Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde am o.-ö. Landesmuseum in Linz durch Dr. Franz Pfeffer Jahrgang 1 Juli-September 1947 Heft 3 Inhalt Dr. Franz Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes G. Grüll: Die Leute im Walde. Ein Beitrag zur Geschichte des Freiwaldes Dr. Justus Schmidt: Wien unter Fremdherrschaft. Die Aufzeichnungen des Greiner Arztes Johann Tichtel Dr. hab. Heinrich Werneck: Franz von Schrank. Ein Mitbegründer der naturwissen¬ schaftlichen Forschung in Oberösterreich Arthur Fischer-Colbrie: Die Landschaft Oberösterreichs in Julius Zerzers Dichtungen Bausteine zur Heimatkunde Dr. Kurt Holter: Neue Quellen zur Kunstgeschichte Oberösterreichs im Mittelalter Dr. O. Wutzel: Der „Weinkoster" und „Unterkäufel“ in Enns Otto Kampmüller: Die Ottensheimer Fließstein. Zur Geschichte der Schifferfamilie Trauner in Ottensheim N. Kastner: Sitten und Gebräuche im Pfarrhof Saxen Dr. Hans Commenda: Pilotenschlagen Dr. Hans Commenda: Zum Brauchtum des Maibaums Dr. J. Obernhumer: Totenbräuche in Natternbach Dr. Leopold Schmidt: Zur Stoffgeschichte des Ordensdramas in Oberösterreich Dr. Heinrich Blume: Der Inghof in A. Stifters „Nachsommer“ Schrifttum Verzeichnis der o.-ö. Neuerscheinungen Dr. Eduard Straßmayr: Heimatkundliches Schrifttum über Oberösterreich 1945—1946 Seite 193 209 22 235 241 20 266 278 281 284 Jährlich 4 Heste Zuschriften für die Schriftleitung (Beiträge, Besprechungsstücke) an Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Zuschriften für die Verwaltung (Bezug) an die Buchdruckerei des Amtes der o.-ö. Landes¬ regierung, Linz a. D., Klosterstraße 7 Verlegt auf Grund der Genehmigung Nr. 192 des ISB Verleger und Eigentümer: Verlag des Amtes der o.-ö. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstr. 7 Herausgeber und Schriftleiter: Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Druck: Buchdruckerei des Amtes der o.-ö. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstraße 7
berösterreichische Heimawolante Jahrgang Heft Z Juli-Geptember 1947 Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Von Dr. Franz Pfeffer (Linz) Trotz seiner geographischen Bedeutung als mächtigste, formenschönste und formenreichste Gebirgsgruppe der nördlichen Kalkalpen, als Grenzscheide der drei Länder Oberösterreich, Steiermark und Salzburg, von denen die beiden ersten im Dachsteingipfel ihre höchste Erhebung besitzen, trotz der unmittelbaren Nähe alter Kulturmittelpunkte wie der Bergbauorte Hallstatt und Schladming ist das Dach¬ steingebirge erst spät in das Blickfeld der wissenschaftlichen und literarischen Be¬ schreibung getreten. Lange blieb die Kenntnis dieser höchsten Gebirgslandschaft Oberösterreichs auf den engen Kreis der Umwohner beschränkt, aber auch sie be¬ saßen nur unklare Vorstellungen von der Größe, Gliederung und Höhe des Ge¬ birgsstockes. Erst die Landvermessungen und Kartenwerke des 17. und 18. Jahr¬ hunderts begannen dieses Dunkel zu lichten und verbreiteten genauere Berg¬ kenntnisse des Dachsteingebietes. Im örtlichen Verkehr zwischen Traun- und Ennstal, zwischen den Bergbau¬ siedlungen Hallstatt und Schladming, hat allerdings die Begehung der Dachstein¬ hochfläche schon sehr früh eine Rolle gespielt. Infolge der ungünstigen Verkehrs¬ lage Hallstatts zwischen See und Gebirge kam neben den wenigen anderen Aus¬ fuhrwegen für das Hallstätter Salz, dem Wasserweg, dem Saumpfad am West¬ ufer des Hallstätter Sees, der erst 1875 (!) zu einer Straße ausgebaut wurde, und der Koppenstraße auch den Übergängen über das Dachsteingebirge Verkehrs¬ bedeutung zu, umso mehr, als die stark ausgeprägte Tiefenlinie Wiesalm — Gjaid¬ alm — Hirzkaralm — Maisenbergalm — Gräfenbergalm mit ihren Aufstiegen von Hallstatt durchs Echerntal oder über den Salzberg, von Winkl über die Schaf¬ eckalm, von Obertraun über die Schönbergalm und dem Abstieg über die Feister¬ scharte nach Schladming eine leichte Überschreitungsmöglichkeit bot. „Paßfunde" wie das Bronzeschwert, das 1893 in 1750 m Höhe auf dem Däumelanger, zwischen Däumelkogel und Krippenstein, gefunden wurde und eine bronzene Lappenaxt von der Tropfwand unterhalb des Tiergartens lassen vermuten, daß diese Übergänge schon in vorgeschichtlicher Zeit begangen wurden. Von der späteren Benützung und 193
Oberösterreichische Heimatblätter Kennzeichnung dieser alten Dachsteinwege über den „Stein“ durch Steintauben künden zahlreiche Bergnamen wie „Rott tauben am Stein“ (Holzwurmsche Karte 1662), Taubenkar (1669 „Tauben Kor“, Vischersche Karte), „Weisetauben" (Schützsche Karte 1787), Taubenriedel, Dreitaubenkogel. Der Übergang über den „Stein“ war noch 1810 der „gewöhnliche Communications-Weg“, auf dem die Schladminger ihre Waren, rohe und verarbeitete Leinwand und die Erzeugnisse der seit dem Mittelalter blühenden Lodenwalkerei, den beliebten Schladminger Loden, nach Hallstatt brachten und dafür Salz zurück trugen1). Auch der Salz¬ schmuggel bediente sich noch im vorigen Jahrhundert dieser Wege?). Wir haben hier uralte Salzsteige vor uns, gleich dem bekannten Salzweg über das Tote Gebirge von Aussee ins Stodertal, der unter dem heutigen Namen „Salzsteig schon um 1500 erwähnt wird. Seit dem Mittelalter brachte die Almwirtschaft reges Leben auf die Dachsteinhochfläche. Die zahlreichen und großen Dachsteinalmen wurden von der Hallstätter und Schladminger Seite („Schladminger Almen“) besucht; die im Hochgebirge lange unsicher bleibende Grenze führte allerdings zu vielen Streitig¬ keiten. 1414 bestand schon die Schönbergalm3), 1551 wird die Hierlatzalm („Hiel¬ lätz"), 1563 die Hirschaualm, 1665 die Modereckalm („Albm im Sträffberg oder Maderegg") und die Schafeckalm („Albm am Schäff-, Schöffegg"), 1700 die Gjaidalm („Gejaidt Albm") urkundlich erwähnt. Aus dieser Zeit stammen auch viele Ersterwähnungen von Bergnamen des Dachsteinstockes: Hierlatz (1551 „Hie¬ läzberg"), Schafeckkogel (1605 „Schaffegg, Schoffegg, Schaffeggkhogel"), Schön¬ berg (1605 „Schemberg"), Krippenstein (1563 „Khrippenstain"), Mittagkogel (1605), Hochkoppen (1563 „der Khoppen"), Landfriedkogel (1570 „der Landtfridt"), Tiergarten (1605 „Thüergardten“)4). Auch als Jagdgebiet mag das Dach¬ steingebirge beliebt gewesen sein. Die Habsburger Herrscher haben oft den Hall¬ stätter Salzberg besucht und der Wiener Hof reiste zur Gemsjagd gern ins Salz¬ kammergut. Der berg- und jagdfrohe Maximilian I., der erste Bahnbrecher des Alpinismus in Österreich, der oft in den Salzkammergutbergen auf den Steinbock und die Gemse pirschte, weilte 1504 in Hallstatt; von seinem winterlichen Aufstieg zum Salzberg kündet der „geschriebene Stein" am Salzbergweg. 1614 mußte die Hallstätter Salinenverwaltung für eine Gemsjagd 100 Mann als Sesselträger, Treiber und Schützen beistellen5). Große wirtschaftliche Bedeutung hatten die Forste des Dachsteingebietes; die Waldungen der Dachsteinvorberge, vor allem der Gosau, der „Mutter der Wälder“, lieferten das Holz für die Salzversiedung in Hallstatt. *) F. J. Kleyle, Rückerinnerung an eine Reise in Österreich und Steyermark im Jahre 1810 (1814) S. 7 2) F. Morton, Wirtschaftsraum Hallstatt (1934) S. 22. 3) G. Lahner, Die Dachsteinhöhlen in Oberösterreich. Heimatgaue Ig 1 (1920) S. 133. *) Urbare der Herrschaft Wildenstein von 1551, 1563, 1665, 1700. Waldbuch des Salinen¬ atmes Ebensee 1605. O.-ö. Landesarchiv. 5) C. Schraml, Studien zur Geschichte des österreichischen Salinenwesens Bd 1 (1932) S. 409. .194
