Projektdokumentation "Nationalsozialismus" der HBLA Steyr 1992/93

GESCHICHTLICHES DER STADT ST.VALENTIN ENNS- DONAUWINI(EL Didaktische Schriftenreihe Nr. 1

Projektdokumentation gefördert aus Mitteln des Österreichischen Kulturservice sowie der Stadtgemeinde St.Valentin Verantwortliche Lehrer: Mag. Waltraud Neuhauser-Pfeifer Mag. Dr. Renate Mayrhofer Mag. Beate Rodlbauer Steyr/1993

INHALT: Vorworte der VA HBLA für wirtschaftliche Berufe und des m. Jahrganges der HBLA für Kultur- und Kongreßmanagement, Steyr 2 Vorgeschichte Die 30er-Jahre in St.Valentin/ in Steyr (Erich Hackl) 3 Jugend unterm Hakenkreuz 4 Rechtsradikalismus früher und heute 7 Arbeit und Wirtschaft im Dienste des Nationalsozialismus . 10 Judentum und Judenverfolgung in der NS-Zeit 17 Kultur in der NS-Zeit 20 Kirche und Nationalsozialismus 23 AdolfHitler 26 . 1

Vorworte Diese Broschüre ist das Ergebnis eines dreiwöchi gen Projekt s zum Thema Nationa]soziali s11111 s, das wLr Lm Rahmen des Geschichte-, Deutsch- und Re ligionsunterrichts durchgeführt hahc11 . Wir haben die Erfahrung gemacht, daß viele Menschen der MeLnung sind, dieses Kapite l u11 s ·rn Geschichte wäre schon abgeschlossen und sollte nicht immer wieder aufgewärmt werden. Die jüngsten Ereignisse haben aber gezeigt, daß unsere Gesellschaft noch immer mit dic srn1 Gedankengut zu kämpfen hat. Deshalb haben wir uns in unserer Arbeit auch mit dem TIIL·111a ,,Rechtsradikalismus früher und heute" auseinandergesetzt. Wir hoffen, daß die vorliegende Broschüre zu einem besseren Verstehen dieses Problems i111 Rahmen des Unterrichts beitragen kann, denn wir glauben, daß Geschichte nur dann bcw;i ll i. •I werden kann, wenn man sich ausreichend damit beschäftigt. VA 1992/93 Im Rahmen unseres Freigegenstandes Museumsgestaltung beschäftigten wir uns mit der G ·- schichte von St. Valentin und Umgebung. Bei unseren Arbeiten zur jüngsten Geschichte wurde u11 s bewußt, daß nationalsozialistisches Denken und Handeln nicht auf Großstädte beschrünkl , sondern in ganz Österreich gegenwärtig war. Deshalb gestalteten wir jenen Teil der Broschüre, de r von St. Valentin handelt. Es war unsere Absicht, in Ergänzung zur Photo-CD, Gedrucktes zur Vor- und Nachbereitung rür alle Betrachter zu erarbeiten. Wir freuen uns, wenn es gelungen ist, Ihr Interesse zu wecken. Isabella Kresse Elisabeth Damböck III KM 1992/93 2

Vorgeschichte: Die 30er Jahre St. Valentin Aufgrund der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den frühen 30er Jahren gab es viele Arbeitslose, die bettelnd von Haus zu Haus zogen. SeitdemMärz 1933 mußten Teile der Arbeiterbewegung (Kommunisten) imUntergrund arbeiten. Die Kämpfe zwischen den politischen Lagern führten im Februar J 934 zum Untergang der Demokratie und brachten somit die Auflösung der sozialdemokratischen Partei, deren Mitglieder nun wie die Kommunisten illegal tätig waren. Diese und ehemalige Schutzbundangehörige wurden nun von der „Roten Hilfe" betreut. Sie organisierten den passiven Massenwiderstand zuerst gegen die österreichische, dann gegen die nationalsozialistische Diktatur. Die Verhaftung eines Arbeiters stürzte seine Angehörigen nicht selten ins Elend. Daher beteiligten sich Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern an der Aktion , zuerst mit geringerem Risiko, unter der NSHerrschaft bei Lebensgefahr. Einige St. Valentiner kamen ins Anhaltelager Wöllersdorf oder wurden wegen Verbreitung unerlaubten politischen Propagandamaterials zu Gefängnisstrafen verurteilt. Ln dem Buch „Abschied von Sidonie" von Erich Hackl werden die Aktionen des Schutzbundes und der „Roten Hilfe" mit ihren Auswirkungen beschrieben: „Am ersten Mai war die Ortschaft noch einmal in Fahnenrot getaucht gewesen (... ), tags darauf hatten die Gendarmen Hans aus dem Bett geholt. Beim arbeitslosen Maurer Alois Fuchs, Truppenführer des von Hans kommandierten Schutzbundes, waren sie fündig geworden( ... ). Den Behörden fielen 50 Handgranaten, 15 lnfanteriegewehre, 2 Stutzenkarabiner und 309 Militärpatronen in die Hände. Und die „tief schwarze Steyrer Zeitung" höhnte in ihrer nächstenAusgabe: ,,Das war also keine ergebnislose Suche, verehrte Genossen. Mit Fuchs hatten die Gendarmen auch den Zugführer des Schutzbundes, Sepp Niedermayr und eben Hans Breirather verhaftet(...)" Nachdem Hans zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden war, lief sich Josefa die Füße wund, um die Kinder durchzubringen. Ihre monatlichen Einnahmen beschränkten sich auf30 Schilling, die ihr das Jugendamt für Sidonie zahlte, und zehn Schilling Kindergeld für Manfred. 11 Schilling allein kostete die Miete. Die Rote Hilfe hatte Bons zu 5, 2 und I Schilling herausgebracht, die sie den Frauen von Verhafteten zur Verfügung stellte. Aber kaum jemand kaufte Josefa einen Bon ab, eher bekam sie eine Kleinigkeit zugesteckt. Quelle: f-lal'/.:I, Erich: Abschied von S idonie, Z iirich 1989, S 24125, S. 41 142 3

Jugend unterm Hakenkreuz Erziehung und Schule im Faschismus Jugend unterm Hakenkreuz: Das bedeutete Führung und Verführung durch faschi stisches Gedankengut und die bittere Erfahrung des Krieges. Die Schule wurde zur nationalsozialistischen Erziehungsstätte umfunktioniert, die zwangsweise Erfassung der Jugendlichen in der HitlerJugend sollte siezu überzeugten Nationalsozialistenmachen. Neben Unterordnung undMitläufertum gab es aber auch viele Formen des Widerstandes. Die nationalsozialistische Schulpolitik Der Anschluß an Deutschland und der deutsche Faschismus brachten wesentliche Änderungen für das österreichische Schulwesen. Das gesamte Schulwesen war nun dem Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung in Berlin unterstellt. Privatschulen wurden verstaatlicht, und der Religionsunterricht wurde zum Freigegenstand, den man nicht beurte ilte. Die Anforderungen in den einzelnen Gegenständen waren geringer, diese Maßnahmen zeigen, daß eine Beschränkung der Bildung beabsichtigt war. Neues Bildungsziel der Schule war nicht mehr die „religiös-sittliche Erziehung" sondern die „Formung des nationalsozialisti schen Menschen". Lehrpläne wurden nach faschi sti schen Vorstellungen verände11, im Vordergrund stand die Erziehung der Jugend im nationalsozialistischen Geist, die Schwerpunkte waren Führertum und Gefolgschaft, Treue und Pflichterfüllung, Gehorsam und Kampfbereitschaft. Hitlers Erziehungsstrategie ,, ... Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämme1t werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird .Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein . Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich me ine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen ausbilden lassen. Ich will athletische Jugend. Das ist das Erste und Wichtigste. So merze ich die Tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend. Am liebsten ließe ich sie nur das lernen, was sie ihrem Spieltrieb folgend sich freiwi II ig ,meignen. Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Problemen die Todesfurcht besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend. Aus ihr wächst die Stufe des Freien Menschen, des Gottesmenschen. Ln meinen Ordensburgen wird der schöne, sich selbst gebietende Gottmensch als kultisches Bild stehen, und die Jugend auf die kommende Stufe der männlichen Reife vorbere iten ..." Quelle: v. der Grün , Max: Wie war das eigent lich ? Kindheit und.fugend im Drillen Reich. Darmstadt 198 1. S IÖOf 4

