Grüne Steyrzeitung Nr. 1, Oktober 1996

1/96 rüne Steyrzeitung 7 Jugendproblem Resthof? Die Grüne Sleyrzeitiing sprach mit den beiden Sozialivlssenschaflern Dr. Dietmar Nemeth und Mag. Helmut Dormayr über Jugendprobleme in Neubaugebieten icie am Resihof und über die Errichtung eines Jugendkulturhauses in Steyr. Das Interview führte Maren Vanek Grüne Sleyrzciliiiig: Der Resihof ist ein relativ neues Stadtgebiet. I on vielen Steyrern wird der Eindruck geteilt, daß in diesem Siedlungsgebiet Probleme mit Jugendlichen häufiger auftreten als in anderen Stadtteilen. Slimml dieser Eindruck? Nemelli: In jeder größeren Stadt, wo es monostrukturierte Siedlungsgebiete gibt, entstehen die selben Probleme. In unseDr. Dietmar Nemeth rer Studie sind wir auf folgendes Phänomen gestoßen: Weil gerade in diesen Siedlungen eine so hohe Anzahl an Kindern und Jugendlichen wohnen, fokussieren sich die Probleme auf diese Stadtteile. Es entsteht im Denken der Leute der Eindruck: “Aha, die sind da draußen”. Niemand bedenkt, daß dort im Vergleich zu anderen Stadtteilen viel mehr Jugendliche wohnen. Es läßt sich aber' seh,' schwach nachweisen, daß die Jugendlichen aus solchen Gebieten tatsächlich mehr Probleme machen. Doriiniayr: Etwas ist uns bei den Präsentationen unserer Studie immer wieder aufgefallen. Sehr oll gab es Erstaunen über unsere Aussagen, wie “normal” eigentlich die jungen Leute in diesen Stadtrand- gebielen sind. Es fallen der Öffentlichkeit immer wieder einige “verhallensauffällige” Jugendliche auf. Es liegt eben in der Natur der Sache, daß nur auffällige Jugendliche auirallen. Aber die überwiegende Anzahl der jungen Menschen fällt weder positiv noch negativ auf. Nur jeder zehnte Jugendliche kann der Kategorie “verhaltensauffällig” zugeordnel werden. Grüne Sleyrzeitiing: llelche Dörmen der Jugendarbeit gibt es, um die verhallensauffälligen Jugendlichen zu beireuen? Nemeth: Meines Erachtens soll man nicht sofort nach der Jugendarbeit fragen, weil das schon wieder Stigmatisierung beinhaltet. Für mich gibt es drei Bereiche, die zuerst behandelt werden müssen. Erstens ist es die Frage, wie ich überhaupt den Stadtteil plane, die zweite an wen werden die neugeschaffenen Wohnungen vergeben und drittens welche Infrastrukturen werden benötigt. Das heißt: Wenn auf engstem Raum ein Wohnblock nach dein anderen gebaut wird, braucht man sich im nachhinein nicht wundern, wenn Probleme auflreten. Weiteres ist die Altersstruktur der dortigen Bewohner wichtig. Nicht nur Junglämilicn mit Kindern sollen dort wohnen, sondern z. B. auch ältere Menschen. Grüne Sleyrzeitiing: Has sind die Grundanforderungen an die Infrastruktur für die Jugendlichen eines solchen Sladteiles. Dorninayr: Es ist schwierig, institutionalisierte Mindestanforderungen zu deFtnieren. Es ist genau das, was die Jugendlichen eigentlich nicht wollen. Die offizielle Seite sollte nicht fix und fertige Einrichtungen anbieten, sondern nur Enl- wicklungsmöglichkeiten fördern und günstige Rahmenbedingungen schaffen.. Darunter fallen auch Ansprech- parlner, mit denen man Dinge in Gang setzen kann, um etwas zu bewegen. Nemeth: Es ist auch zuwenig, im nachhinein sozialtechnische Folgenabschätzung zu betreiben. Also: wenn in einem neuen Stadtteil mit zum Beispiel 5000 ein Jugendzentrum. drei Hektar Freifläche, ein Kirche und eine Schule usw. hingebaut werden, garantiert dies noch lange keine lokale Identität. Diese entsteht nicht von selbst, sondern die Leute, die dort leben müssen sie selbst entwickeln. Die kulturellen und räumlichen Bedingungen dafür sollten gegeben sein. Dornmayr: So sehr auch