Aus dem bürgerlichen Leben vergangener Tage

l 'lllm Juli 1904 wurde ich über Antrag des damaligen hochver- ~ _ dienten Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten von Steyr, Viktor St i g 1er, von dem Gemeinderate mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, zu den Steyrer Ratsprotokollen von 1569 bis 1874 ein Namen- und Sachregister anzulegen, damit sie für die Zwecke der Stadtver- waltung und der Forschung zugänglich gemacht würden . [eh unterzog mich dieser Aufgabe mit Freu.den, weil mir dadurch die seltene Gelegenheit geboten wurde, .di:ei Jahrhunderte deutschen Stadtlebens aus den Quellen selbst kennen zu.lernen. Durch drei Jahre beschäftigte mich diese Arbeit in meinen freien Stunden und die dickleibigen, mit- unter prächtig eingebundenen Bücher mit ihrem gelblichen Papier und ihrer krausen Schrift waren mir bald -liebe Freunde geworden. Über die allgemeinen Ergebnisse meiner Arbeit habe ich im „Steyrer Tagblatt" vom 20. August 1907 berichtet. Wenn ich neben meiner pflichtmäßigen Beschäftigung mit den Ratsprotokollen auch an mich dachte und mir Stellen, die für die Denk- und Handlungsweise unserer Altvorderen bezeichnend sind, herausschrieb, so glaube ich dadurch kein Unrecht begangen zu haben. Es war die gebotene Gelegenheit doch gar zu verlockend. Drei Jahrhunderte reichbewegten städtischen Lebens zogen an meinem geistigen Auge vorüber. Reich bewegt durch l{eforrnation und Gegen- reformation, jene mächtigen religiösen und politischen Strömungen, von denen Steyr so heftig ergriffen wurde wie kaum eine zweite Stadt Deutschösterreichs; reich bewegt durch Krieg, Brände und Pest, jene schrecklichen Prüfungen, in denen man die Zuchtrute Gottes zu erkennen glaubte; reich bewegt aber auch durch das gewerbfleißige Treiben der Bewohner, welche alles Eisenzeug anzufertigen verstanden vom einfachen Bauernmesser bis zum Prunkschwert und vom ge- wöhnlichen Nagel bis zum kunstvollen Harnisch. Die alten Folianten 1*

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