,,Auch Du gehörst dem Führer" Hitlerjugend und Bund deutscher Mädchen Die nationalsoziali sti sche Bewegung in Österre ich ist durch e inen hohen Anteil jugendlicher Anhänger gekennze ichne t. Paro len u. Begriffe wie Volk/Volksgeme inschaft od. Held/Kampf sowie Opfer/freue/rod spra- ~hen die emotionale Stimmung der Jugend an. R.R., e in ehemaliger illegaler Hitle1junge, berichtet übe r diese Ze it : ,,Wir bildeten uns e in , das Volk , insbesondere seine Jugend , umerziehen zu können. Das größte Zie l war jedoch, Österre ich mit De utschland zu ve re inen. Desha lb wurde a lles, was Hitler unternahm und was unserem Nationa lsozialismus entsprach von vo rnhere in kri - tiklos akzeptie11." Quelle: J11ge11d 1111/em, l loke11kre11: - Er: ieh1111g 1111d S!'hule i111 Fusc/1ism11s . Wien 1989. S 34 Frühjahr 1938 Nach dem Einmarsch 1938 ve rsuchte die Hitler- .Jugend , so viele Jugendliche wi e möglich für den Eintritt zu gewinnen. Eine Re ihe von Werbemaßnahmen und-veransta ltungen hatten auch E1fo lg. Ei11fuhrung der ~flichtmitgliedschaft Am 25 . 3. ' 39 wurde schließli ch auch in Öste rre ich di e Mitg liedschaft be ider Hitler-Jugend Pflicht : § 1 Daue r der Dienstpflicht (1 ) (2) De r Dienst in de r Hitler-Jugend ist Ehrendienst am Deutschen Vo lke A lle Jugendli chen vom 10. bi s zum vo ll endeten 18. Lebensjahr sind verpllichte t, in der Hitler-Jugend Dienst zu tun , und zwar: 1. die Jungen im Alte r von 10 bi s 14 Jahren im „Deutschem Jungvolk" (DJ ) 2. die Jungen im Alte r von 14 bi s 18 Jahren in der „Hitler-Jugend" (HJ) 3. die Mädchen im Alter von 10 bi s 14 Jahre im „Jungmäde lbund" (JM) 4. die Mädchen im Alte r von 14 bi s 18 Jahren im „Bund deutsche r Mäde l" (BdM) § 2 Erziehungsgewa lt Alle Jungen und Mädchen de r Hi tler-Jugend unte rstehen e iner öffentlichen Erziehungsgewa lt, nach Maßgahe rle r Restimmungen, die der Führer und Re ichskanzler e rläßt. Zitien /)('i : .l11g,·11d 11111en11 llak,•11 kre11: . a .a .o . S 36 Von große r Bedeutung war die Fo1111 der Erz iehung in HJ und BdM. Militä ri sche G rundmuste r dominierten die Umgangsformen, Befehle und Gehorsam waren übli ch. Spo1t, Wandern , Singen und Mus izieren verwande lten s ich in eine Fre ize itbeschäftigung in der Sozialform des Militä rs. Nicht se lten kam dabe i auch jugendlicher Sadi smus zum Vorsche in. Damit waren die Jugendlichen HJ - und BdM-Anhänger nun „Vertre te r" der Staatsmacht. Diese Stellung war für die Jugend e ine Aufwe rtung der e igenen Person , s ie verlieh ihnen e ine größe re Selbsts icherheit gegenüber den E rwachsenen. 5 Nr. /

Schulwesen während des 2. Weltkrieges Nr . 2 Die städtischen Schulgebäude wurden teilweise für Parteidienststellen oder für andere Kriegszwecke genutzt, sodaß viele Schulhäuser wenig oder keinen Unterricht hielten. Schulen dienten als Quartiere für Soldaten, die sehr verantwortungslos mit den Schuleinrichtungsgegenständen umgingen, sodaß kein ungestörter Unterricht mehr möglich war. Außerdem waren in rund 70 % aller Schulgebäude Stellen für Lebensmittelkarten untergebracht. Im Großteil der Schulen fanden Erste-Hilfe-Kurse, Kurse für technische Nothilfe und für den Sicherheits- und Hilfsdienst statt. Ferner wurden die Schulen für Altmaterialsammlungen genützt, wobei es zu ärgsten hygienischen Mißständen im Schulgebäude kam, da man unter anderem auch Knochen sammelte. Gebäude und Inventarhaltung waren durch den Krieg sehr erschwert, da die meisten Schulwarte im Kampf eingesetzt waren oder keineMittel hatten, die Mängel zu beheben. Im Winter mußten sehr oft die Schulen aufgrund der großen Kälte geschlossen werden, da es kein oder nur wenig Heizmaterial gab und daher kein Unterricht mehr möglich war. Im Schuljahr 1944/45 wurden viele Schulgebäudedurch Bombenangriffe unbrauchbar gemacht. Ab 1945 fand nur mehr stark eingeschränkter Unterricht statt, da das starke Zusammendrängen der Schüler und unzähliger Alarme keinen geregelten Schulbetrieb mehr zuließen. Literatur: / . Hrsg.Achs 0 ., Tesar E.. Jugend u/1/erm Hakenkreuz, Erziehung und Schule im Faschismus (Jugend und Volk. Wien 1988) 2. von der Grün, Max: Wie war das eigentlich ? Kindheit und Jugend im Dritten Reich (Luchterha11d. Darmstadt und Neuwied, 1981) 6

