Johann Gotthard Hayberger 1695-1764

Abb. 95 rocken Architektur des ersten Jahrhundertviertels. Er schließt sich, ebenso wie Prunner und Hildebrandt, nicht der protoklassizistischen Haltung des jüngeren Fischer von Erlach an. Die gleichen Stilmerkmale zeigt noch seine in den 50er Jahren konzipierte Fassade des Steyrer Rathauses. Ein konkreter, aktueller Anlaß für einen Neubau der gesamten Klosteranlage war offensichtlich nicht vorhanden. Zudem gab es kaum eine praktische Notwendigkeit, die zum Neubau drängte. Einzig die möglicherweise Abb-69, Nr.18 zu klein gewordene Stiftsbibliothek im alten Osttrakt, die mit einer angeblichen Länge von 111 Fuß aber bereits von beachtlichen Ausmaßen war [ 1120], könnte ein solcher Anstoß gewesen sein. Dafür spricht, daß man zunächst den Bau einer neuen, gewaltigen Stiftsbibliothek begann und daß nach deren Aufgabe auch die weitere Planungs- und Bautätigkeit sich auf die Errichtung der Bibliothek konzentrierte. Daß es keine eigentliche Notwendigkeit zum Neubau gab, zeigt auch die Tatsache, daß die spätbarocken Trakte bis zum großen Stiftsbrand von 1865 weitgehend ungenutzt waren. So verblieben alle wichtigen Funktionsbereiche des Stiftes bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in den frühbarocken Trakten. Lediglich die Bibliothek, ein Teil des Konventes und das Noviziat wurden im neuerrichteten Osttrakt untergebra ht. In seinen Abmessungen (ca. 368 : 169m) hätte der geplante HaybergerBau alle damaligen Klosteranlagen einschließlich des Escorial (204: 161m) weit (.ibertroffen. Dies gilt auch im Vergleich mit den großen Schloß- und Residenzbauten von Schönbrunn (ca. J 80 : 60m) und Würzburg (167 : 90m). Der utopische Charakter dieser Präsentationsentwürfe - so hätte das gesamte nach Norden zur Enns hin abfallende Gelände um bis zu I0m angehoben werden müssen - legt auch im Gesamtkontext der Barockarchitektur die Vermutung nahe, daß es sich von vornherein nicht um ein konkretes Projekt handelt. Vordergründig gesehen wollte sich der damals noch weitgehend unbekannte Hayberger [ 1121 J mit einer solchen Monumentalplanung als geeigneter und erfahrener Architekt vorstellen. Andererseits lassen die unrealistischen und unpraktischen Größenverhältnisse - so wurden die langen Verkehrswege der ersten, wesentlich kleineren Göttweiger Planung bereits als "bestialisch circa vitam et commercium humanum -fähl geschossen" kritisiert [1122] - vermuten, daß eine solche Konzeption nur nach Rücksprache mit dem Abt entstanden sein kann. Dafür spricht auch die Anlage der Ein-

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