Oberösterreichische Heimatblätter erst der romantisch-nationalen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zu ver¬ danken. Dem wirklichen, geschichtlich entwickeltem Volksempfinden entsprechen diese gelehrten Konstruktionen nicht; denn die Österreicher haben sich weder für „Ostmärker“ noch für Baiern gehalten. Sie hatten ja gar keinen Grund etwas anderes als Österreicher sein zu wollen, denn kein aufstrebendes Volk wünscht seine einmal erwachsene Eigenart und Selbständigkeit wieder rückgängig zu machen. Mit Ottokar von Böhmen, der 1251 das österreichische Herzogtum übernahm, trat die „Böhmische“ Lösung der Donauraumgestaltung erstmals wirksam in Erscheinung; sie war jedoch zunächst von einer Aufteilung Österreichs mit dem östlichen Nachbarn Ungarn begleitet, der 1254 die Steiermark erhielt. Auch die Ungarn werden uns von nun an wiederholt als Anwärter auf eine einheitliche Be¬ herrschung des Donauraumes begegnen. Die Losreißung der Steiermark bringt für Österreich und das Land ob der Enns insoferne eine wichtige Entscheidung, als jetzt die natürliche Alpenkammgrenze Geltung erlangt, indem in Niederöster¬ reich das früher steiermärkische Gebiet von Wiener-Neustadt bis zum Semmering, in Oberösterreich der Traungau endgiltig zu Österreich geschlagen wird. Der von der Natur vorgezeichnete Zug zur Donau trug damit den Sieg über die bloß besitzgeschichtliche Verbindung davon. Aus dieser Veränderung ergab sich für Ottokar die Notwendigkeit, die schon unter den letzten Babenbergern mit dem Ennser Landschreiberamte angebahnte einheitliche Zusammenfassung des ganzen östereichischen Herrschaftskomplexes ob der Enns zu vervollständigen und zu festigen. Mit der Errichtung einer Haupt¬ mannschaft ob der Enns gewinnt das Land den verwaltungsrechtlichen Mittelpunkt für die Ausbildung einer einheitlichen politischen Gestaltung. Dabei blieb es auch, als nach einem militärischen Siege über die Ungarn (1260) Ottokar die Steier¬ mark, ja sogar Kärnten und Krain (bereits von Friedrich II. erworben) und Gebiete bis zur Adria erhielt. Man sieht also, daß die von den Babenbergerr eingeleitete österreichische Staatsbildung — wenn auch unter anderem Vorzeichen sich fortsetzte. Als Nudolf von Habsburg als deutscher König dem Böhmenkönig die Herr schaft über die von ihm ohne Zustimmung des Reiches in Besitz genommenen Länder entriß (1276 — 1278), schien es zuerst, daß er, angewiesen auf die Unter¬ stützung anderer Fürsten, den Baiern, die übrigens noch zur Zeit Ottokars 1270 sich auf kriegerischem Wege des Landes ob der Enns zu bemächtigen suchten, auf dem Wege der Pfandherrschaft das von ihnen so heiß begehrte Gebiet überlassen würde. Doch als sein Gegner in der Marchfeldschlacht 1278 das Leben verlor und Rudolf schon die Erwerbung der österreichischen Lande für sein Geschlecht (1282 vor Augen hatte, konnte er die Baiern zum Verzichte zwingen. Man sieht also, daß dieser scharf berechnende Fürst den Besitz des Landes ob der Enns für den Ausbau seiner Stellung im neu gewonnenen Gebiete für unerläßlich hielt, zumal er daran schritt, Böhmen und wenn möglich auch Ungarn für sein Haus zu er¬ werben. Die erste österreichische Lösung des Donauraumproblems durch das Haus 22
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