RechtsradikaJismus früher und heute Entstehung und Entwicklung Die Wurzeln des Nationalsozialismus reichen in die Zeit der Romantik zurück. Das deutschnationale Gedankengut wurde vor allem durch die Volksdichtung vermittelt, die weit über die Grenzen hinaus getragen wurde. Somit wurde der vorherrschende Patriotismus durch das immer stärker werdende Nationalgefühl verdrängt. Die Zeit des Nationalismus begann in der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. Die Renaissance des Nationalismus blühte nach dem 2. Weltkrieg langsam wieder auf und hat eine Weiterentwicklung bis zur heutigen Zeit erfahren. Der Anschluß 1938 Die Weltwirtschaftskrise wurde in Amerika durch den Börsenkrach 1929 ausgelöst. Diese Krise führte zu großen Wirtschaftsproblemen in ganz Europa, insbesondere in Deutschland und Österreich. Doch durch den Anschluß Deutschlands an Österreich l 938 änderte sich dieWirtschaftssituation sehr rasch. Der deutsche Reichskanzler AdolfHitler marschierte mit seinen NS-Truppen in Österreich ein, wobei er von der österreichischen Bevölkerung mit .Tuhel empfangen wurde. Grund dafür war, daß sich die Wirtschaft in Deutschland schon langsam wieder erholte, in Österreich aber keine positive wirtschaftliche Entwicklung in Aussicht war. Durch den Anschluß hofften viele Österreicher nun Arbeit durch Hitler vermittelt zu bekommen. Die wirtschaftliche Lage in Österreich verbesserte sich sehr rasch, da Hitler seine Versprechungen wahrmachte und den Österreichern durch seine Rüstungspolitik ihren sicheren Arbeitsplatz schuf. Hitlers Ziel in dieser Zeit war, ein reinrassiges deutsches Volk zu erhalten. Damit bezweckte er, alle sozialen Minderheiten - vor allem Juden, Zigeuner, Behinderte, Prostituierte und Homosexuelle zu eliminieren oder in KZ 's zu deportieren. Diese galten nämlich als schmutzige, arbeitsscheue Schmarotzer, die der Wirtschaft nur schaden konnten. Diese Ideologie wird heute in ganz Europa, besonders in Deutschland, Frankreich und Österreich von der rechtsradikalen Szene vertreten. Zu den Rechtsradikalen zählt man vor allem Skinheads, Hooligans, Faschos u.a. Hier sind drei Gruppen zu unterscheiden: l. Jugendliche, die in einer Gruppe fest organisiert sind, z.B. Hitler-Jugend 2. Jugendliche, die mit rechts-extremen Ideen sympatisieren oder so denken 3. Jugendliche, die gelegentlich bei Aktivitäten mitmachen Nun stellen wir uns die Frage, aus welchen sozialen Schichten diese Jugendlichen eigentlich kommen und warum sie gerade diesen rechtsorientierten Organisationen beitreten? Diese Jugendlichen kommen vor allem aus tristen sozialen Familienverhältnissen. Gründe dafür sind: viele Jugendliche haben keinen Schulabschluß, dadurch wird ihnen die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu bekommen, erschwert. Oftmals haben sie auch keinen familiären Rückhalt. Sie fühlen sich dem harten Konkurrenzkampf der „Erwachsenen" nicht gewachsen und fühlen sich daher zu Gruppen hingezogen , die ihnen vormachen, ein gutes Zuhause sowie Kameradschaft und Verständnis für ihre Probleme zu bieten. Rechtsextreme nützen dabei die Bedürfnisse und Probleme dieser Jugendlichen schamlos aus. Sie versuchen, an vielen O1ten fürs ich zu werben: vor allem aufder Straße, im Fußballstadion und auch in zwielichtigen Lokalen. Werbung für Rechtsextremismus (Auszug aus dem Werbeblatt der ,,Wiking-Jugend"): 7

Rechtsradikalismus früher und heute Weiser Polizisten stellten in einem Gasthaus sowie bei Hausdruchsuchungen um- - fangreiches Propagandamaterial und Waffen sicher. Gegen wieviele der nun zerschlagenen rechtsextremen Gruppe Anzeige wegen Wiederbetätigung erstattet werden wird, war gestern noch unklar. 15 köpfige Gruppe in Weiser Gastlokal bei der Gründungsversammlung verhaftet: Polizei stoppte Neo-Nozi-Treflen G~nau yier ,Wochen, nachextremisten und Sympathisanten Treffen bekommen. Einschlägig chergestellt. Bei Hausdruchsudem mWien eme rechtsextre- um sich, die sich aus Präsenzdie- bekannte aus der rechtsextremen chungen in Linz, Wels und Thalme Wehrsport~ruppe zersc~l~- nern, Arbeitern, Beschäftigungslo- Szene wurden observiert - um heim fanden Polizisten weitere gen "':orden war! hoben Pohz!- sen und Studenten im Alter zwi- 20.30 Uhr stürmten dann Polizi- Nazi-Schriften, Plaketten mit ausSlen m Wels em~ Neo-Nazi- sehen 14 und 26 Jahren zusam- __________ länderfeindlichen Sprüchen und Gruppe a~s: '?1e . Beam!en mensetzte. Samstagabend traf sich VON JOHANN HAGINGER ein verbotenes Springmesser. platzten mitten m ~ie "Grun- die Gruppe in dem Lokal zur ---------- Ein Großteil der Gruppe wurde dungsve~ammlung und nah- "Gründungsversammlung", bei sten das Gasthaus. In einem Ne- nach den Einvernahmen bereits rne~ dr_eizebn Burschen und der Funktionen vergeben und Ak- benraum wurden die .völlig über- wieder auf freien Fuß gesetzt. zwei ~adchen feSI. Neben um- tivitäten geplant werden sollten. raschten Neo-Nazis gestellt. Neben Sonntag nachmittag waren nur fan_greichem Propaga~da-Ma- Im Zuge von Erhebungen hatte Aufklebern und Propagandamate- noch drei Rechtsextremisten in l~nal wurden. auch ~me Gas- aber die Polizei Wind von dem rial wurde auch eine Gaspistole si- Haft. Der Weiser Kripo-Chef Dr. P)Sfole und em Sprmgmesser Karl Schweiger: ,,Wir konnten des1chergestellt. Mit solchen ...------------:,==~ ren Aktivitäten im Keim erKopf der Neo-Nazi-Gruppe ist ,-ausländer- r::::;..:::---..Js:: sticken." ein 2ljähriger Mechaniker aus feindlichen Linz, der bereits wegen einschlägi- Plaketten trager Aktivitäten bekannt war. Er fen sich dreiversammelte im Weiser Gasthaus zehn ßur- „Goldene Kugel" weitere Rechts- sehen und K'~Ot,)E~J zwei Mädchen beider c.E.ITJt-)1...1 1ft .OL .q<... ,,Gründungsversammlung". Anfühirer der Rechtsextreinisten war . ein 21jähriger Mechaniker aus Linz, der wegen einschläfiger Aktivitaten bereits amcsbekannt Ist. Nr .3 ,,Komm zu uns! In die größte volkstreue Jugendbewegung Europas! Sagt dem Alltagsmief und den Suchtmitteln Lebewohl!" Folgende Voraussetzungen zur Teilnahme an diesen Organisationen sind (Auszug aus der Nationalistischen Front): ,,absoluter Wille zur Leistung, restlose Anerkennung der Lagerleitung, körperliche Gesundheit, sowie Leistungsfähigkeit, allerhöchste Disziplin" 8

