Oberösterreichische Heimatblätter mußte singen, nicht schreiben, ebenso hätte ihm Beobachtung auch einen solchen Schritt bedeutet, da für ihn die Welt lauterste Empfindung war. Wo aber konnte dies stärker der Fall sein, als in der Welt seiner Kindheit! Überall fühlt er sich wohl, saugt die Welt in sich ein wie die Atemluft, in Wien, Linz, Graz, Salzburg, München und kehrt auch immer wieder an diese Orte zurück; doch nicht umsonst sagt er zu seinem Zuhörer, nachdem er ihn nach Piesenham geführt: „Nun, da mag ich dirs wohl erlauben, daß du dem ausgefallenen Küchlein gleich erstaunt auf¬ schreist und ein paar zappelige Freudensprünge machest.“ Ihm selber geschah es so und sein ganzes Werk ist ein einziger Freudenschrei über die ihm vom ersten Anblick an so nah vertraute Welt. Ein nur wenig jüngerer Zeitgenosse Stelzhamers und gleichfalls ein Bauern¬ sohn, der es zeitlebens blieb, ist der Philosoph von Goisern Konrad Deubler (1814— 84). Er hat nichts anderes niedergeschrieben als ein Selbstzeugnis, Briefe und Tagebuchblätter mit Aufzeichnungen über seine Jugend und sein tragisches Schicksal mit zweijähriger Kerkerhaft sowie Betrachtungen über das Wesen der Welt und des Lebens. Es ist ein Nichts im Vergleich zu den Leistungen der großen Geister, die Deubler ihrer Freundschaft würdigten. Wie für Stelzhamer war auch für Deubler die Schriftsprache ein fremdes Medium. Was er niederschrieb, ent¬ behrte jeder Regel der Rechtschreibung und des Satzbaues. Ihm war die Welt nicht Gegenstand der Empfindung wie für Stelzhamer, sondern des Denkens. Auch für ihn war sie ein einziger Quell der Freude und Schönheit, aber sie mußte gleichsam denkend geordnet und dadurch erst in Besitz gebracht werden. So mangel¬ haft Deubler schrieb, so klar sind die Gedanken, die er in Schriftworte umsetzte, nicht dumpf und grüblerisch, sondern von klarem, stetigem Fluß und von der Lauterkeit eines Bergwassers. War Deubler zuletzt Gastwirt gewesen, so stammte der Dichter Franz Keim (1840 — 1918) aus einer Gastwirtschaft, die seine Eltern in Stadl-Paura bei Lambach betrieben. Beiden Männern mag das eigentümliche Wesen eines Wirts¬ betriebes zum Teil lebensbestimmend gewesen sein. Am Ende eines reichen Lebens schrieb Keim seine Selbstdarstellung „Aus dem Bilderbuch meines Lebens“ in Wien 1911 nieder. Er war eine formgewandte, kraftvolle, doch nicht tiefgehende Begabung, seine Lebensgeschichte ist mit männlicher Sachlichkeit vorgetragen, das Selbstbildnis eines naturtreuen Zeichners. Den Angelpunkt seines Lebens und dessen Geschichte bildet Keims dreifache Annäherung an Hebbel, zuerst durch die Entdeckung seiner mächtigen Dramen, dann durch die erste Begegnung in der Rabensteinmühle, bei der Hebbel mit einem Schwarm von Größen des Burg¬ theaters, darunter Gabillon, Meixner und Baumeister, auf einem Leiterwagen vorfuhr, zuletzt als schüchterner Besucher bei dem schon zu Tode Erkrankten in seinem Landhaus bei Gmunden. Dem zwischen zwei Wellenbergen der Kunst Lebenden hatte ein seltsames Schicksal bestimmt, seinerseits als Professor der Geschichte am St. Pöltener Gymnasium der Lehrer eines bedeutenden Dichters zu sein, sein Schüler war Rilke. 58
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