Aus dem bürgerlichen Leben vergangener Tage

4 Vvußten zu erzählen von jenen _Zeiten , da die Steyrer Kaufleute mit ihrer Eisenware nach Venedig und nach den süddeutschen Städten zogen, sie berichteten auch von der engen geistigen Verbindung mit dem übrigen Deutschen Reiche in jenen Zeitläuften, als der wohlweise Rat sich bemühte, von der Universität Wittenberg Prediger und Leht'er nach Steyr zu ziehen. Für meinen Lehrberuf habe ich durch die Beschäftigung mit den Ratsprotokollen manches gelernt. Wenn die Vorschrift für dte Abhaltung von Reifeprüfungen an Gymnasien und Realschulen vom Jahre 1908 und der neue Normal- lehrplan vom Jahre 1909 die Berücksichtigung der kulturgeschicht- lichen und wirtschaftlichen Momente im Geschichtsunterrichte aus- drücklich fordern, so liegt hierin eine Anerkennung des bildenden Wertes der Kultur- und vVirtschaftsgeschichte, die auf das freudigste begrüßt werden muß . Denn durch den kulturgeschichtlichen Einschlag erhält der Geschichtsunterricht nicht nur einen modernen Impuls ins Weite, Großzügige, sondern er gewinnt auch mehr als früher die Berührung mit andern vVissensgebieten. Die Berücksichtigung. der Kulturgeschichte bewahrt den Lehrer vor dem Fehler, über einer gehäuften Last von Jahreszahlen, Namen, Feldzügen und Schlachten das ewig Menschliche zu vergessen; sie bewahrt den Schüler vor dem traurigen Geschick, in einer für seinen jugendlichen Geist viel zu schweren Rüstung zu ermatten und sein Interesse für die Geschichte einzubüßen, die ihm doch eine Lehrmeisterin fürs ganze Leben sein soll. Das lebendige Interesse, welches der Schüler dem Lehrgegen- stande entgegenbringt, ist die Vorbedingung für jeden fruchtbringenden erziehenden Unterricht. Im Geschichtsunterrichte schöpft es der Schüler vor allem aus · den warmempfundenen v\-'orten des Lehrers. Der Schüler will die geschichtlichen Ereignisse nicht nur in ihrer ursächlichen Verknüpfung kennen lernen, er will sie auch innerlich miterleben und mitempfinden. Er will in den geschichtlichen Persön- lichkeiten \Vie in seinen Altvorderen Menschen sehen mit Vorzügen und Fehlern; er will sich in ihre Denk- und Handlungsweise ver- setzen und ihre Lebensverhältnisse kennen lernen, um den Vergleich mit der Gegenwart desto anziehender und fesselnder zu finden. Da nun ein großer Teil unserer Schüler dem deutschen Bürgertume entstammt, so ist es leicht erklärlich, daß alles, was ihre Altvorderen betrifft, dem lebhaftesten Interesse der Schüler begegnet. Die im Folgenden angeführten Stellen sind nur einem Drittel der Ratsprotokolle entnommen und stammen im wesentlichen aus der Zeit von 1650 bis 1780. In diesem Zeitraume sind nämlich die ehr- würdigen Folianten besonders redselig und eine wahre Fundgrube für jeden; der auf kulturgeschichtliche Beute ausgeht.

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