Rechtsradikalismus früher und heute Aktionen Viele Anhänger des rechtsradikalen Gedankengutes „beschränken" sich auf die Verteilung von Flugblättern (z.B. ,,Bewußte Völkervermischung ist Mord") oder auf das Beschmieren von Hauswänden (Hakenkreuz, Sprüche). Das sind nur „kleine" Aktionen, aber was ere ignete sich im Herbst 1992 in Rostock? Eine geplante Aktion rechtsradikaler Gruppen führte dazu, daß e in Asy lantenheim, welches hauptsächlich von Vietnamesen bewohnt wurde, in der Nacht in Brand gesetzt wurde. Dies war aber nur der Anfang einer organisierten „Ausländer-raus-Aktion", denn in der 2. Nacht wurde nochmal s e in Anschlag auf das Heim verübt. Eine weitere rechtsradikale Aktion , die sich ebenfall s in Deutschland ereignete, endete für 2 türkische Mädchen tödlich . Brandanschlag - Flucht nicht mehr möglich. Diese rechtsextremen Jugendlichen suchen Sündenböcke, die sie vor allem in Asylanten, Gastarbe itern und Ausländern finden. La,ge in Steyr 26. Oktober 1989: Rechtsradikale Jugendliche organisie,ten einen Aufmarsch . In Braunhemden unifonniert und mit Flugzetteln iri der Hand, schritten s ie in der Enge auf und ab. Warum war es bloß der 26. Oktober? Da es für diese Menschen ke ine österreichische Nation gibt, ste llt dieser Tag e ine Provokation dar. November 1989: Skins besprühten eine neu errichtete Gedenktafel des jüdischen Friedhofs mit Hakenkreuzen. [n derselben Nacht wurde auch die vermeintliche Steyrer Synagoge beschmiert. Seit diesen Aktionen wird auch in der Eisenstadt Steyr das Thema des Rechtsradikali smus ernste r genommen. Eine Umfrage in der Steyrer Zeitung am 27. 2. 92 über die Problematik der Neonaz is: Eine Gefahr in Steyr? Stellungnahme e ines 34jähri gen Steyrers: ,, Ich g laube nicht, daß es in Steyr e ine rechtsradikale politi sche Macht gibt. Vie lmehr me ine ich, sind Jugendliche nicht genug gebildet, wenn sie s ich als Rechtsradikal e bezeichnen." Gegenmeinung: ,,Se it Monaten sieht man mehr und mehr Schmieraktionen. Es ist traurig, mitansehen zu müssen, wie sich bere its Kinde r mitre ißen lassen. Doch s ind wir Erwachsenen schuld , weil wir zu wenig Information weitergeben." Resümee Das Problem des Rechtsradika li smus liegt nun darin, daß viele Aktionen, die negat ive Auswirkung haben, auf Ausländer zurückgeführt werden, man einfach „S ündenböcke" sucht. Nun ste ll en wir uns die Frage: Kann man nun e indeuti g sagen, daß NUR Rechtsradikale solche Gedanken haben, ist es denn nicht so, daß sich viele von uns über Ausländer den Kopf zerbrechen, wenn s ie sich existenz ie ll bedroht fühlen. Quf-'lle: ßrnschiirc .. / 1~f(,n1wl io11 : 11111 Rec/1t .\·e.rtrc111 i.,·11111s" Ref erat : .. Neo,,a: ismus " Schr6c/er . B11rklwrcl: Rech!e Kerle . Rei11/Jd. / 992 9

Arbeit undWirtschaft im Dienste des Nationalsozialismus Arbeitsplätze für den Krieg Der drastische Rückgang der Arbeitslosigkeit in Österreich nach dem Anschluß 1938 läßt sich nicht auf öffentliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zurückführen. Es wurden Kasernen errichtet, Rüstungsbetriebe und die Reichsautobahn gebaut. Diese rasche Inszenierung der Arbeitsbeschaffung motivierte viele Menschen, dem Nationalsozialismus zu folgen. Die Umstellung auf die totale Kriegsproduktion erfolgte jedoch erst 1942/43, als sich militärische Mißerfolge einstellten. Es wurden die KZ-Häftlinge und Gefangene ebenso in den Rüstungsbetrieben eingesetzt wie junge Mädchen und Frauen. In einigen Aussagen kann man die Stimmung der damals betroffenen Menschen gut erkennen: „Natürlich hat man nach dem Einmarsch eine Besserung gespürt. Alle Bauern glaubten an die Versprechungen Hitlers. Auf einen Schlag waren die Schulden weg. Jeder schrie nur mehr ,Heil Hitler'." „Die Leute hatten wieder Arbeit. Die meisten jedoch mußten einrücken, doch niemand hat es wirklich etwas ausgemacht. 1938 waren eigentlich alle zufrieden, den Bauern und den Arbeitern ging es wesentlich besser." ,,Als man sah, daß man Arbeit bekam, gingen plötzlich sehr viele zu dieser Partei." „Wir waren nicht so begeistett. Wir hatten Angst, weil sie so gegen die Kirche waren. Am Land hatten wir keine Besserung gespürt." „Hitler wurde der Befreier Österreichs genannt. Aber wovon er Österreich befreit hat, das weiß ich heute noch nicht. Hinter vorgehaltener Hand sagten die Leute: ,Hitler ist der Befreier von Butter und Eier' ." Zitiert bei: Die zwei Wahrheiten. Eine Dokumentation von Projekten an Schulen zur Ze itgeschichte im Jahr 1988 . LöckerVerlag Wien /989, 180!) Nach dem Anschluß 1938 fand man für die halbe Million österreichischer Arbeitsloser Beschäftigung in der Rüstungsindustrie und in der Wehrmacht. Gleichzeitig ging der gesamte Besitz Österreichs an Deutschland über. Zahlreiche Unternehmen gingen durch politischen Druck in deutsche Hände über. Österreich wurde von den NS-Machthabern schon vor dem Anschluß als wirtschaftlicher Ergänzungsraum für das deutsche Reich in die Aufrüstungspläne einbezogen. An Österreich interessierten vor allem die Bodenschätze, der Holzreichtum, die unausgenützten Reserven der Wasserkraft, aber auch das Heer der Arbeitlosen, die brachliegenden Industriekapazitäten, die Banken und nicht zuletzt die Gold- und Devisenreserven der Österreichischen Nationalbank. Das Märchen von „Arbeit, Brot und Wohnung für alle" am Beispiel Steyr Uer Ausbau der Städte Steyr und St.Valentin stand in enger Verbindung mit der Aufrüstung des Dritten Reiches und den Vorbereitungen eines bevorstehenden Krieges. Der Nationalsozialismus stellte sich als Retter der Arbeiter und Beseitiger des Arbeiterelends dar. In Steyr arbeiteten 1938 9.390 Arbeitskräfte vorwiegend für die Rüstung. Die Zahl sollte sich bis Kriegsende verdreifachen. Ende 1941 erreichte die Stadt bereits die 50.000 Einwohner-Grenze. Um Wohnungen für die Arbeiter zu schaffen, entschlossen sich die Steyr-Werke zum Bau der Großsiedlung Münichholz, in St. Valentin zur Errichtung der Siedlungen Langenhart und Herzograd. Von allen Himmelsrichtungen des Großdeutschen Reiches strömten nun Menschen nach Steyr und fanden hier eine neue Arbeitsstätte. Die Beschaffung der Arbeitsplätze und die Errichtung 10

Arbeit undWirtschaft im Dienste des Nationalsozialismus neuer Wohnungen hatten jedoch nur kriegswirtschaftliche Ziele. Durch diese Politik sollten schließlich Millionen Menschen in den Tod getrieben werden. Ein Be ispiel dazu ist das Konzentrations- und Arbeits lager in Steyr-Münichhol z. Es wurde am 14. 3. 1942 errichtet und war das älteste Te illager Mauthausens. Zum Großtei l waren russ ische, jugoslawi sche und polni sche Häftlinge sowie französische und spani sche Frei he itskämpfer inhaftie rt. Di ese wurden in der Produktion von Maschinengewehren, Flugzeugmotoren, Lastkraftwagen sowie im Kuge l- und Wäl zlager eingesetzt. Im Krematorium von Steyr wurden in der Zeit von 1938- 1945 insgesamt 4595 Leichen e ingeäsche1t. Lite ral11r : I . Broschiire: Zum Gedenken ( III die NS-Diktatur in Sr eyr / 938 - 1988 (Sr eyr 1988 ) 2. Die : wei Wa/1rl,eilen. Ein Dok11menlation l'O II Pm jl'klen a11 Scl,11/cn : 11r Zl'itgesc/1icl//e i111 ./al,r / 988 (Liicker \/erlag. Wien /989 ) Epilog: Was bleibt, ist Schutt und Asche Am 19 . 3. 1993 wurde die letzte Baracke des KZ-Nebenl agers Steyr-Münichholz, die ehemali ge Lagerkantine, mutwillig zerstö1t. Der Besitzer, ei n Malenne ister, ließ das Gebäude abreißen , obwohl er keine Genehmigung dazu hatte. Dem Unternehmer droht ei ne Strafe bis zu S 300.000,- Wirrschajiliche und politische Gründe werden für diesen pl6rzlichen Ahriß vermutet. Das ,, Komiree Mauthausen Aktiv Sreyr " plante. die Baracke zu erhalten und darin eine „zeirgeschichrliche Werksrätre" (Dokumentations- u. Schulungszen frumfür Schulen und Erwachsenenhildung) einzurichten. Auch das Denkmalaml war eingeschalfef worden. Leider wußten viel zu wenige Steyrer von der lrauigen Bedeutung und Geschichre dieses Lagers . Dieser Skandal fand breites Medienecho und wurde überall verurleill . (Sreyrcr Ze i11111g N, ·. 12"I 25. 3. IIJIJ3 , S. 3) 11 Nr . 4

