem gelungenen Unternehmen überzeugte. Ich kann nicht beschreiben, wie mir da zu Muthe wurde. Es regte sich ein Gefühl eigner Art. Das Bangen war dahin. Auf der Kuppe eines riesigen Berges, die wol noch nie ein lebendes Wesen erstiegen hatte, ja, wo selbst alles Leben aller Vegetation ein Ende hat, nun lebendige, menschliche, bekannte Wesen zu wissen, und sogar zu sehen, in der Größe eines hoch in Lüften schwebenden Adlers, war etwas Herzerhebendes. Sie standen oben, lebendige Zeugen, was des Menschen fester Sinn zu erstreben vermöge. Lebende Zeugen dem Worte des Herrn, daß der Mensch herrsche über Alles, was sich findet auf Erden. Oft des Tages hindurch zog es mich an das Fernrohr, und dieses wanderte von Aug zu Aug der staunenden Bewohner dieses Thales. Nachmittag um 3½ Uhr bemerkte man auf der Höhe nur noch ein aufgerichtetes Kreuz, und wir schlossen, daß die Rückreise angetreten sei. Ich harrte mit Sehnsucht, und nach 8 Uhr auch mit Bangigkeit ihrer Rückkunft entgegen; bis sie endlich um 10 Uhr erfolgte, und uns Alle mit Freude erfüllte. Ein hölzernes Kreuz verkündet jetzt in weite Ferne: Auch der Dachstein ist erstiegen!" 208

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