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Aber die Kenntnis des Hochgebirges reichte nur soweit, als die wirtschaftliche Nutzung ging; höchstens daß Hirten und Jäger auf ihren Streifzügen und Pirsch¬ gängen manchen Gipfel bestiegen. Daher blieb auch die Landesgrenze im Dach¬ steingebiet lange veränderlich und umstritten. Eine ältere Grenzlinie ging über die Plankensteinalm — Modereckalm — Torstein ins Quellgebiet der Mandling. 1492 wurde sie auf den Paß Gschütt und die Zwieselalm vorverlegt und 1565 genauer bestimmt“). Die Grenzbeschreibung des Landgerichtes Wildenstein von 1570 nennt als Grenze die Linie „Landfridt“ (Landfriedkogel) — „Krüppenstain (Krippenstein) — „Moderegg“ — „Camersee“ (Hinterer Gosausee) — „Zwiesel¬ perg". Sie bezeichnete die Grenze der ärarischen Wälder und bezog die südlichen Höhen gegen den Dachstein hinauf nicht ein7). Die Fels- und Gletscherregion war unbekanntes Niemandsland, das Reich geheimnisvoller Sagen, die das ver¬ gletscherte Berghaupt umwoben. Das Sagenmotiv von der „übergossenen“, „ver¬ schneibten“ oder „verwunschenen Alm", von der „verlorenen Weide", vom Unter¬ gang einst blühender Almen, deren Sennerinnen aus Übermut sich und die Kühe in Milch badeten, Käse und Butter zum Bau von Hütten und Stegen verwendeten und zur Strafe von ewigem Eis und Schnee begraben wurden, knüpft sich in manchen Abwandlungen auch an die Hochlandschaft des Dachsteins8) Schon die mittelalterliche Namengebung des Dachsteingebirges läßt erkennen, daß das Bergmassiv zuerst und am stärksten auf der steirischen Seite ins Bewußtsein der Umwohner trat. Vom Ennstal aus gesehen ist die Dachstein¬ gruppe mit den fast 1000 Meter hohen mauergleichen Steilabstürzen der Süd¬ wände eine sehr augenfällige Gebirgserscheinung. Am überwältigendsten tritt der Torsteingipfel (2947 Meter) hervor, dieser „gewaltigste Gipfelaufbau der ganzen Dachsteinkette, das stolzeste Schaustück der Nördlichen Kalkalpen“ (Radio-Radiis). Er gilt bis ins 19. Jahrhundert als der höchste Gipfel; daß seine auffällige Gestalt den geringen Höhenunterschied von 50 Meter gegenüber dem Dachsteingipfel (2996 Meter) leicht übersehen läßt, hat Simony auch durch Messungen der Sicht¬ winkel von verschiedenen Punkten, auch vom Dachsteingipfel selbst, nachgewiesen. Für diese eindrucksvolle Bergerscheinung haben die Einheimischen frühzeitig einen bestimmten und dauernden Namen geprägt, der schon 1238 als „lapis qui Torstein dicitur“ in einem Grenzstreit zwischen Stift St. Peter in Salzburg und steirischen Adeligen urkundlich festgehalten ist (J. v. Zahn, Urkundenbuch Herzogtums Steiermark Bd 2, S. 475). Der Torsteingipfel wurde beider Generalstabsaufnahme 1784 auch als Dreiländergrenze bestimmt; Salzburg hat am Dachsteingipfel keinen Anteil. Weniger auffällig ist die Erscheinung des Dach¬ *) N. Krebs, Die Dachsteingruppe. Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins Bd 46 (1915) G. 30. *) J. Strnadt, Das Gebiet zwischen der Traun und der Enns. Archiv für österreichische Geschichte Bd 94 (1901) S. 631 f. 8) A. Depiny, Oberösterreichisches Sagenbuch (1932) S. 148. — K. A. Gloning, Ober¬ österreichische Volkssagen. 2. Aufl. (1922) S. 7. — J. Pöttinger, Sagen aus Oberösterreich (1932) S. 48 f. — J. F. Perkonig, Das verzauberte Gebirg (1937) S. 112 f. 195
Oberösterreichische Heimatblätter steingebirges und daher auch viel geringer die Bergkenntnis auf der oberöster¬ reichischen Seite, wo der Dachsteingipfel hinter den ausgedehnten Hochflächen und Vergletscherungen zurücktritt und nur an wenigen Stellen unmittelbar vom Tal aus gesehen werden kann. Man gab hier dem Gebirge allgemeine Namen, die man von der Eigenart der Nordabdachung mit ihren Kalkhochflächen und Gletschern hernahm: „Schneeberg“ (seit dem 15. Jahrhundert), „Schneegebürg", „Eisge¬ birge“, „Das Tode Gebürg", „Ewiges Eis", „Verfallene Alm", „Verschneite Alm", „Toter Schnee“. Der heutige Name „Dachstein“ kommt erst Ende des 18. Jahrhunderts in häufigeren Gebrauch und von da an werden „Dachstein" und „Torstein“ nebeneinander abwechselnd als Bezeichnung des ganzen Dachstein¬ gebirges oder der beiden Gipfel gebraucht; so wird z. B. der Dachstein als „die höhere Spitze des Thorsteins“ bezeichnet (1835). Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat diese unsichere und wechselnde Namengebung aufgehört und an ihre Stelle traten die heutigen Bezeichnungen „Dachsteingebirge“ für den ganzen Gebirgsstock, „(Hoher) Dachstein“ und „Torstein“, für die beiden Hauptgipfel. Wie unklar die Vorstellungen über die Lage und Ausdehnung, Gliederung und Höhe des Dachsteingebirges lange blieben, beweisen die älteren Land¬ karten Oberösterreichs?). Die älteste Karte des Landes, die 1542 vom Nürn¬ berger Kupferstecher Augustin Hirschvogel gezeichnet und 1583 gedruckt wurde, enthält als Bergnamen nur den „Draunstein“, „Perius Mons“ (Pyrgas), „Khürn¬ worg mons“ (Kürnberg) und „Pehamer Waldt“ (Böhmerwald), für das an¬ schließende Niederösterreich den „Ueczer Perg“ (Ötscher); die Dachsteinlandschaf ist durch den Kartenrand abgeschnitten, es sind nur noch Hallstatt, der Hallstätter See und die Pötschen („Peczen dal“) sichtbar. Als höchster Berg („mons altissi¬ mus") wird der Traunstein bezeichnet nach der volkstümlichen, auch in älteren Geographiewerken üblichen Gepflogenheit, in den am weitesten in der Landschaft sichtbaren Berggipfeln die höchsten zu vermuten. Auch in der 1545 von Wolfgang Lazius vollendeten Karte von Ober- und Niederösterreich und ihren Neuauflagen begegnen uns als Bergnamen nur der „Draunstein“, „Hauß Ruck“, „Khyrnper (Kürnberg), „Die Potschen“ und „Der Pyem“ (Pyhrn). Im Dachsteingebiet trägt ein unbenannter Berg die Dreiländergrenze. Gänzlich verzeichnet ist das Gosautal („Kucheltal“) mit den Gosauseen; das als Waldtal eingetragene Echern¬ tal reicht bis zur Mandling! Noch unklarer ist das Dachsteingebiet in Lazius Atlas 1561 wiedergegeben. Etwas genauer ist die Darstellung auf der nächsten Karte von Oberösterreich, von Isaak und Abraham Holzwurm, die 1662 erschien; Isaak Holzwurm hatte zu ihrer Anlage 1617 von den oberösterreichischen Ständen die Weisung erhalten, er solle u. a. auch die „fürnembsten gepürg ... absehen". Wir finden unter den zahlreichen Bergbezeichnungen der Holzwurmschen Karte auch schon einige Bergnamen im Dachsteingebiet („Kripnstein", „Rott tauben am Stein"). *) Wolfgang Lazius, Karten der österreichischen Lande und des Königreiches Ungarn aus den Jahren 1545—1563. Herausgegeben von E. Oberhummer und F. v. Wieser. 1906. 196