Rüstungskonjunktur undKriegsgreuel St.Valentins Weg zur Industriestadt 11. März 1938 Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich 10. April 1938 Volksabstimmung über den Anschluß bis Frühjahr 1939 wirtschaftliche „Verdauung" Österreichs (Hitler) Planung der Rüstungszentrale Linz - St.Valentin - Steyr - Wels 1. Sept. 1939 Beginn des Zweiten Weltkrieges (Blitzkriege mit massivem Panzereinsatz) Winter 1939/40 Abschluß der Planungen für das größte Panzermontagewerk des Deutschen Reiches, des Nibelungenwerkes im Herzograderwald bei St. Valentin. KnowHow kam von der Berliner Panzerfinna Alkett, dafür veranschlagte Kosten: 65 Mio. Reichsmark, Baubeginn im März 1940 Herbst 1940 1939/40 1940/41 1. Halbj. 1942 alle Abteilungen des Werkes übersiedeln von Steyr Planung und Bau der Wohnsiedlung Herzograd Baubeginn zur Großsiedlung Langenhart, Baubeginn IStadt St.Valentin" Anlaufen der Serienfertigung von Panzer TV (Rückgrat der Panzerwaffe). Panzer IV war während des ganzen Krieges im Einsatz, wurde im Ni-Werk bis zum letzten Tag des Krieges gebaut. Insgesamt 4.350 Stück (das entspricht mehr als der Hälfte der im Deutschen Reich produzierten). Gewicht: 24.000 kg; Rohstoffbedarf/Fahrzeug: 39.000 kg Eisen, 200 kg Kupfer, Blech, Blei, Aluminium, Zink; Panzerung max. 80 mm; Besatzung: 5 Mann; Geschwindigkeit: 40 km/h; 300 PS bei 3000 U/min. Winter 1942/43 Desaster von Stalingrad April-Juni 1943 Vorbereitung zur Offensive von KURSK 31. März 1943 4. April 1943 15. April 1943 12 Besuche höchster Politiker und Militärs wegen des Panzersonderprogramms in St.Valentin. 90 Porsche „TIGER I" sollten bis 12. Mai 1943 als Sturmgeschütz „Ferdinand" in einer Sonderaktion im Nibelungenwerk gebaut werden. Schwierigkeiten mit der Antriebsart mobilisierten die höchsten Stellen des Reiches: Besuch von Rüstungsminister Speer im Nibelungenwerk Besuch Hitlers in Begleitung von Speer und General Guderian Besuch von Reichsmarschall Göring Bis Mai 1943 wurden 86 Sturmgeschütze, mit der stärksten Panzerung der ganzen Panzertruppe, geliefert. Insgesamt wurden im Nibelungenwerk 100 Stück montiert.

1943 17. Okt. 1944 Herbst 1944 Rüstungskonjunktur undKriegsgreuel Die letzten 2 „Ferdinande" fuhren bei der Siegerparade 1945 über den Roten Platz in Moskau, nachdem sie eigens dafür wieder repariert worden waren. Produktionsziel von 150 Panzern/Monat mit 4.800 Arbeitern fast erreicht. Einsatz von Arbeitern aus dem KZ Mauthausen Luftangriffe auf Verkehrsziele und Ortsgebiete, Ni-Werk schwer getroffen Gestapo-Aktion gegen eine Widerstandsgruppe im Ni-Werk. Anna Strasser aus St.Valentin ließ sich auf die Verbindung mit einer aus Ausländern bestehenden Widerstandsgruppe des Ni-Werkes ein und übernahm sogar eine Listenführung, obwohl sie stets darauf hingewiesen worden war, daß eine weitere Werbung von Mitgliedern nur ohne Liste erfolgen müßte, um von der Gestapo nicht ertappt werden zu können. Sie wurde mit der ganzen Gruppe kurz vorWeihnachten 1944 von der Gestapo ausgehoben, verhaftet und ins Kreisgericht St. Pölten gebracht. Das Konzentrationslager St. Valentin Die Gründung des Nebenlagers zum KZ Mauthausen in St.Valentin war auf den Arbeitskräftemangel in der Bauwirtschaft und in der Rüstungsindustrie zurückzuführen. Das KZ bestand aus einem Verwaltungsgebäude und ca. 10 Baracken, in denen 800 - 1500 Häftlinge untergebracht waren. Es waren Facharbeiter aus Polen und anderen Ländern, es waren auch einige hundert Juden darunter und viele Bayern. Farbmarkierungen und Buchstaben an der Kleidung machten die Unterschiede in der KZ-Hierarchie deutlich. Besonders grausam waren die Capos, Kriminelle, denen die Aufsicht über ihre Mithäftlinge übertragen wurde. Die SS-Bewachungsmannschaft brachte die Häftlinge zurTag- und Nachtschicht in die Hallen des Ni-Werks, die ausschließlich von SS-Leuten bewacht wurden. KZ-Häftlinge kamen nach e inem längeren Aufenthalt in Mauthausen in das Nebenlager. Je nach Qualifikation erwartete sie dort eine unterschiedliche Behandlung. Das Leben der Leute, die beim Stollen- und Bunkerbau im Werk sowie bei der Errichtung des Viehdorfer Stollens eingesetzt waren, galt wenig. Das Sterbebuch nennt besonders bei jungen Menschen aus Osteuropa ,,Herzschwäche" , ,,Lungenentzündung", ,,Hitzschlag", ,,Erschöpfung" als Todesursache. Besonders grausam verfuhr der Werksschutz mit KZlern. Manche wurden erschlagen, auf andere hetzte Sicherheitschef Beck seine Bluthunde. Widerstand gegen das, was ihm angetan wurde, konnte kaum jemand leisten. Dennoch gab es Versuche von Sabotage. Flüchtende Häftlinge wurden entweder gleich erschossen und verschan1, oder gefangen und erhängt. 13

