SCHLUSS Im Verlauf der Untersuchung konnte gezeigt werden, daß die Entstehungsgeschichte der Stiftsanlage von St. Florian die Entwicklung des hochbarocken Klosterbauwesens in Osterreich widerspiegelt und zum Teil maßgeblich bestimmt. Das unausgeführte Neubauprojekt Carlo Antonio Carlones aus den Jahren 1684/85 ist das erste Zeugnis der neuen Baugesinnung, deren Wegbereiter in den habsburgischen Erblanden Propst David Fuhrmann war. Fuhrmann hatte es als erster verstanden, dem Selbstbewußtsein der landständischen P,rälaten, als der faktischen Regenten der österreichischen Kirche, durch die Baukunst Ausdruck zu verschaffen. Von 1685 ab ließ er für die »Klosterdiözese« St. Florian mit ihren vielen inkorporierten Pfarreien eine »Kathedrale« errichten, die als Barockkircne in den Erblanden ihresgleichen suchte und mit den Hauptkirchen der Kirchenprovinz und der Diözese, in der St. Florian lag, den Domen von Salzburg und Passau wetteiferte. Der Anspruch, den das Bauwerk erhob, bedingte die Großartigkeit seiner Architektur und den Aufwand der Ausstattung. Nicht weniger anspruchsvoll als die Stiftskirche war der von Carlone errichtete Westtrakt des Stifts mit seiner »Prälatenresidenz«, in der die Amter der Stiftsherrschaft, die Räume der Prälatur und das Appartement für die höchsten Gäste hierarchisch übereinandergeordnet waren. Die Bedeutung des Trakts wird architektonisch von dem durch Arkaden zum Freiraum geöffneten Treppenhaus hervorgehoben. Das ursprüngliche Aussehen der 1700 geplanten und 1701 im Rohbau errichteten Treppe, die nach dem Tode Carlones von Jakob Prandtauer in den Jahren 1709- 17u verändert wurde, konnte durch eine kritische Auswertung sämtlicher zum Bau erhaltenen Archivalien geklärt werden. Damit hat das nach der Florianer Stiftskirche bedeutendste Werk Carlones endgültig einen festen Platz im CEuvre des Meisters gefunden. Mit der Berufung Jakob Prandtauers zum Stiftsbaumeister begann ein neuer Abschnitt in der Baugeschichte von St. Florian. Die Neuplanung von 1710 für den weiteren Ausbau der Stiftsanlage stand unter dem Gedanken einer programmatischen Gestaltung der Architektur: Die Hauptbauten der Gesamanlage, das Treppenhaus, der Marmorsaal und die Bibliothek werden als Risalite oder Pavillons um den Prälatcnhof gruppiert und somit in bedeutungsvoller und sinnfälliger Weise aufeinander bezogen. Im Gegensatz zu Carlone, der darauf b~dacht war, das Innere der Bauten gut zu organisieren, legte Prandtauer Wert auf eine tiefsinnige und zugleich in die· Augen fallende äußere Disposition. Leider starb Prandtauer noch vor der vollständigen Ausführung seiner Pläne. Erst 1744-1747 wurde die Stiftsanlage durch den Bau der Bibliothek von Gotthard Hayberger vollendet. Dem neuen Baumeister war aber der Kern der prandtauerschen Kunst schon wieder fremd geworden. Ohne Einsicht in das Bauprogramm Prandtauers setzte er den·Bau der Bibliothek durch mächtig aufragende Feuermauern in Konkurrenz zum Saalpavillon, der allein neben der Kirche die Architektur des Stifts beherrschen sollte.
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