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Die erste zuverlässigere Darstellung des Dachsteingebietes lieferte Georg Matthäus Vischer in seiner Karte von Oberösterreich, die 1667/68 aufgenommen wurde, 1669 erschien und als die „Königin“ der Landkarten Oberösterreichs (de Luca) über ein Jahrhundert die Grundlage aller weiteren Kartenwerke blieb. Da sie in ziemlich großem Maßstab, etwa 1 : 150.000 hergestellt ist, enthält sie zahl¬ reiche Angaben. Die Randberge des Dachsteinmassivs sind in der damals üblichen Art der Bergdarstellung, in vogelperspektivischer Zeichnung, anschaulich abgebildet: der Gosaukamm („Donner Kogl“), der Gosauerstein („Stainwandt"), die Dach¬ steinsüdwände („Shneeberg") mit der Hunerscharte und dem Koppenkarstein und die nördlichen Randberge am Hallstätter See lassen an Naturtreue nicht viel zu wünschen übrig. Diese Genauigkeit der Gebirgsaufnahme zeugt von der unvor¬ stellbaren Arbeitskraft Vischers, der ganz Oberösterreich in der knappen Zeit von dreiviertel Jahren bereist und vermessen hat und sich bei seinen Aufnahmen nicht, was Kepler noch 1616 als die übliche Art der Mappierung bezeichnet hatte 10) auf flüchtige Besuche und die Berichte von „Bauern“ und „Boten“ verlassen hat. Möglicherweise hat er bei seinen Arbeiten auch einzelne Vorberge der Dachstein¬ hochfläche bestiegen. Die Bedeutung des Dachsteingebirges als der höchsten Er¬ hebung Oberösterreichs hat auch er noch nicht erkannt. In seiner Landkarte ist der Große Priel als der höchste Berg Oberösterreichs („Priel mons Altissimus totius Provintziae") bezeichnet, ebenso in der Topographie von Oberösterreich 1674 („Der Briel, so der höchste berg in ober Österreich ist"). Auch in Vischers Karte der Steiermark 1678 ist der Priel als „Mons altissimus Austriae sup.“ und der Grimming als der höchste Berg der Steiermark („mons max. et altissimus Styriae") angegeben. Die älteren Maler und Topographen der oberösterreichischen Alpenlandschaft haben dem Dachstein keine Beachtung geschenkt. Michael Pacher hat auf dem Flügelaltar von St. Wolfgang (1471/81) die Aberseelandschaft mit dem Sparber und Pürgelstein abgebildet, Wolf Huber 1510 den Schafberg, 1519 den Traun¬ stein gezeichnet. Auf Lukas von Valkenburgs 1594 gestochenen Bildern von Linz und Gmunden finden wir den Traunstein, auf verschiedenen Blättern der Vischer¬ schen Topographie den Priel, Traunstein, Schafberg, das Höllengebirge. Nur Merian bringt auf seinem Hallstätter Bild (1649) eine Darstellung der Vorberge des Dachsteinmassivs. Zur ersten umfassenden kartographischen Aufnahme des Dachsteingebietes führte die „josefinische Militäraufnahme“, die aus strategischen Gründen 1763 —1785 vom Generalstab in sämtlichen habsburgischen Ländern, in Oberösterreich 1769 —72, durchgeführt wurde. Auf ihr beruht die „Mappa von dem Land ob der Enns“, gestochen von C. Schütz, die 1787 erschien. Sie gibt für das Dachsteingebiet im einzelnen ein genaueres Kartenbild als die Vischersche Karte, bleibt jedoch, was die Richtigkeit der Gesamtdarstellung betrifft, hinter 10) H. Kreczi, Kepler, Holzwurm und die oberösterreichische Landkarte. Beiträge zur Linzer Stadtgeschichte Heft 1 (1947) S. 15 ff. 197
Oberösterreichische Heimatblätter ihr zurück. Der vom Dachsteinstock nordwestwärts ziehende Gosaustein und Gosau¬ kamm sind verhältnismäßig genau dargestellt, ebenso der östliche Teil der Hoch¬ fläche vom Koppen bis zum Pfalzkogel; der Südostabfall des Dachsteingebirges und damit die oberösterreichisch-steirische Grenze sind jedoch weit nach Norden ge¬ rückt, die Hochfläche „Am Stein“ verschwunden und die Breite des Dachstein¬ stockes hier auf die Hälfte verschmälert. Doch enthält diese erste Dachsteinaufnahme des österreichischen Generalstabes manche bemerkenswerte Eintragungen. Neben den allgemeinen Gebirgsbezeichnungen („Schneegebürg“ usw.) ist in der Schütz¬ schen Karte zum erstenmal als Kartenname der Gipfelname „Door Stein“ ein¬ getragen. In den Einzelblättern wird der „Door Stein“ als das „höchste Gebürg bezeichnet 11); auf ihm ist die Dreiländergrenze („Triplex Confinium B. Tor¬ stein") festgelegt 12). Unter den schon sehr zahlreichen Bergnamen der Schützschen Karte finden wir manche verschollene Namen wie „Jagerhand Stein", „Weise¬ tauben", „Die Knapp oder Die Steinerne Manner“; der letzte Name hängt viel¬ leicht mit einer Schladminger Bergbausage zusammen. Die sprachlichen Schwierig¬ keiten der Mappeure bei der Aufnahme der mundartlichen Bergbezeichnungen und die Unsicherheit der Namengebung und Grenzziehung machen sich bemerkbar aus Karteneintragungen wie „Schowend“ (Scharwand), „im Gramet“ (Grummetköpfe), „Maßenberg“ (Maisenbergalm), „Terel Eck“ (Törleck), „Drey Unkenbahre Stein¬ haufen", „Strittige Gränze“. Die Ergebnisse der josefinischen Aufnahme wurden aus militärischen Gründen geheimgehalten. Als einziges Land konnte sie Ober¬ österreich in der obenerwähnten Karte von Schütz verwerten, die jedoch nur in einer Auflage von 50 Stück erscheinen und nicht in den Handel gebracht werden durfte. Man war also weiterhin auf die Vischersche Kartendarstellung angewiesen und noch Schultes konnte z. B. seinem vielgerühmten und bahnbrechenden Salzkammergut¬ Werk 1809 nur eine mangelhafte selbstgezeichnete Karte beigeben. Neue Kenntnisse vom Dachsteingebirge brachte ein zweites kartographisches Unternehmen jener Zeit, die Schaffung der Salzkammergut-Waldkarte der öster¬ reichischen Salinen 1794 — 180413). Der Hallstätter, Ischler und Ebenseer Bezir wurden geodätisch aufgenommen, mit den Vermessungsarbeiten waren die Wald¬ meister Josef Prauchinger (ab 1 7 Leiter des Ischler Waldamtes, gestorben 1805) und German Krall (ab 1793 Leiter des Ebenseer Waldamtes), sowie der tüchtige Markscheider und Bergschreiber von Hallstatt Michael Moshammer14) mit einem Stab von Waldpraktikanten beauftragt. Die Höhenmessungen dieser Waldkarte 1) Josefinische Aufnahme von Österreich ob der Enns 1769—1772, Sektion 64 (Maßstab 1 : 28.000). 12) Josefinische Aufnahme von Innerösterreich 1784, Sektion 5. 13) C. Schraml, Studien zur Geschichte des österreichischen Salinewesens Bd 2 (1934) S. 368 f., Bd 3 (1936) S. 349. 12) Moshammer, seit 1812 Oberbergmeister in Hallstatt, war auch Mitarbeiter des Ver¬ messers Michael Kefer bei der nach achtjähriger Arbeit 1815 vollendeten Karte des Hallstätter Salzberges. 1804 bediente sich Schultes bei seinen Höhenmessungen im Dachsteingebiet seiner Unterstützung. Noch Simony rühmt den Wert seiner Waldkarte. 198