Rüstungskonjunktur undKriegsgreuel Amerikanische Aufklärungsflieger, die das Gebiet um St.Valentin erkundet hatten, lieferten folgenden Bericht: Eine Beschreibung des Konzentrationslagers, das gerade entstand: UNITED STATES ARMY AIR FORCE U. S. Bombing Research Mission Economics Branch - APO 413 12. Okt. 1944 MANUAL OF ECONOMIC INVESTIGATION FOR THE NIBELUNGEN TANK WERKE ST.VALENTIN, AUSTRIA In the middle ofthe wood N. ofthe Labor camp is a nearly restangular excavation. lts purpose is not clear, but it may be destinated to receive thefoundations ofa building. In der Mitte des Waldes nördlich des Arbeitslagers ist eine fast rechteckige Ausgrabung. Ihr Zweck ist nicht eindeutig, aber sie könnte für die Fundamente eines Gebäudes gestimmt gewesen sein. lntelligence indicates that Labor conditions were most unusual within the plant. Workers were chiefly P!W' s or imported laborfrom various parts ofEurope under German control. Supervision over them was consequently strict, they were allowedfewprivileges and were probably underpaid as weil as unde1fed. Considering these factors, did the bombing attac (or attacks) affect the ejficiency of this typ of Labor more than it would have been affected had the plant personnel consisted ofGermans or Austrians working under more regular andfavorable conditions? ,,IntelJigence" weist darauf hin, daß die Arbeitsbedingungen innerhalb des Werkes sehr ungewöhnlich waren. Die Arbeiter waren hauptsächlich P/W' s oder importierte Arbeiter aus verschiedenen Teilen Europas unter deutscher Kontrolle. Die Aufsicht über sie war logischerweise streng, man genehmigte ihnen nur wenige Vergünstigungen und sie wurden möglicherweise unterbezahlt und waren auch unterernährt. Wenn man diese Faktoren betrachtet, stellt sich die Frage, ob der Bombenangriff (oder Angriffe) den Wirkungsgrad dieser Art Arbeit mehr beeinflußte als sie beeinflußt gewesen wäre, hätte das Personal des Werkes aus Deutschen und Österreichern bestanden, die unter geregelten und angenehmeren Bedingungen gearbeitet hätten. Quelle: Natio11al Archive, Washington Als sich die Luftangriffe 1944/45 häuften, wurden Teile der Produktion des Ni-Werks verlagert. Dafür standen drei bombensichere Stollen zur Verfügung, die dem KZ Mauthausen unterstanden, einer in Gusen, der zweite in Ebensee, der dritte in Melk. Eine weitere unterirdische Produktionsstätte befand sich in Redl-Zipf. Dorthin wurden mit den Maschinen auch die KZler gebracht, die bereits auf ihnen eingearbeitet waren, sodaß sich im KZ St.Valentin nur noch wenige Insassen zu Kriegsende befanden. Diese wurden vor der Auflassung des KZ Mauthausen dorthin gebracht. 14

Rüstungskonjunktur undKriegsgreuel Kriegsende und Neubeginn 5. Mai 1945 6. Mai 1945 SS übernimmt das Ni-Werk Alois Traunmüller und Hilfsgendarm Schedl verhandeln in Ernsthofen mit den Amerikanern 7. Mai 1945 Eintreffen amerikanischer Truppen in St.Valentin 8. Mai 1945 Ankunft russischer Besatzung. Morde, Plünderungen, Delogierungen, Flüchtlingselend, große Kindersterblichkeit 1945 Panzermontage für die Russen, dann Demontage von Maschinen. Ing. Reimspieß produziert anschließend mit ca. 1000 Arbeitern und den verbliebenen Maschinen verschiedene Güter Winter 1945/46 Übernahme des Ni-Werkes durch die USIA (russisch für „Verwaltungsstelle des sowjetischen Eigentums in Österreich"). Die Gemeinde St.Valentin muß die Versorgung tausender Flüchtlinge bewerkstelligen, Probleme durch Besatzung. 1950 15. Mai 1955 Demontage von Hallenteilen des Ni-Werks Unterzeichnungdes Staatsvertrages. DieFabrik ging nach derUnterzeichnung des Staatsvertrages für Waren im Wert von 150Mio. Dollar in den Besitz der Republik Österreich über. Die ehemalige Panzerfabrik kommt an die STEYR-DAIMLER-PUCH AG. Aus dem Rüstungsbetrieb wird eine der wirtschaftlichen Grundlagen, die den St.Valentinern diesmal das Überleben in ihrem neuen Staat sichert. Hergestellt wurden damals Blechbaracken, Teile von Eisenbahnwaggons und verschiedene andere Güter. 15

, ,Fremdarbeiter'' Hitler hatte in „Mein Kampf" erklärt: „Ohne diese Möglichkeit der Verwendung niederer Menschen hätte der Arier niemals die ersten Schritte zu seiner späteren Kultur zu machen vermocht ..." Schon Anfang 1930 wurden in Österreich die Arbeitskräfte knapp. Mit dem Ausbruch der Krieges im September 1939 und dem Ausbau der Rüstungsindustrie mußte man weitere Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben. Rumänien, Ungarn, Polen, Slowaken und Italiener wurden in Wohnbaracken rund um die Produktionsstätten untergebracht. (Bauarbeitslager Langenhart, Arbeitslager Herzograd) Im allgemeinen unterscheidet man bei den 1939 - 1945 in Österreich eingesetzten Arbeitern: Freie ausländische Arbeitnehmer, angeworbene ausländische Arbeitnehmer, freiwillig sich meldende oder zwangsrekrutierte Zivilarbeiter aus den besetzten Gebieten, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und italienische Militärinternierte - das waren italienische Soldaten, die sich 1943 als nicht loyal erwiesen - ungarische jüdische Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge. Die Häftlinge wurden von der SS an die jeweiligen Firmen „verliehen", die dafür Beträge zu entrichten hatten. Zahl der Fremdarbeiter im östeff Raum während der Jahre 1939 -1945: Gesamtbeschäftigte davon Ausländer Kriegsgefangene der Industrie (Frauen) 31.5 . 1939 535.959 5.222 ( 1.014) 31.5.1940 527.061 13.372 ( 1.470) 5.513 31.5.1941 553.442 34.546 ( 4.558) 20.904 31.5.1942 579.424 58.144 (l 1.944) 27.724 31.5.1943 673.729 130.260 (36.860) 37.983 31.5 . 1944 735.022 205.851 (43.549) 54.704 Hilfskräfte für die Landwirtschaft kamen aus dem Protektorat Böhmen und Mähren und aus Polen. Vor allem sollte jede zwischenmenschliche Beziehung mit den Einheimischen unterbunden werden. Es wurde den polnischen Zivilarbeitern ein nächtliches Ausgehverbot auferlegt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne polizeiliche Genehmigung verboten, der Besuch kulturelJer, kirchlicher und geselliger Veranstaltungen wie auch das Aufsuchen von Gaststätten untersagt. Weitere erniedrigende Anordnungen folgten bald. Sie wurden verpflichtet, das Kennzeichen „P" auf der linken Brustseite offen zu tragen. Im Verlauf der Zeit wurden ihnen auch die Benützung von öffentlichen Fernsprechern, der Besuch von Kinos, Schwimmbädern, Sportplätzen und Kirtagen verboten. Das Aufsuchen von F1iseuren war unerwünscht, weil die Polen „zu schmutzig und verlaust" seien. Quelle: Schausberger Norberl . Riislung in Öslerreich, Wien 1970 16