die Jugendzentren für einen Teil der Jugendlichen wuchtig sind, so sehr muß man aber sagen, daß der Großteil dort eigentlich gar nicht hingehl. Auch die verhaltensaußälligen Jugendlichen bewegen sich in erster Linie auf der Straße. Grüne Sley rzeitiing: Il ie erreicht man diese Jugendlichen? Die klassische Form sind Streetworker. Diese Sozialarbeiter sind auf der Staße, gehen in die Lokale. Sie lial- ten sich in jenen öffentlichen Räumen auf, wo sieh die Jugendlichen bewegen. Es ist nicht eine Jugendarbeit, die passiv darauf wartet, bis wer kommt. Eine andere Methode ist die stärkere Vernetzung von Sehlde und Jugendarbeit. Dies sollte vor allem am Nachmitlag passieren. Die Betreuung darf nicht um 15 Uhr aulhören und erst wieder am Abend ab 17 oder 18 I hr fortgesetzt werden, dann wenn die Jugendzentren aufsperren. Gerade am Nachmittag haben viele Eltern keine Zeil. Zu diesem Zeiten sollten institutionelle Angebote geschaffen werden. Grüne Sleyrzeitiing: In Steyr wird zur Zeil über die Einrichtung eines Jugendkulturhauses diskutiert. Il ie sollte ein solches Haus ausschauen und wo sollte es stehen? Dorninayr: Dieses Haus sollte so weit wie möglich zentral gelegen sein. Entscheidend in diesem Bereich ist aber die Multi- funktionalitäl. Es können dort auch durchaus Sportllächen vorhanden sein, aber nicht nur Flächen zum Fußballspielen, sondern auch für Volleyball, Basketball, Skalen und andere Sportar- len. Die Einrichtung muß auf jeden Fall umwandelbar sein. Man soll zum Beispiel die Räumlichkeiten am Nachmittag für Sportakliviläten verwenden können, und am Abend für Konzerte. Es sollte nur eine möglichst llexible Infrastruktur zum Beispiel bewegbare Zwischenwände und der Organisationsrahmen vorgegeben werden, aber alles andere muß möglichst vielfältig um- staltbar sein. Nemeth: Die Jugendzentren werden in Zu- kunll eine immer kleinere Rolle spielen. Ich möchte damit nicht sagen, daß sie unwichtig werden, aber insgesamt gesehen, müssen auch andere Konzepte weiterverfolgl werden. Im Bezug auf die Jugendkullur müssen die Jugendlichen dort angesprochen werden, wo sic sind. Die Stadt darf auf jeden Fall nicht einfach ein Haus hinstellen und sich danach wundern, wenn niemand hingeht oder es eine Art Ghetto für eine spezielle Gruppe wird. Sondern sie muß den Jugendlichen etwas bieten, was sie auch interessiert. Wenn es Rock ist. denn Hag. Helmut Dornmayr eben ein Rockhaus. Es kann aber auch ganz anders heißen wie Rave, Hip oder Hype-House. Da muß man die Jugendlichen fragen. Grüne Steyrzeitung: Il ie soll die Terwallung eines Jugendkulturhauses organisiert sein? Dorninayr: Die Jugendlichen müssen in ihren Einrichtungen selbst die Verantwortung übernehmen. Sie sollen die Räume selber gestalten können und Regelungen vereinbaren, wer, wann und wo etwas macht. Die Betreuung sollte aber durch Sozialarbeiter erfolgen. Sie sollten die Jugendlichen dabei betreuen, diese organisatorischen Dinge zu regeln und untereinander faire Vereinbarungen zu treffen. Ansonsten sollte die Stadl nur dafür sorgen, daß das Gebäude geputzt und erhalten wird. Danke für das Interview! Mag. Helmut Dorninayr und Dr. Dietmar Nemeth sind als So- zialwissenschafler am Institut für Kerufs- und Erwachscncnbil- dungsforschung an der l nirersiläl Linz (IRE) tätig. Eine ihrer jüngsten irbeiten zum Thema Jugend be- schäfHgte sich mH der Situation der “Jugend am (Stadt) Hand - l.ebens- u elt Linz-Süd” Sie arbeiten zurZeit u. a. an der Öberösterreichischen Jugendstudie 1996. Ilaratzmüllerstraße 14 Telefon/Fax (17252/48701

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