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes wurden noch 1820 vom Generakstab als richtig bezeichnet 15); sie hatten für den Dachstein eine Höhe von 9448 Wr. Fuß = 2986.5 Meter ergeben. Moshammer hat auch die Dachsteingletscher vermessen und ihren Umfang mit 10.000 Klafter angegeben. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten bildlichen Darstellungen des Dach¬ steingebirges von der Hallstätter Seite aus, so die aquarellierte Tuschpinsel¬ zeichnung „Gegend des Schneeberg oder sogenanten Tachstein Solcher anzusehen gegen Mittag Aufgenohmen den 27ten July 1790“, die sich im Besitz des ober¬ österreichischen Landesmuseums befindet. Eine Federzeichnung des „Schneeberg bey Hallstadt“ vom Salzbergzuseher am Ischler Salzberg Joseph Laimer aus dem Jahre 1820 und ein nach dieser Zeichnung hergestelltes Aquarell „Ansicht des Schneegebirges bey Hallstadt“, 1825, besitzt das Museum in Bad Ischl. Die josefinische Aufnahme, die Vermessung der bisher fast unbekannten Hoch¬ gebirgslandschaften Österreichs, die zahlreichen, zur Errichtung der Vermessungs¬ zeichen durchgeführten Gipfelbesteigungen und die dadurch gewonnene genauere Kenntnis des Gebirges haben erst die Bahn frei gemacht für die eigentliche Er¬ schließung der Ostalpen, deren Beginn zeitlich mit der Generalstabsaufnahme zu¬ sammenfällt. Nun kommen die ersten Touristen, Forscher und Schönheitssucher ins österreichische Hochgebirge, das nach den schon früher erschlossenen Westalpen noch viele Geheimnisse bereithält. Die Hauptträger dieser Bewegung sind zunächst die Naturforscher, voran die Botaniker, denen sich mit der Erforschung der Alpen¬ flora eine neue Welt öffnete. Die erste Welle der Ostalpenerschießung, die Forschungsreisen und Alpen¬ beschreibungen des „ersten Geographen der Ostalpen“ und bedeutendsten ostalpinen Touristen des 18. Jahrhunderts, Belsazer Hacquets (ab 1777), Walchers (1773), des auch mit Oberösterreich eng verbundenen Franz v. Schrank (1783), K. Ehren¬ bert v. Molls und Storrs lassen das Salzkammergut noch unberührt. Der Triglav, die Rhätischen und Zillertaler Alpen, die Dolomiten und Hohen Tauern (viele Ver¬ suche zur 1799 geglückten Großglocknerbesteigung), die bayrischen und niederöster¬ reichischen Alpen sind die ersten Forscher- und Bergsteigerziele, Salzburg und Klagenfurt die ersten Mittelpunkte der alpinen Bewegung. Die oberösterreichisch¬ steirischen Alpen, bleiben zunächst noch eine „terra incognita“ (Schultes). Aber ab 1792 empfängt auch das Salzkammergut die ersten Besuche bedeutender Per¬ sönlichkeiten wie der Wiener Schriftstellerin Karoline Pichler (1792), J. A. Schultes (1794), des Burgschauspielers Joseph v. Lange (1794), des Geographen Alexander v. Humboldt (1797), des Geologen Leopold v. Buch (1802), die in ihren wissen¬ schaftlichen Veröffentlichungen, Reiseberichten, Briefen und Selbstzeugnissen das Lob der neu entdeckten „österreichischen Schweiz" diese Bezeichnung machte Schultes volkstümlich — begeistert verkünden und damit den großen Wandel des Salzkammergutes von der Wirtschaftslandschaft des Salzes zum weltberühmten 15) J. Steiner, Der Reisegefährte durch die Österreichische Schweiz oder das ob der ennsische Salzkammergut (1820) S. 57 f. 199
Oberösterreichische Heimatblätter Fremdenverkehrsgebiet einleiten. Die Pichler schildert die oberösterreichische Vor¬ alpenlandschaft und das noch ganz stille Salzkammergut am Vorabend seiner Ent¬ deckung; ihrem staunend-beglückten ersten Erleben des Gebirges erscheinen schon Landschaften wie das Mondseeland als „wild-schöne Gegend“ und das Windisch¬ garstner Becken als „schaurig-schönes Tal“. Auch Lange, der gleich Pichler eine große Rolle in der Wiener Gesellschaft spielte, unternahm mehrere Salzkammer¬ gutreisen und baute sich als einer der ersten dort ein Sommerheim. Humboldt schreibt seinen vielzitierten Brief an Josef von Schot, den Leiter des botanischen Gartens der Wiener Universität: „Ich gestehe, daß ich in der Schweiz keine solchen Naturszenen kenne als diese oberösterreichischen. Dazu ist das Volk mir ungleich interessanter und liebenswürdiger ... Sie sollten einmal eine Exkursion dorthin machen. Ich sehe die Gegend diesen Herbst nocheinmal. Ich werde zu Fuß nach Ischl, Hallstatt und wenn die Witterung sich hält, bis Aussee in Steiermark gehen. L. v. Buch veröffentlicht geologische Forschungen und Höhenmessungen. Zum eigentlichen Herold für das Salzkammergut aber wurde, wie vorher schon durch seinen Schneebergführer (1802) für den Wiener „Hausberg“ und durch sein vier bändiges Glocknerwerk (1804) für den Großglockner, der junge Mediziner, Botaniker und Alpenschriftsteller Joseph August Schultes (173 — 1831), der als Einundzwanzigjähriger zum erstenmal das Salzkammergut besucht hatte und von 1794—1808 sechsmal bereiste. Sein zweibändiges Werk, die „Reisen durch Oberösterreich in den Jahren 1794, 1795, 1802, 1803, 1804 und 1808“, das 1809 bei Cotta in Tübingen erschien, ist die erste, eingehende und fesselnde, heute noch lesenswerte Schilderung der neu entdeckten Landschaft. Ihm folgen rasch zahlreiche andere Neisehandbücher. Es beginnen die Reisen der Maler ins Salz¬ kammergut. Nun entstehen auch die ersten künstlerischen Dachstein-Bilder, die durch Lithographien vervielfältigt werden; zu den frühesten gehört eine Berliner Lithographie „Die Maler auf dem Hallstätter Gletscher" (1823) und das Dachstein¬ Bild von J. Alt (1825). Wir finden in dieser älteren Salzkammergut-Reiseliteratur neben über¬ schwenglichen Naturbeschreibungen viele Schilderungen des Volkstums, Lebensweise, des Charakters und der Arbeit der Salzkammergütler, der Alm¬ und Waldwirtschaft, der technischen Einrichtungen der Salzgewinnung und -ver¬ frachtung. Das touristische Interesse tritt hinter dem geographischen, naturwissen¬ schaftlichen, statistischen und volkskundlichen zunächst zurück. Daher sind auch die nun beginnenden ersten Versuche botanisierender Gelehrter und bergbegeisterter Reisegesellschaften, auf die Dachsteingipfel zu gelangen, noch nicht als ernste touristische Unternehmungen zu werten und endeten denn auch meist schon am Karlseisfeld. Am 6. September 1804 unternimmt Schultes mit Dr. Klinger und Hallstätter Führern von Hallstatt aus „mit Steigeisen, Griespeil, Stricken und Barometer und Thermometer ausgerüstet“ den Versuch einer Dachsteinbesteigung über die damals noch neun Hütten zählende Ochsenwiesalm, den ersten Stützpunkt der 200
