Johann Gotthard Hayberger 1695-1764

Abb. 83 Abb. 46, 798r Abb. 4749 Fig. II C Wahrscheinlichkeit nach auf eine Miniatur von Josef Gottfried Prechler aus dem Jahre 1718 zurückgeht, kann gefolgert werden, daß die neue Fassade von Prandtauer in diesem Jahr entworfen wurde. Der neue Fassadenentwurf ist in nahezu jeder Beziehung eine getreue Wiederholung der ungefähr gleichzeitig entstandenen Hoffassade des Saalpavillons der Abtei Garsten. Das Erdgeschoß bildet eine Sockelzone, über der die Wand mit gekuppelten Kolossalpilastern belegt ist. An den Ecken des Risalits werden jedoch die Pilasterpaare »auseinandergebogen«, so daß an den Flanken der Wand nur ein einfacher Pilaster erscheint. Das Sockelgeschoß ist zwischen breiten Putzstreifen, die die Piedestals der gekuppelten Pilaster darstellen sollen, genutet. In der Mittelachse steht das Portal, über dem in beiden Obergeschossen nach altertümlicher, aber von Prandtauer immer geschätzer Art gekuppelte Fenster mit reicher Umrahmung angeordnet sind. Nächste Verwandte dieser Fassadenbildung sind im CEuvre Prandtauers der Mittelrisalit der Ostfront des Stifts Melk von 1718 und die drei Fassaden des ehemaligen Kremsmünstererhofs in Linz, dessen Planung in das Jahr 1719 zurückreicht 1 521 • Es ist aber nicht zu verkennen, daß die Garsten-St. Florianer Fassade von der Wandgliederung des Garstener Stiftshofs abgeleitet ist, die mit ihrem Sockelgeschoß und der Kolossalordnung bereits von Carlo Antonio Carlone vorgebildet war 1522 • Die gekuppelte Ordnung mit den einfachen Pilastern an den Ecken des Risalits geht dagegen über Melk auf den Mittelrisalit des r 71 o von Fischer v. Erlach erbauten Palais Trautson in Wien zurück. Es fällt ein eigenartiges Lid1t auf Prandtauers schöpferischen Fleiß, wenn offenbar wird, daß er den in St. Florian entwickelten Bibliothekspavillon als Saalpavillon nach Garsten verpflanzte und danach die in Garsten entwickelte Fassade zurück nach St. Florian transponierte. Falls nicht Bauherrenwünsche maßgebend waren, muß angenommen werden, daß Prandtauer Fassade und Disposition des Pavillons für eine ideale Lösung hielt, von der er nur ungern abweichen wollte. Die 1718 für den Bibliothekspavillon von St. Florian neu entworfene Fassade gibt Anlaß zu der Vermutung, daß auch im Innern des Baus Veränderungen gegenüber der Planung der Jahre 1716 und 1717 stattfanden. Offenbar wurde das Treppenhaus, gleich dem des heutigen Baus, nur noch bis zum ersten Obergesmoß geplant, so daß der bis dahin vorgesehene offene Bogen, der vordem analog dem des Treppenhauses im Westtrakt das erste und zweite Obergesmoß übersmneiden sollte, nicht mehr möglim war. Diese Vermutung wird bestätigt durch die Grundrisse der Stiftsanlage, die der Geometer Carl Anselm Heiß im Jahre 1751 angefertigt hatte 1523 • Die Grundrisse zeigen den Bibliothekspavillon in allen drei Gesmossen mit erheblichen Abweimungen gegenüber dem 1744-1747 nam Plänen des Baumeisters Gotthard Hayberger errichteten Bau. Der auffälligste Untersmied betrifft das Treppenhaus, das vom Gang des ersten Obergesmosses nicht, wie es dem Bau Haybergers entsprechen würde, durch breite Pfeiler getrennt ist, sondern mit ihm zusammen einen, von einer gemeinsamen Spiegeldecke überwölbten Raum bildet, wie er im zweiten Obergeschoß des Saalpavillons zu Garsten vorgegeben ist. Das Garstener Vorbild wirkt dabei sogar in der Formung des Geländers nach, das den Gang gegen den Treppenschacht absimert. Es ist also völlig zweifelsfrei, daß Heiß ältere Pläne der Gesamtanlage kopierte. Eine andere Beobachtung führt zu weiteren Schlüssen: Der südliche Nebenraum des Bibliothekssaals weist auf dem Plan des ersten Obergeschosses an seiner Südwand eine Wendeltreppe auf, die aber weder im Grundriß des Erdgeschosses, nom in dem

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