OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter ein Kunterbunt von kurzen Erzählungen, Anekdoten und Liedern, von welch letz¬ teren einige in „Des Knaben Wunderhorn“ aufgenommen wurden. Die Anekdoten sind mit außerordentlicher Frische, vielfach auch mit Humor erzählt und beruhen größtenteils auf eigenen Erlebnissen des Verfassers besonders aus seiner Gerichts¬ praxis. In ihrer Gesamtheit ergeben sie das mosaikartige Gebilde einer eigen artigen Selbstdarstellung von persönlichem und sittengeschichtlichem Wert. Er selbst äußert sich über seine Schilderungen, daß sie „sich sowohl in- als außer Gerichts wahrhaftig begaben, doch bisher nicht das öffentliche Drucklicht gesehen, meistens aus eigener Erfahrung zusammengetragen, mit lustigen und kurzweiligen Anmer¬ kungen, Schwänken und Schnacken, jedoch zwischen Schimpf und Ernst, geziert und gespickt" seien. Im Grunde vorkünstlerisch sind auch die über zwanzig Romane, die der in St. Georgen im Attergau geborene Johann Beer (1625 — 1700) verfaßt hat. Man hat ihn als den bedeutendsten Romanschreiber des siebzehnten Jahrhunderts nach Grimmelshausen bezeichnet. Wie die meisten Romane dieser Zeit sind auch die von Beer wegen überquellender Phantastik und Mangel an Gestaltungskraft nicht als reine Kunstwerke anzusehen. Was Beer jedoch, gleich Grimmelshausen, aus der Masse der übrigen emporhebt, ist der Kern an Selbsterlebtem, der köstlich Immer wieder tauchen mitten in unwirk¬ unter der krausen Schale fühlbar wird. lichsten Aufschneidereien Jugenderinnerungen auf, sei es nur ein traulicher Dorf¬ oder Bergname aus der Heimat, ein Hinweis, eine Redensart, oder ein Sprich¬ wort aus dem Landl, das Beer nach seiner Studienzeit in Lambach nicht mehr wiedersah, denn er starb als fürstlich weißenfelsischer Musikdirektor in der Fremde. Die ausführlichste Schilderung seiner Jugend hat er in dem Roman „Kurzweilige Sommertage“ (1683) gegeben, in der die Frische und Anschaulichkeit seines Stils voll zur Geltung kommen. Zu den bedeutendsten Dichtern, die Oberösterreich hervorgebracht hat, gehört der zu Schärding gebürtige Michael Denis (1729— 1800), der mit Klopstock in enger Verbindung stand, von Goethe gelobt und von Hölty als das Vorbild gefeiert wurde, das „seinen schlummernden Genius“ geweckt. Denis war ein welt¬ fremder Poet und Gelehrter, der nichts erlebte, aber mit höchster Anteilnahme den Zeitgeschehnissen in seinem Vaterland folgte; in zahlreichen Gelegenheitsdichtungen und ganzen Gedichtfolgen hat er sie besungen. Auf das engste war er auch mit seinen Kindheitserlebnissen innerlich verbunden; noch in einem seiner letzten Werke, den „Lesefrüchten", beklagt er sich darüber, wie fest abergläubische Vorstellungen und Geschichten des Volkes in seiner lebhaften Phantasie hafteten. Dabei kam er schon mit zehn Jahren aus dem Vaterhause fort nach Passau, mit achtzehn nach Wien, später nach Graz, Klagenfurt, Judenburg, Preßburg und schließlich als Lehrer an das Theresianum in Wien; als Hofrat an der kaiserlichen Bibliothek ist er dort gestorben. Denis hätte das Haupt einer Schule werden können, seine vielfältigen Bindungen zur gesamtdeutschen Literatur sind erstaunlich. In glas¬ klarem Latein hat er seine „Vita“ niedergeschrieben und mit olympischer Gelassen¬ 54

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