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Dachstein-Touristen, bis zum Gletscher. Der weitere Plan, auf den Gipfel zu steigen, die „Teufelslöcher“ zu besuchen und nach Schladming abzusteigen, wird durch den einfallenden Nebel verhindert. Der VII. Brief des ersten Bandes seiner Reisen“, die „Excursion auf den Glätscher am Dachsteine“ ist mit den anschau¬ lichen Schilderungen der großartigen Naturbilder, des Hallstätter Gletschers, der Fernsicht vom hinteren Hierlatz und des Lebens auf den Dachsteinalmen der erste Vorläufer unserer heute so umfangreichen Dachsteinliteratur. Er hat mit seinem begeisterten Schlußwort, dem prophetischen Ausruf: „Ich umarme... alle, die nach mir den Dachstein besteigen, im Geiste!“ sicherlich große werbende Wirkung gehabt und zum erstenmal das volle, wenn auch durch die unruhige Kriegszeit noch gehemmte Interesse der neuen alpinen Bewegung auf den Dach¬ stein gelenkt. Schultes war es auch, der zuerst in der heimatkundlichen Literatur darauf hinwies, daß nicht der Priel, sondern der Dachstein der höchste Berg Ober¬ österreichs sei. Aus seinem Bericht geht hervor, daß 1804 schon eine Bergführer¬ gilde in Hallstatt bestand. Pfanndl, Namsauer, Lamer waren die besten, die man um vier Gulden für eine zweitägige Tour auf den Dachstein (wohl nur zum Gletscher) mieten konnte. Auch in Gosau standen Führer bereit. Am 3. September 1810 steigt der Sekretär und Mitarbeiter Erzherzog Karls, Franz Joachim Kleyle (1775 —1854), mit einer großen Gesellschaft von Reisenden, Trägern und Führern über die Schafeck- und Gjaidalm zum Hallstätter Gletscher empor. Auch Kleyle hat nach kurzem Vordringen über den Gletscher das Unternehmen aufgegeben. „Von dem Sumpfe am Rande des Gletschers kann man ohne besondere Beschwerde 1500 bis 2000 Schritte über die Eisdecke auf¬ wärts gehen: aber dann drängt sich dieselbe bauchförmig hervor, und es ist selbst mit Steigeisen nicht möglich über die Wölbung hinauf zu kommen ... Wir standen an der Nordostseite des Gletschers, vor uns die größere Hälfte des östlichen Eis¬ feldes und an seiner obersten Schneide die zwey Säulen des Thorsteines; links das Diendl und der Gjadstein; rechts das hohe Kreuz und vor ihm das Schöberl, lauter schrofe, kahle, graue Kalkmassen ... hinter uns das Taubenkar, und so von allen Seiten umgeben mit höhern Felsgebirgen waren wir an diesen schauer¬ lichen Scenen der Verödung und des Todes, ohne alle Aussicht in die Ferne. Nur die Größe und Reinheit der Gebirgsformen, das körperliche Wohlbehagen in diesem reinen Ather, und der Gedanke, daß hier der befruchtende Regen und die Quellen, welche so vielfaches Leben in der Tiefe verbreiten, ihre Geburtsstätte haben, konnte uns mit dem erschütternden Bilde befreunden. Wir fühlten noch Muth, dem Thorstein näher zu kommen; aber dazu fehlte itzt die Zeit und wi¬ hatten auch nicht den rechten Weg eingeschlagen. Alle Versuche, die höchste Spitze dieses merkwürdigen Gebirges von der nordöstlichen, östlichen und südlichen Seite zu besteigen, sind mißglückt, und werden wahrscheinlich immer mißglücken, weil ... die Eisklüfte das Aufsteigen zu gefährlich machen.“ Mehr Aussicht gibt Kleyle einer Dachsteinbesteigung von der Gosauer Seite, die aber auch, wenn nicht ganz unmöglich, doch ohne besondere Vorbereitungen sehr schwierig sei. Auch Kleyle 201
Oberösterreichische Heimatblätter hat 1814 in seinen „Rückerinnerungen“ einen umfangreichen Dachsteinbericht ver¬ öffentlicht, dessen Höhepunkt die Schilderung des Panoramas vom Hohen Krippen¬ stein ist. Am 27. August 1812 unternahm, vielleicht von Kleyle angeregt, Erzherzog Karl den Versuch einer Dachsteinbesteigung. Von der Gjaidalpe erreichte man den unteren Teil des Gletschers, das Karlseisfeld. „Hier wurden die Steigeisen angeschnallt und der Marsch auf dem Eise fortgesetzt. Das Vorwärts kommen war schwierig, und man mußte öfter Halt machen. Als man einen für die Aussicht günstigen Punkt erreicht zu haben glaubte, gab man das weitere Vordringen auf. Nur ein Jäger war vordem bis zu dieser Höhe des Dachsteins gelangt 16).“ Auch die bis 1820 unternommenen Besteigungsversuche des Mondseer Forst¬ beamten Johann Steiner kamen über die Dachsteingletscher nicht hinaus. Von Steiner stammt das erste von einem Einheimischen verfaßte Reisehandbuch des Salzkammergutes („Der Reisegefährte durch die Österreichische Schweitz oder das ob der Ennsische Salzkammergut“, 1820 bei Fink in Linz erschienen), zu dem er während seines neunjährigen Aufenthaltes im Salzkammergut manches wert¬ volle Material gesammelt hatte. Die erste nachweisbare Besteigung der Hochregion des Dachsteinstockes führte 1812 der steirische Naturforscher und Topograph Karl Schmutz (1787--1873) durch. Schmutz, der Verfasser des historisch-topographischen Lexikons der Steier¬ mark, ein bedeutender Mitarbeiter Erzherzog Johanns, der steirischen und später auch der oberösterreichischen Landwirtschaftsgesellschaft, war 1811—12 als Hauptmann mit einer Kompagnie zur Arbeitsaushilfe für die Salinenarbeiter ins Salzkammergut kommandiert. Er machte sich dabei um die Erforschung der Salz¬ kammergutflora verdient durch die Anlage einer Kräutersammlung, die er „durch rastloses Besteigen aller Gipfel“ zusammenbrachte und ließ „der Botanik wegen keinen Berg unbesucht 17)“. Schmutz kam auch ins Dachsteingebiet und berichtet darüber 182518): „Seit dem Jahre 1811 ist mir der Thorstein, weil ich da¬ mahls mit ihm durch eine Anwesenheit von 3 Tagen auf den ihn umgebenden Eisfeldern und Felsenspitzen bekannt geworden bin, ein höchst interessanter Punct. Seine Elevation über der Meeresfläche (der höchste Punct in dem östlichen Theile von Europa, nähmlich von 31° 15' gegen Osten) 19), seine für Millionen Menschen unersteiglichen Giebel, seine Bestimmung als Gränzpunct dreyer Länder, sein Gletscher, der nächste von Wien, Grätz, Linz usw., seine 16) A. v. Böhm, Die Dachstein-Gruppe. In: E. Richter, Die Erschließung der Ostalpen Bd 1 (1893) S. 335. 17) Steiner, a. a. O. S. 66. 18) C. Schmutz, Die erste Besteigung des Dach- oder Thorsteins am 5. August 1823. Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst Ig 16 (1825) S. 61. 19) Diese Feststellung ist nur für das osteuropäische Festland ob der östlichen Breite von 13° 36“ ö. v. Greenwich (= 31° 15° ö. v. Ferro) richtig, auf dem der Dachstein der höchste Gipfel vor dem Musalla (2926 Meter) und dem Olymp (2918 Meter) ist. Rechnet man Sizilien dazu, dann ist der höchste Gipfel dieses Gebietes der Atna (3274 Meter). 202
