Grüne Steyrzeitung Nr. 1, Oktober 1996

10 rüne Frauenthemen 1/96 „Gewalt in der Familie ist die häufigste Form von Gewalt, die ein Mensch im Leben erfährt“ Jede i. Frau in Österreich ist in einer Ehe / Lebensgemeinschaft von Gewalt betroffen. । Gewalt Intim Keine Woche, in der Zeilschriften nicht über Quälerei, Mord und Totschlag in den eigenen vier Wänden berichten. Voyeuristische Boulevardblätter stürzen sich auf Familientragödien mit tödlichem Ausgang. Gewalt in Familien ist trister Alltag und hat viele Gesichter: Mord. Totschlag. Isolation. Vergewaltigung - Männer verdreschen ihre Frauen und Kinder, und keiner Fällt ihnen in den Arm. Und eine Gesellschaft, in der es möglich ist, daß in einem Gasthaus ein Ehemann unter dem Beifall seiner Freunde seine Frau ohrfeigt, weil sie ihn gebeten hat, mit ihr nach Hause zu gehen, (Bericht einer Betroffenen aus dem Frauenhaus Steyr) bietet guten Nährboden Für die Gewalt gegen Frauen. Der Wiener Polizeij urist Franz Bohrn hat für seine Dokumentation „Gewall- opfer Frau“ zweieinhalb Jahre lang Aktenberge durchforstet und ein Protokoll des Grauens erstellt, das aber nichts anderes als österreichische Realität darstellt. Er dokumentiert, wie Frauen getreten. geschlagen und geboxt werden. Man(n) würgt sie, vergewaltigt sie und reißt ihnen die Haare büschelweise aus. Wer tut so etwas? Ihre Ehemänner, Partner, die Väter ihrer Kinder. Die Menschen, von denen frau sich Liebe und Geborgenheit erwartet. Warum verlqßt sie ihn nicht? Wenn frau oft jahrelang Demütigung und Mißhandlung erträgt, so geschieht dies aus lähmender Angst, oft Todesangst. Niemand hat das Hecht, Sie zu verletzen, weder körperlich noch seelisch! Was ist zu tun, wenn Sic Weggehen wollen : • Polizei oder Frauenhaus kontaktieren • Nehmen Sie aur jeden Fall die Kinder mit • Nach Möglichkeit die wichtigsten Dokumente einpacken Eine ralfinierte Mischung aus physischem und psychischem Terror, die Gewalt und Liebe, Einschüchterung und Verführung miteinander kombiniert, macht die Opfer zu schembar freiwilligen Gefangenen. Die meist finanzielle Abhängigkeil und die Schuldzuweisung der Gesellschaft an die Frau stärkt zusätzlich die Machtposition des Mannes. Hat die Frau schon als Kind Schläge und Mißachtung erfahren, so ist die Angst des Kindes bei der erwachsenen Frau noch immer präsenL Die Überlebensmuster des Kindes haben sich tief in die Seele eingegraben und wirken üiner- halb der Beziehung weiter, und es kostet enorm viel Mut und Kraft, die alten Verhaltensweisen aufzulösen. Meist ist dies ohne fremde Hilfe überhaupt nicht möglich. Wissen macht frei Um familiäres Elend verlassen zu können, braucht frau neben Mut und Kraft auch Wissen. Das Team des Frauenhauses Steyr Das Wissen, daß kein anderer Mensch das Recht hat, Dein Leben und das Leben Deiner Kinder zu zerstören. Dieses Wissen macht Dich frei, und der Mißhandler hat keine Macht mehr über Dich. Denn ein System kann auch nur so lange funktionieren, solange die Opfer mitmachen. Ein Kind kann den Schlägen nicht davonlaufen, eine erwachsene Frau könnte es. Zuflucht Die Situation geschlagener Frauen erinnert an die Situation der Frauen in Japan nach dem 12. Jhdt. - eine Japanerin konnte damals aus einer unerträglichen Ehe nur ausbrechen, indem sie in einem Tempel, der Frauen Schulz gewährte, Zuflucht suchte. Davon gab es nur wenige - so wie es heute wenige, zu wenige, Frauenhäuser gibt. Und diese sind, trotz ständiger Auslastung, noch immer nicht Finanziell abgesichert. Die Gesellschaft, damit die Politiker, sind aufgerufen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und Frauenhilfseinrichlungen nicht immer wieder aufs Neue in Frage zu stellen. Die Frauenhäuser sind wichtige Anlaufstellen für Frauen in Not geworden. Im Frauenhaus Steyr fanden seit der Eröffnung im Juli 1992 mehr als hundert Frauen und ebensoviele Kinder Schutz und Zuflucht vor gewalttätigen Ehemännern und Vätern. Körperlich und seelisch aufs Schwerste verletzt konnten sie hier mit ihren Kindern zur Ruhe kommen und versuchten, gemeinsam mit den engagierten Betreuerinnen, neue Lebensperspektiven zu erarbeiten. Das Wissen über ihre liechte und ihre Möglichkeiten, das Wissen und die Erfahrung des eigenen Wertes gaben vielen Frauen die Kraft, sich auf einen selbstbewußten und eigenständigen Neuanfang einzulassen. Hilfsangebote im Frauenhaus / Belreuiingsbereich: Unterkunftsmöglichkeit in Krisensituationen (Notruf rund um die Uhr besetzt) Telefon 87700 persönlicher Schutz durch Begleiten beim Verlassen der Wohnung Begleitung bei Behördengängen Hilfestellung bei Verletzungsanzeigen und beim Einleilen der notwendigen gerichtlichen Schritte Hilfe bei der Suche nach geeigneter Kinderbelreuung (Kindergarten, Tagesmutter, etc.) Beratungsangebote : psychologische Beratung nach Terminvereinbarung juristische Beratung jeden 2. und 4. Dienstag im Monat nach Vereinbarung Einladung anläßlich des Wellfrauentages am 8. März veranstaltet der Verein „Frauen für Frauen” - Frauenhaus Steyr ein Kabarett von und mit Marie Theres Escribano „umso älter desto ich” Ein Soloprogramm zum Lachen und Weinen - am Samstag, den 9. März 1996 um 20.00 Uhr im Museum Arbeitswelt, Steyr. Für das Buftet sorgt der VA AB, Vorverkauf in der Buchhandlung Ennsthaler. FRAUEINHAUS STEYR Trägerverein: Verein Frauen für Frauen 1989-92: Zwei Notwohnungen von je 25 m2 Eröffnung des Frauenhauses im Juli 1992 W’ohnmöglichkeit für max. 22 Personen (jede Frau hat mit ihren Kindern ein eigenes Zimmer) Bisher 102 Frauen, ebensoviele Kinder durchsclin. Aufenthaltsdauer: 3- 4 Monate Personal: 2 Sozialarbeiterinnen, 1 Psychologin, 1 Sachbearbeiterin Finanzierung: Subventionen der Stadt Steyr, Landesregierung OÖ, Bundesministerium Für Jugend und Familie, Frauenministerium. BM für Arbeit und Soziales. Mitgliedsbeiträge und Spenden, Förderungen, Sachspenden und praktische Unterstützung von privaten Betrieben und Unternehmungen.

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