Hoffmann: Österreich und das Land ob der Enns sah sich Maximilian veranlaßt, an Stelle des bisher immer noch vom Fürsten größtenteils persönlich ausgeübten Regiments, ständige, von Berufsbeamten ge¬ leitete Oberbehörden einzusetzen. Gleicherweise berief man neben den Landtagen der einzelnen Länder Ausschüsse von allen Erblanden zu gemeinsamen General¬ landtagen ein, zumal die von Osten her immer stärker drohende Türkengefahr eine vereinte Abwehrkraft dringend erheischte. Auf den beiden großen Tagungen zu Augsburg 1510 und Innsbruck 1518 kam es nun über die Frage der staatsrechtlichen Stellung des Landes ob der Enns zu einem erbitterten Rang- oder Präzedenz (Vortritt-)-Streit mit den anderen Ländern, vorab Steiermark, Kärnten und Krain. Der Streit entstand dadurch, daß die geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem Lande ob der Enns zu Österreich und Steiermark sowohl vor der Regierung Rudolf IV. als auch nachher in Widerspruch zu den Formulierungen in dem 1358/59 angefertigten „Großen Freiheitsbriefe“ stand. Stützt man sich, wie dies von Seite der Ver¬ treter des Landes ob der Enns geschah, auf den Text dieser Urkunde, so wäre das Land ob der Enns dem unter der Enns gleichgeordnet; auf Grund der tat¬ sächlichen Entwicklung, also des im mittelalterlichen Rechtsleben so wichtigen Her¬ kommens, hatten die südlichen Länder Steiermark, Kärnten und Krain eine viel günstigere staatsrechtliche Stellung als das bloß als Zugehör zu Österreich be¬ handelte „Landl“. Brachte schon das nähere Zusammenrücken der alten Erbländer für Ober¬ österreich eine gewisse augenblickliche Minderung in seiner bisherigen Bedeutung für Österreich, so wurde diese Entwicklung durch die bald folgende gewaltige Aus¬ weitung der Habsburgischen Hausmacht noch bestärkt. In wenigen Jahren kamen durch Erbanfall nicht weniger als drei Königreiche, nämlich Spanien samt seinen überseeischen Kolonien in Amerika (1516), dann Böhmen und Ungarn (1526), außerdem noch — allerdings nur vorübergehend (1516/26) — Württemberg unter die österreichische Herrschaft. Österreich rückte damit in eine Weltstellung, ja es war die erste Macht unter den damals maßgebenden Reichen geworden. Wenn auch die westlichen Länder (Spanien, Burgund) kaum irgend eine für das eigent¬ liche Österreich und das Land ob der Enns direkt fühlbare Änderung in ihrer geopolitischen Lage mit sich brachten, so wirkte sich die freilich zunächst noch sehr lockere Angliederung der Nachbarstaaten Böhmen und Ungarn umso stärker aus. Die ungemein reichen Länder der böhmischen Krone, die außer Böhmen und Mähren ganz Schlesien und die Lausitz umfaßten, überragten die Gruppe der alten Erblande weitaus an wirtschaftlichem, aber auch politischem Gewicht. So darf es uns nicht wundern, daß, als nach dem Tode Ferdinand I. (1564) die österreichischen Erblande abermals in drei Gruppen, nämlich die niederöster¬ reichischen (Ober- und Niederösterreich), innerösterreichischen (Steiermark, Kärnten, Krain,. Istrien) und oberösterreichischen (Tirol und die habsburgischen Besitzungen in Schwaben und im Breisgau) aufgeteilt wurden, unter Rudolf II. die Residenz von Wien nach Prag verlegt wurde. Für das Land ob der Enns im besonderen
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