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes schauderlichpittoresken Umgebungen, fangen immer mehr an, die Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich zu ziehen, und ihre Bewunderung zu erregen. Was dieses Anziehende noch vermehrt, ist, daß er von einer Seite der Schlußstein des von so vielen Fremden jährlich mit dem höchsten Interesse besuchten ob der Ennsischen Salzkammerguts, von der anderen Seite eine Seitenwand des herrlichen an gro߬ artigen Perspectiven so reichen Ennsthales in Steyermark ist, den man selbst aus tiefen Thälern in seiner Pracht gewahren kann, wie zum Beyspiele von der Pötschenstraße, gleich aufwärts von Aussee, vom alten Ausseer See, aus dem hintern Theile des Gosau Thales in Österreich, dann von allen hohen Bergspitzen des Ennsthales, aus dem Kalkzuge zwischen der Mur und Enns, von allen Hoch¬ gebirgs Spitzen in Oberösterreich und vielen von Salzburg .. .“ Schmutz hat auch eine kurze Übersicht über die Gletscherfelder des Dachsteins veröffentlicht. Von der Überquerung eines „Eissattels auf dem hohen Kreuze“, die er im Jahre 1812 „hin und zurück glücklich vollbrachte“, berichtet er, daß die spiegelglatten Wände auf beiden Seiten keine andere Bewegung erlaubten „als sitzend auf der Kante, die Steigeisen auf die Hände gebunden, nach und nach hinüber zu rutschen. Der Verlust des Gleichgewichtes würde auch Verlust des Lebens gewesen seyn" 20 In den ersten Friedensjahren nach dem Wiener Kongreß begann endlich der eigentliche „Kampf um den Dachstein“, der nach 15 Jahren zur Bezwingung der königlichen Spitze führte. Nun ist es nicht mehr vorwiegend das naturwissenschaft¬ liche, sondern das touristische Interesse, die kämpferische Lust kühner Bergsteiger, die Freude am Erleben der Schönheit und Gefahr des Hochgebirges, die die Be¬ steigungsversuche veranlaßt und auch erfolgreich gestaltet. Die Nuhmestitel der Erstbesteigungen fallen brüderlich geteilt an die Dachstein-Länder Steiermark und Salzburg, an wagemutige Alpler aus der steirischen Ramsau, aus Schladming und dem salzburgischen Filzmoos, an den steirischen Erzherzog Johann und den Salzburger Professor Thurwieser; aber gekrönt wird das Werk der Dachstein¬ Erschließung von der oberösterreichischen Seite her, durch die einzigartige Er forschungs- und Erschließungsarbeit Simonys. Den ersten Anstoß gibt Erzherzog Johann, der, seit jungen Jahren den Bergen verschworen, in einem halben Jahrhundert auf seinen Fahrten mehr von der Bergwelt der Ostalpen kennen lernte als einer seiner Zeitgenossen. In seinem Auftrag wurden zahlreiche Erstbesteigungen durchgeführt, u. a. 1804 die des Ortlers, des höchsten Berges Altösterreichs. Der Erzherzog hat selbst das August 1810 die Dachsteinhochfläche von der Dachsteingebiet besucht und am 28 Feisterscharte nach Schladming überschritten. Gjaidalm über Modereck und die Jäger war schon auf dem Thorstein, so sagt Sein Tagebuch meldet: „Ein alter man! er ist aber todt; man muß bis zu seinem Fuß über den Schnee, dann geht Im Auftrag des Erzherzogs, den viele Be¬ der Steig um den Gipfel herum" 21 20) Schmutz, a. a. O. S. 84, Anm. 4. 21) Aus Erzherzog Johanns Tagebuch, „Eine Reise in Obersteiermark im Jahre 1810“ Herausgegeben von Franz Ilwof. Graz 1882. 203
Oberösterreichische Heimatblätter ziehungen mit Oberösterreich verbinden, begannen 1817 die ernstlichen Versuche, die Dachsteingipfel zu erreichen. Ein Bericht liegt vor über den Versuch vom 24. Juli 1818. Zwei der Begleiter des Erzherzogs auf seinen Bergfahrten in den Niederen Tauern, der Waldmeister Grill aus Aussee und der kaiserliche Jäger Jakob Buchsteiner, genannt der „Schladminger Jakl“, ferner der Sohn Grills, Johann Grill, der Ausseer Jäger Franz Seebacher, der Berghutmann Winkler und „zwey handfeste Holz knechte“ unternahmen an diesem Tage, „wohlversehen mit Seilen, Eishauen, Krampen usw.“ von der Grubalm aus den Aufstieg über die Hoßwandalm am Grünberg vorbei zum Gosaugletscher und stiegen auf ihm an, „bis hart unter der perpendiculáren Wand des Dachsteins eine Kluft zwischen derselben und dem Schneefelde, auf welchem sie standen“, dem weiteren Aufstieg ein Ende setzte 22) 1819 besteigt im Auftrag des Erzherzogs Jakob Buchsteiner allein den Tor stein, der als der höchste Gipfel der Dachsteingruppe galt. C. A. Weidmann, der 1822 kurz über diese erste Bezwingung einer der Dachsteinspitzen berichtete, nahm 1824 mit Buchsteiner ein Protokoll auf, bei dem der Jäger als Zeugnis für die Erreichung der Torsteinspitze angab, daß er ein Feuerzeug, eine Flintenkugel und ein Stück Brot am Gipfel hinterlegt habe, von denen er die beiden ersten bei der Torsteinbesteigung 1823 wieder gefunden habe 23). In den nächsten Jahren führte die durch Kaiser Franz I. 1806 angeordnete Kartenaufnahme und anschließende Katastralvermessung, die franziszeische Reichsaufnahme, zu zahlreichen Gipfelbesteigungen im Dachsteingebiet, wo Vermessungszeichen aufgerichtet wurden, so 1823 auf dem Gjaidstein durch Leut¬ nant de Halley und auf der Großwand, der höchsten Erhebung des Gosaukammes, durch Leutnant Henner; auf dem Krippenstein traf bereits Kleyle 1810 eine Ver¬ messungspyramide an. Als Ergebnis der Aufnahme in Ober- und Niederöster¬ reich erschienen 1813 —23 die Karten dieser beiden Länder in 30 Blättern. Über die Kartenaufnahme im Dachsteingebiet berichtet 1825 Schmutz 24): „Vergebens sucht man diesen Dach- oder Thorstein auf vielen Karten, die General-Stabs-Karte von Salzburg führte ihn mit seinen Umgebungen zuerst, aber ziemlich unrichtig, und undeutlich vor die Augen der Welt. Sehr richtig und schön erscheint er mit seinen Umgebungen in der General-Stabs-Karte von Österreich ob der Enns, in den Umgebungen von Hallstatt. Er dankt diese Berichtigung dem damahligen Hrn. Oberlieutenant (jetzigen Major) Alexander v. Kodischitz von Ignaz Gyulay Inf. der im Jahr 1812 in der Du Hamelschen Aufnahms-Brigade zugetheilt, diesen gefährlichen Theil zu bearbeiten erhielt, und vorzüglich bearbeitete. Von ihm 22) C. A. Weidmanns Darstellung aus dem steyermärkischen Lande (1834) S. 163 —165. 23) Böhm, a. a. O. S. 328 und 329 f. 24) C. Schmutz, a. a. O., S. 61. Die erste Einzeichnung des Torsteins erfolgte nicht in der Salzburger Generalstabskarte, sondern in der wenig bekannten Karte von Oberösterreich von Schütz (1787). 204