Judentum - Judenve,folgung in der NS-Zeit 1. Einleitung - Beginn des Antisemitismus Das jüdisch-religiöse Volkstum hat seine Wurzeln ca. 4000 v. Chr. Wie man im alten Testament nachlesen kann, ist die Geschichte der Juden sehr bewegt. Sie mußten von Anfang an um ihren Glauben kämpfen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil sie als erste an einem Eingottglauben festhielten . Auch der Antisemitismus hat seinen Ursprung keineswegs erst in der NS-Zeit. Bereits mit antiken Völkern, wie z. B. den Babyloniem und den Römern begannen die Konflikte. Durch die Diaspora (70 v. Chr.) wurden die Juden in die ganze Welt zerstreut und kamen u. a. auch in den christlichen Kulturraum. Papst lnnozenz ( 1198 - 1216) setzte schließlich das erste Zeichen der kirchlichen Judenfeindlichkeit , indem er eine besondere Tracht anfertigen ließ, darunter auch den Davidstern, den später auch Hitler verwendete. Einer der Gründe für den Judenhaß war der Vorwurf, daß die Juden den Erlöser Jesus Christus umgebracht hätten. Außerdem waren sie im Mittelalter als einzige zum Geldhandel berechtigt (kanonisches Gesetz) und wurden somit teilweise zu wohlhabenden Bürgern. Vor und besonders nach dem 1. Weltkrieg kam es wieder verstärkt zu antisemitischen Tendenzen, die in der Ideologie des Adolf Hitler gipfelten. 2. Judenve,folgung in der NS-Zeit Adolf Hitler plante die systematische Ausrottung der Juden und anderer unerwünschter Volksgruppen, wie z.B. Sintis und Roma, vom Beginn seines politischen Strebens an. Er machte sich dabei den schon bestehenden Judenhaß der Bevölkerung zunutze und stützte sich bei seinem Vorgehen auf verschiedene Rassentheorien: - Rassen werden als kulturell höherstehend bzw. minderwertig beschrieben. - Rassenmischung zerstört die Kultur und die Lebensfähigkeit des Volkes - Die Erbgesundheit des Volkes ist von genetischem Verfall bedroht. Die Nationalsozialisten glaubten demnach, als arische Rasse zur Herrschaft über andere bestimmt zu sein. Schon den Kindern wurden in der Schule die Grundsätze der Rassenlehre eingebläut. Es gab dafür unterstützende Broschüren für den Unterricht, die den Lehrer zur „richtigen" Erklärung der Judenfrage anleiten sollten. Ein erster Schritt gegen die Juden wurde am 1. 4. 1933 gesetzt. Das Deutsche Reich rief zum 17 Nr. 5

Judentum -Judenverfolgung in der NS-Zeit Nr. 6 Boykott gegen jüdische Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien auf. Menschen, die sich nicht an diese Verordnungen hielten, wurden öffentlich angepöbelt und oft sogar in Zeitungen veröffentlicht. Viele Juden wanderten daraufhin aus, darunter auch viele Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, wie z. B. Sigmund Freud oder Robert Musil. Kurz darauf wurden alle Juden aus den öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Zu dieser Zeit lebten ca. noch 500 000 Juden in Deutschland. 1935 wurden die Nürnberger Gesetze am Reichsparteitag beschlossen, die den Juden alle Bürgerrechte aberkannten und ihnen den Besuch öffentlicher Veranstaltungen und Einrichtungen untersagten. Außerdem wurden die Eheschließungen zwischen Ariern und Juden verboten und bereits bestehendeEhen für nichtig erklärt. Noch gab es aber für jüdischeFamilien die Gelegenheit, unter Verzicht auf ihr Vermögen auszureisen. Der nächste Schlag gegen die Juden war die „Reichskristallnacht" am 9. 11. 1938. Die Nationalsozialisten planten bei dieser Aktion die Festnahme von etwa 20 000 - 30 000 Juden, vor allem der wohlhabenden Oberschicht. Die ,,Reichskristallnacht" kostete 91 Juden das Leben, 29 Warenhäuser, 171 Wohnhäuser und 7500 Geschäfte wurden zerstört, 191 Synagogen gingen in Flammen auf. Die in dieser Nacht verhafteten Juden konnten sich aber durch ein hohes Bußgeld freikaufen. Damals lebten noch 234.000Juden in Deutschland, das waren etwa 50 % derjüdisch-deutschenBürger von 1933, dazu kamen noch rund 70.000 Juden in Österreich, die noch rechtzeitig hatten flüchten können . Ab September 1941 wurde das Tragen des Davidsterns für alle Juden verpflichtend eingeführt. Bei der Wannsee-Konferenz beschlossen die Nationalsozialisten 1942 die „Endlösung" der Judenfrage. Zu diesem Zeitpunkt existie1ten im Deutschen Reich bereits zahlreiche Konzentrationslager unter der Führung der SS , wie z. B. Dachau, Auschwitz und Mauthausen. Von den Nationalsozialisten wurden die KZ lediglich als „Verwahrungs- und Erziehungslager" bezeichnet. Hier sollten Häftlinge zu „brauchbaren Volksgenossen" erzogen werden. Die Realität sah aber anders aus. Die Juden wurden systematisch in Vergasungslagern vernichtet und anschließend verbrannt. ,, ... Der Vernichtungsvorgang verlief in Ausschwitz wie folgt: Die zur Vernichtung bestimmten Juden wurden möglichst ruhig- Männer und Frauen - zu den Krematorien geführt. Im Auskleideraum wurde ihnen durch die dort beschäftigten Häftlinge des Sonderkommandos in ihrer Sprache gesagt, daß sie hierher nun zum Baden und zur Entlausung kämen ... 18

Judentum - Judenve,jolgung in der NS-Zeit Durch das Beobachtungsloch in der Tür konnte man sehen, daß die dem Einwurfschacht am nächsten Stehenden sofort tot umfielen. Man kann sagen, daß ungefähr ein Drittel sofort tot war. Die anderen fingen an zu taumeln, zu schreien und nach Luft zu ringen. Das Schreien ging aber bald in Röcheln über, und in wenigen Minuten lagen alle. ... Den Leichen wurden nun durch das Sonderkommando die Goldzähne entfernt und den Frauen die Haare abgeschnitten. Danach wurden sie durch den Aufzug nach oben gebracht vor die inzwischen angeheizten Öfen. Je nach Körperbeschaffenheit wurden bis zu drei Leichen in eine Ofenkammer gebracht. .. . Das Aschenmehl wurde mittels Lastwagen nach der Weichsel gefahren und dmt schaufelweise in die Strömung geworfen, wo es sofort abtrieb und sich auflöste ..." (R. Höß, Kommandant in Auschwitz) Die Todesmaschinerie der Nationalsozialisten, die als Holocaust in die Geschichte einging, liefbis zu Kriegsende auf Hochtouren. Von den vor dem 2. Weltkrieg in Europa beheimateten rund 9 Millionen Juden erlebten nur rund 3 Millionen das Jahr 1945, in Deutschland war ihre Anzahl gewaltsam auf 14 000 reduziert. Heute leben noch ca. 7 000 Juden in Österreich, das sind 0, 1 % der gesamten Bevölkerung, und man sollte doch annehmen, daß sich nach all den Greueltaten der Nationalsozialisten der Antisemitismus gelegt hat. Eine Studie aus dem Jahr 1991 beweist uns aber leider das Gegenteil. 19 % der Befragten fänden es besser, wenn es in Österreich keine Juden gäbe. 31 % wollten keine Juden zum Nachbarn haben, und 6 % gaben sogar an, daß sie es abstoßend fänden, einem Juden die Hand zu geben. Es ist erschreckend, daß in unserer Zeit das antisemitische Gedankengut noch so weit verbreitet ist , denn wir müßten end lich lernen , fremden Kulturen mehr Toler:mz entgegenzubringen. Litera/ur: Höss , Broad, Kremer : KZ Auschwilz in den Augen der SS (Verlag des staatlichen Auschwitz-Museums) / 973 19 Nr. 7: Jüdischer Friedhof in Steyr

