OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Schmidt: Selbstzeugnisse im oberösterreichischen Schriftum Selbstzeugnisse im oberösterreichischen Schrifttum Von Dr. H. J. Schmidt (Linz) Das eigene Erleben, das Nachwirken der phankasiebetonten Welt der Kind¬ heit, das zumindest innerliche Teilnehmen am Erleben der Gemeinschaft, diese drei Hauptquellen des dichterischen Schaffens machen sich schon als vorkünstlerische Hervorbringungen geltend in Gestalt von Märchen und Sage, in Chroniken und Geschichtsdarstellungen, als Briefsammlungen, Tagebücher und Selbstbiographien. Letztere Darstellungsform hat im Verlauf der Jahrhunderte da und dort zu jener höchstgesteigerten Schilderung eigener seelischer Vorgänge geführt, den „Bekennt nissen", die von Augustinus bis Nousseau zu den kostbarsten Denkmälern de Menschheit gehören. Oberösterreich zeigt bei einer Betrachtung seines Schrifttums deutlich eine besondere Grundhaltung. Sie wird bestimmt durch die Schönheit seiner Natur, durch den freien Sinn seiner Alpenbewohner und selbstbewußten Bauern wie auch durch die Verbundenheit mit Sage und Mythos seiner Vorzeit. Aus diesen Voraussetzungen lassen sich alle seine Höchstleistungen ableiten, ange¬ fangen von den Gründungssagen seiner ältesten Stifte St. Florian, Mondsee, Kremsmünster, Lambach, die bis in spätrömische und frühmittelalterliche Zeit zu¬ rückzuführen sind, von den ersten innigen Tönen des Minnesanges, die gerade in Oberösterreich erklangen, von seinem Anteil am Nibelungenlied, von der ersten deutschen Dorfnovelle „Meier Helmbrecht“, von der Einführung der Sternkunde und Naturwissenschaft in das deutsche Geistesleben durch Johann von Gmunden und Georg von Peuerbach, von der Schaffung einer reinen Landschaftskunst im Donaustil auf oberösterreichischem Boden bis herauf zu dem Zauber der nieder¬ geschriebenen Natur in den Werken Stifters und zu der gewaltigen Schöpfung mitten in tintenklecksender Zeit — einer auf das klingende Wort abgestimmten Mundartdichtung durch Lindemayr und Stelzhamer. Nachdem im vierzehnten Jahrhundert Probst Einwik von St. Florian zum ersten Mal eine zeitgenössische Lebensgeschichte geschrieben hatte, die der seltsamen, kulturgeschichtlich wie seelenkundlich gleich bemerkenswerten Klausnerin Wilbirg, anderseits etwa gleichzeitig ein Oberösterreicher, Bertholt Preuhaven aus Steyr, Komtur des deutschen Ritterordens und Gründer der Stadt Tilsit, Anlaß zur Dar¬ stellung seines abenteuerlichen Lebens durch den gleichzeitigen Petrus von Dusbrug und in Reimen durch Nicolausvon Jeroschin gegeben hatte, setzt im fünfzehnten Jahrhundert die eigentliche Selbstdarstellung in Oberösterreich ein. Der älteste dieser Gruppe Wolfgang von Steyr (1402 —91) schildert im „Itinerarium“ die heimische Geschichte seiner Zeit. Sein Werk ist eine Fund¬ 51

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