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes rührt der Nahme Carlsfeld des südlichen Gletschers zwischen dem Gejaidstein und hohen Kreuze, welches er Sr. Kaiserlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Erzherzog Carl zu Ehren sogenannt wissen wollte, und in dieser Karte auch so schrieb“. Auf Grund dieser Vermessungsergebnisse hat auch Souvent seine schöne Salzkammer¬ gutkarte 1840 hergestellt. Im Zusammenhang mit der steirischen Katastralvermessung kam es zur zweiten Besteigung des Torsteines am 5. August 1823. Der Leiter der Vermessung in Schladming, Leutnant Mikitsch, hat über diese in dramatischer Spannung ver laufene Besteigung einen sehr anschaulichen Bericht verfaßt, den Schmutz 1825 veröffentlichte 25). Mikitsch benötigte für seine Vermessungsarbeiten eine Signal¬ stange auf dem Torsteingipfel und setzte für ihre Aufpflanzung einen Dukaten aus. Der damals schon 55 jährige, körperlich schwächliche Buchsteiner scheute an¬ fangs vor dem neuerlichen Wagnis einer Torsteinbesteigung zurück, da er bei seinem ersten Gang auf den Berg abgestürzt und „ganz zerschmettert" unten an¬ gekommen war; erst als man Georg Kalkschmied aus der Ramsau zum Begleiter gewonnen hatte, erbot er sich, die Stange aufzupflanzen. Am 5. August stiegen Buchsteiner und Kalkschmied von der Neustattalm über die Bachleralm zur. Wind¬ legerscharte und von dort, mit einer Hacke, einem Krampen und der Stange ver¬ sehen, in harter Arbeit auf einem „schneidigen Eisrücken“ zum Gipfel aufwärts, wo sie um halb sechs Uhr abends die Stange aufstellten. Von einer kleinen Anhöhe südlich von Schladming beobachtete Mikitsch mit seinem Fernglas und einige neugierige Einheimische mit „papierenen Fernröhren“ den Ausgang des Unter¬ nehmens der beiden „verwegenen Bergsteiger“. Um sechs Uhr abends entdeckte Mikitsch die Stange. Da Buchsteiner und Kalkschmied am nächsten Abend nicht ins Tal zurückkehrten, hielt man sie für verloren. Die beiden hatten auf einen Felsen im Eis infolge der hereingebrochenen Dämmerung übernachtet, wobei sie aus Furcht, einzuschlafen und zu erfrieren, „die Nacht im Gespräch und Tabak¬ rauchen“ zubrachten. Sie waren zurück nicht über die Neustattalm, sondern „aus Vorwitz, die ganze Eisebene zu überschauen, östlich gegen den Koppenkahrstein über die Simonyscharte (?) und die Dachsteingletscher gegangen, „über die sie, den unzähligen Eishöhlen nach allen Richtungen ausweichend, erst um 1 Uhr Nach¬ mittag zu den Sennenhütten in Feisterkahr kamen“; am 7. August früh trafen sie in Schladming ein. Nach Buchsteiner und Kalkschmied stieg der Filzmooser Bergführer Peter Gappmayr, vulgo Wallechner, zweimal, das eine Mal mit seinem Bruder Adam, auf den Torstein. Mit Hilfe der aufgestellten Signalstange wurde der Torstein noch im Jahre 1823 bei der oberösterreichischen Katastralvermessung (vom Plassen, Speikberg, Scheichenspitze, Rettenstein und Großwand aus) vermessen und seine Höhe auf 1552.22 Klafter = 2943.7 Meter festgestellt. Der Dachstein war ohne Signal¬ 25) Siehe Anm. 18. 205
Oberösterreichische Heimatblätter stange bereits 1822 bei der steirischen Katastralvermessung vom Grimming, Knall¬ stein und Hochgolling aus vermessen worden (1581.69 Klafter = 2999.6 Meter). Damit war auch die Unklarheit über den eigentlichen Hauptgipfel beseitigt und die zahlreichen bisherigen barometrischen und trigonometrischen Dachsteinhöhen¬ messungen (Moshammer, Schultes, Kleyle, Steiner u. a.) berichtigt. Die unklare Veröffentlichung der Höhenmessungen in einem verbreiteten Nachschlagwerk jener Zeit, A. Baumgartners „Trigonometrisch bestimmte Höhen von Österreich, Steyer¬ mark, Tirol usw. (1832), ließ jedoch den Streit, welcher Gipfel der höhere sei, weiter gehen. So vielbeachtet und umstritten die ersten Torsteinbesteigungen verlaufen waren, so still vollzog sich die Erstersteigung der Dachsteinspitze selbst. Veranlaßt wurde sie durch den zweiten großen Alpinisten der Ostalpen, mit dessen Namen wie mit dem Erzherzog Johanns bis 1840 fast alle nennenswerten Bergfahrten im Ostalpengebiet verbunden sind, Professor Peter Carl Thurwieser (geb. in Kramsach in Tirol 1789, gestorben in Salzburg 1865). Thurwieser, der erste Hochtourist der Ostalpen im heutigen Sinne, der seit 1822 zahlreiche Berg¬ fahrten und Erstbesteigungen (Ankogel, Hochkönig) in den Hohen Tauern und Stubaiern, im Steinernen Meer und im Kaisergebirge durchgeführt hatte, kam 1832 zum erstenmal ins Dachsteingebiet nach Filzmoos. Schlechtwetter ver¬ hinderte in diesem und im folgenden Jahre die geplante Torsteinbesteigung. Auf Thurwiesers Anfrage, welcher Gipfel der höhere sei, unternahm Peter Gappmayr seine dritte (die insgesamt fünfte) Torsteinbesteigung und überzeugte sich, daß der Dachstein, was ohnehin schon neun Jahre vorher durch die Vermessung fest¬ gestellt worden war, der höhere Gipfel sei. Daraufhin erstieg er 1832 allein von der Gosauer Seite auch den Dachstein. Damit war auch der höchste Gipfel des Dachsteingebirges endlich bezwungen; von der Hallstätterseite gelang dieses Unter nehmen allerdings erst 1841 dem Zimmerknecht Johann Namsauer und dem Pfannknecht Franz Linertner aus Kaltenbach bei Ischl, „zwei der kühnsten Berg¬ steiger“. Als erster Tourist ersteigt Thurwieser am 18. Juli 1834 mit Peter und Adam Gappmayr über den Gosaugletscher den Dachsteingipfel. Über den Hall¬ stätter Gletscher und die Randkluft erreichen ihn am 8. September 1842 Friedrich Simony und der Hallstätter Führer Johann Wallner. Mit diesen Erstersteigungen endet die hier behandelte „prä-alpinistische" Geschichte der Dachsteinerschließung. Nun beginnt das Zeitalter der touristischen Erschließung, die, erkämpft in einer Fülle kühner Einzelleistungen, verbunden mit den Namen zahlreicher bedeutender Hochalpinisten, über ein Jahrhundert dauert. In Friedrich Simony findet das Dachsteingebirge auch seinen meisterhaften wissen¬ schaftlichen Erforscher und Beschreiber. In den zahlreichen Werken des Dachstein¬ Schrifttums (Simony, Böhm, Radio-Radiis, Pichl u. a.) sind diese Leistungen festgehalten. 206