Kultur in der NS-Zeit Aus der Notwendigkeit der Beschränkungen der Meinungsfreiheit im faschistischen Staat entstand ein umfangreicher organisatorischer Apparat zur Überwachung des Kulturbereiches . 1. Schritt: Errichtung des „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (März 1933). Dieses Ministerium kam einem Reichskulturministerium gleich, umfaßte allerdings nicht die Bereiche Wissenschaft und Erziehung. Durch die Verordnung des Reichskanzlers Hitler vom 30. Juni 1933 wurde das Ministerium als zuständig erklärt für: • alle Aufgaben der geistigen EntwickJung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, die Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie und der Verwaltung aller diesem Zweck dienenden Einrichtungen. (Zitat aus: ,,Der Aufbau des deutschen Führerstaates", 0. Koellreuther) 12 Abteilungen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda umfassen alle Bereiche der Kultur: 1.) Verwaltung, Haushalt, Personalien, Gesetzgebung, Reichskulturkammer 2.) Propaganda 2a) Überwachung der kulturellen Betätigung der Nichtarier 3.) Rundfunk 4a) Inlandspresse 4b) Auslandspresse 5.) Film 6.) Theater 7.) Ausland 8.) Schrifttum 9.) Bildende Kunst IO. ) Musik 11.) Volkskulturelle Arbeit 12.) Fremdenverkehr 1933 (im September) wurde die Re ichskulturkammer gegründet. Diese Kammer war an das Ministeri um für Volksaufklärung und Propaganda angeschlossen. Sie war e ine Körperschaft öffentlichen Rechts. Ihr Zweck war die bessere Kontrolle, die nach Tätigkeitsfeldern gegliedert war. Diese Reichskulturkammer ging aus e iner Dienststelle der NSDAP, der Reichspropagandaabteilung, hervor. Leitung: Dr. Joseph Goebbels In der Reichskulturkammer bestand für alle im kulturellen Bereich Tätigen der Zwang zur Mitgliedschaft. Grundlage bildeten die bereits vorhandenen Jnte ressensverbände und eingerichteten Kammern, z. B. die Reichstheaterkammer. Mitglied mußte jeder sein, der an der Weitergabe von Kulturgut beteiligt war. Die Reichskulturkammer besitzt in jedem der 31 politischen Gaue e inen Vertreter, den Landeskulturverwalter. An der Spitze der 7 Einzelkammern steht der jeweilige Präs ident, Vizepräsident und Geschäftsführer. Umfangreiche Organisation, welche sich bi s in die Gaue erstreckte, schuf ei nen Kontroll apparat, der so gut funktionierte, daß nicht nur die künstlerische Distribution, 20

Kultur in der NS-Zeit sondern auch die künstlerische Produktion, die vielfach nicht in derÖffentlichkeit geschieht, erfaßt werden konnte, sodaß z. B. allein technisch die Möglichkeit bestand, Malverbot oder Schreibverbot zu verhängen. Neben der Kontrolle durch die Reichskulturkammer schränkten eine Reihe von Gesetzen die Freiheit von Kunst und Presse ein. So wurde im Mai 1934 ein Theatergesetz geschaffen. Dieses Gesetz nahm die richtige Auswahl der künstlerischen Darbietung vor. Es durften nur Stücke aufgeführt werden, die nicht unmittelbar die Staatsordnung „bedrohten". Der zuständige Minister konnte die Aufführung bestimmter das IVolks- und Staatsleben zersetzende" Stücke untersagen bzw. unter bestimmten Voraussetzungen auch die Aufführung bestimmter Stücke verlangen. Das Lichtspielgesetz vom Februar 1934 beinhaltete ebenfalls zahlreiche Zensuren. Ohne direkte Zensurbehörde erreichten die Nationalsozialisten die Kontrolle der Presse. Die Rechte des Verlegers wurden auf betriebliche Kompetenzen begrenzt, die Schriftleiter dem öffentlichen Dienst gleichgesetzt. Sie bedurften der Zulassung in einer Berufsliste, die vom Reichsverband der Deutschen Presse, dessen Vorsitzender der NSDAP-Pressechef Dietrich war, aufgestellt wurde. Streichungen in der Liste konnten sowohl vom Reichsverband als auch vom Reichsministerium veranlaßt werden. 1. Literatur Die Literatur im Nationalsozialismus ist geprägt von der Spannung zwischen Rationalismus und Irrationalismus. Der Nationalismus betonte irrationale Themen wie Blut, Boden, Rasse und Mystik. Typische Inhalte waren das Volk als treibende Kraft, das Arbeitsleben und das soldatische Leben. Von besonderer Bedeutung war auch die Abstammung. Die Gegenströmung dazu war der Rationalismus. ImVordergrund stand, wie schon der Name sagt, die Ratio, also Vernunft. Grundsätzlich unterscheidet man „Neue Sachlichkeit", ,,Exi lliteratur" und „Nationalsozialistische Literatur". Exilliteraten mußten meist ihr Leben im Ausland in bitterer Armut fristen. Ihre Hauptthemen, wie Kritik am nationalsozialistischen System oder Antifaschismus, interessierten die Mehrzahl der Leserschar in den Exilländern nicht. Sie waren von ihrer vertrauten Sprache, von ihrem Publikum und ihrer Kulturvoll.kommen abgeschnitten. Nur wenigen Schriftstellern gelang der Durchbruch. Bücherverbrennungen: Im Mai 1933 gab Adolf Hitler den Befehl, jegliche „entartete Kunst" zu verbrennen. Diesem Bücherbrand fielen die Werke von über 100 Schriftstellern zum Opfer. Er löschte somit eine ganze Schriftsteilergeneration aus. 21

Kultur in der NS-Zeit Brecht für Oskar Maria Graf Als das Regime befahl Bücher mit schädlichem Wissen öffent]jch zu verbrennen, und allenthalben Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der Verbrannten studierend, entsetzt, daß seine Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch, zombeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber. ,,Verbrennt mjch!" schrieb er mit füegender Feder: ,,Verbrennt mich!" Tut mir das nicht an! Laßt mich rucht übrig. Habe ich rucht die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt werd' ich von euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch: ,,Verbrennt mich!" 2. Bildhauerei -Architektur - Malerei Wie in der Literatur standen auch in der Bildkunst und der Architektur Themen wie Deutschtum, Soldatentum und das einfache bäuerliche Leben im Vordergrund. ln der Architektur wandte man sich vermehrt der griechischen Antike zu. 3. Musik Auch in der Musik wurde eine ganze Epoche ausradiert, vor allem die jüdische. Nur einigen Vertretern dieser „entarteten" Kultur war es erlaubt, ihre Tätigkeit fortzusetzen. Sie wurden jedoch peinlich genau aufgelistet und verzeichnet. Einige Komponisten wurden mit der Neutextung von Liedern beauftragt. z. B. ,,Stille Nacht, heilige Nacht, Deutschlands Söhne halten Wacht. In den Schützengraben verschneit liegen wir Mann für Mann bereit lauem hei Tag und hei Nacht." Auch der „Sommernachtstraum" von Mendelssohn-Bartholdy wurde neu komponiert, da der Komponist Jude war. Jedoch wurde das Original nie erreicht. Literatur: Müller-Mehlis. Reinhard: Die Kun sr im Drillen Reich . München 1976 Wu!J: Josef „ Kulrur im 3. Reich" . Bihlio1hek der Zeilgeschichle, 1989 Prieberg, Fred: Musik im NS -Staal . Fischer-Verlag 22

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