Pfeffer: Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes Mit der Touristik setzt auch die neuzeitliche Verkehrserschließung des Dachsteingebietes ein, deren Hauptdaten hier noch kurz angefügt seien. Schon 1843 läßt Simony die Wildkarhütte als erste Dachstein-Schutzhütte, als erste Bergsteigerunterkunft in Oberösterreich errichten; die durch ihn geschaffene Weg¬ anlage von der Randkluft zum Gipfel ist der erste versicherte hochalpine Weg in den Ostalpen. Mit der Einbeziehung des Dachsteingebietes in das Eisenbahn¬ netz (1875 Selztal—Bischofshofen, 1877 Attnang-Puchheim—Stainach-Irdning) beginnt der Hütten- und Wegebau in großem Stile (Simonyhütte 1877, Grob¬ gesteinhütte 1879, Austriahütte 1880, Brünnerhütte 1887, Hofpürglhütte 1902, Adamekhütte 1908, Guttenberghaus 1914, Theodor Körner-Haus 1922, Dach¬ steinsüdwandhütte 1926, Gablonzerhütte; Anlage des Ramsauer Dachsteinanstieges 1879, des Gosauer Dachsteinanstieges 1897, des 12 km langen Kaiser Franz Josef-Reitweges Echerntal — Simonyhütte 1900). 1890 ist im Dachsteingebiet bereits der Schi in Verwendung; die Knappen des Kohlenbergwerks am Stoder¬ zinken benützen ihm beim Abtransport der Kohle (auf Schlitten); nach dem ersten Weltkrieg wird das Dachsteingebiet vollends für den Winterverkehr erschlossen. 1909 wird ein neues Kapitel der Dachsteinerschließung aufgeschlagen mit der Entdeckung und dem Ausbau des Dachsteinhöhlenparks. Im Zeitalter des Berg¬ bahnbaues tauchen auch die ersten Bahnprojekte für das Dachsteingebiet auf (1898 Eisenbahn Steeg — Gosau — Gosausee mit Seilbahn auf die Zwieselalm, Gosau¬ mühl — Hallstatt mit Zahnradbahn auf den Dachstein, 1903 neuerliches Bahn¬ projekt auf den Dachstein). 1928 wird das Projekt einer Seilbahn auf die Süd¬ wände erörtert, 1930 im Zusammenhang mit der Einrichtung des Militärschieß platzes die Seilbahn Obertraun—Krippenalm vollendet und später bis zur Gjaid¬ alm fortgesetzt. 1930 wird durch die Verwaltung der Bundesforste auch der Plan einer 13 km langen Dachsteinhochstraße Obertraun — Gjaidalm (mit späterer Fortsetzung bis zur Simonyhütte) ausgearbeitet, 1935 griff dieses Projekt die o.-ö. Landesregierung auf und am 13. August 1935 erfolgte der erste Spatenstich zur „Dachsteinhöhlenstraße“ Obertraun — Parkplatz Dachsteinhöhlen (9.6 km), die im Jahre 1939 eröffnet werden sollte. Inzwischen hatte das Zeitalter des Kraft¬ wagenverkehrs Autostraßen bis an den Fuß des Dachsteingebietes vorgetrieben (1933 Autostraße Gosaumühl — Hallstatt, Parkplatz Hallstatt, 1934 Parkplatz Vorderer Gosausee). 1946 sind die Seilbahn- und Straßenpläne im Dachstein¬ gebiet wieder aufgenommen worden. Kehren wir aus dieser lauten Welt unserer mechanisierten Gegenwart noch einmal zurück in die stillere Zeit, da der erste Tourist seinen Fuß auf den Dach¬ steingipfel setzte! Über die Ersteigung des Dachsteingipfels durch Thurwieser ist ein Zeitungsbericht 26) aus der Feder des Pfarrers von Filzmoos erhalten, der 26) „Auch der Dachstein ist erstiegen!“ Mit G. N. V. gezeichneter Bericht im Salzburger Amts- und Intelligenzblatt 1834, Sp. 1221 —1223. — Dieser Bericht ist auch wiedergegeben in dem Aufsatz „Die Ersteigung des Thorsteines und Steines“ von Alexander Budiwitter, Steier¬ märkische Zeitschrift Neue Folge Ig 2 (1835) S. 10—12. 207
Oberösterreichische Heimatblätter der Öffentlichkeit die Kunde von diesem denkwürdigen Ereignis übermittelte. Ein Auszug aus diesem Bericht möge den hier gebotenen Überblick beschließen: „Am 17. Juli traf Herr Professor Thurwieser wieder in Filzmoos ein, mit dem festen Entschlusse, den Thorstein unter die Füße zu nehmen. Und — welch eine Freude! — dem beharrlichen Willen sollte eine noch herrlichere Krone werden. Die berufenen Führer, Peter und Adam Gappmayer, kühne Bergsteiger, erklärten, daß einem muthigen Steiger auch der Dachstein — bisher unerstiegen, und un¬ ersteigbar geglaubt — seinen stolzen Nacken beugen müsse. Dieser Dachstein ist unter den Hauptgipfeln des Hallstädter Eisgebirges, welche zusammen man die 3 Dachsteinspitzen nennt, der höchste; er steht den zwei andern, deren westlicher eigentlich Thorstein heißt, und schon früher von Einigen (man weiß nur fünf) er¬ stiegen ward, gerade östlich, von Filzmoos aus aber ostnordöstlich, so, daß im Hochsommer die Sonne bei ihrem Aufgange fast an den Dachstein zu streifen scheint. Furchtbar trotzt er herein in dieses Thal mit seiner dreieckichten Pyramiden¬ gestalt. Selbst die gar nicht schüchternen Bewohner dieses Thals bangten, ob des Wagstückes, ihn — auch nur anzusteigen. Indeß, wer weiß nicht, daß Gefahr den Muthigen auch nur noch mehr reize? Am selben Tage, ¼ über 5 Uhr Abends, wurde die Reise nach der dem fernen Ziele am nächsten gelegenen Alpe, Sulzen genannt, angetreten, nachdem vorher verabredet worden war, daß bei der Ankunft auf dem Gipfel des Dachsteines ein Zeichen aufgestellt werde. Am 18. Juli, um 234 Uhr früh, brachen die kühnen Steiger von der Alpe auf, und stiegen über Steingerölle, zerklüftete Eisfelder und schroffe Felsen ihrem Ziele entgegen. Um halb 9 Uhr legte ich zuerst das Fernrohr an, um nach dem Zeichen auf der Spitze zu schen und schon war über derselben ein schwarzer Fleck, wie an den Wolken hängend, der mich vollständig von dem gelungenen Unternehmen überzeugte. Ich kann nicht beschreiben, wie mir da zu Muthe wurde. Es regte sich ein Gefühl eigner Art. Das Bangen war dahin. Auf der Kuppe eines riesigen Berges, die wol noch nie ein lebendes Wesen erstiegen hatte, ja, wo selbst alles Leben aller Vegetation ein Ende hat, nun lebendige, menschliche, bekannte Wesen zu wissen, und sogar zu sehen, in der Größe eines hoch in Lüften schwebenden Adlers, war etwas Herzerhebendes. Sie standen oben, lebendige Zeugen, was des Menschen fester Sinn zu erstreben vermöge. Lebende Zeugen dem Worte des Herrn, daß der Mensch herrsche über Alles, was sich findet auf Erden. Oft des Tages hindurch zog es mich an das Fernrohr, und dieses wanderte von Aug zu Aug der staunenden Bewohner dieses Thales. Nachmittag um 3½ Uhr bemerkte man auf der Höhe nur noch ein aufgerichtetes Kreuz, und wir schlossen, daß die Rückreise angetreten sei. Ich harrte mit Sehnsucht, und nach 8 Uhr auch mit Bangigkeit ihrer Rückkunft entgegen; bis sie endlich um 10 Uhr erfolgte, und uns Alle mit Freude erfüllte. Ein hölzernes Kreuz verkündet jetzt in weite Ferne: Auch der Dachstein ist erstiegen!" 208
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