Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, September 1995

LEBENSRAUM STADT ERSTE DOSIS F0R DIE WIEDER- BELEBUNG: DAS KULTURHAUS Die Vorgangsweise der ver- Über ein halbes Jahr hat die Stadtpolitik die Jugendlichen mit dem Projekt Stadt- gut hingehalten. Mit dem neuen Projekt „Reithofferwerke" (die Grünen haben es bereits vor Jahren vorgeschlagen) ergibt sich trotzdem für alle Beteiligten eine große Chance. Kultur findet in der Stadt statt und gibt den Startschuß für eine urbane Stadtentwicklung, die den Men- schen eines zurückgeben kann: den Le- bensraum Stadt! ,,Der soziale Körper lebt in den Siedlun- gen, in den verdichteten Lebensräumen der Städte. Wenn diese Lebensräume zer- fallen, zerfällt auch die Gesellschaft, sie löst sich auf in eine bloße Addition von lauter egoistischen Individuen, die als Schrebergärtner ihr eigenes Elend züch- ten", meint Bazon Brock. Stadtkultur muß in der Stadt stattfinden. In einer Stadt wo sich die Städter und die Menschen vom Land, die Heimischen und die Fremden, To~risten und Pendler treffen. In einer Stadt, wo eigentlich die höchste Form des Zusam- menlebens stattfinden sollte. Viele Städte ha- en ualitä antwortlichen Steyrer Politiker geg·enüber dem Trägerverein für ein Kulturhaus kann frau/man in einem Wort zusammenfassen: Verarschung. in den letztenJahrzehnten verloren. Rück- sichtsloser Straßenbau, schonungsloser Umgang mit alter Baustruktur und wenig Offenheit für das ästhetische Neue, plan- lose Wohnbaupolitik mit anonymen Stadtquartieren (Resthof) und geschwür- artigen Einfamilienhaussiedlungen an den Rändern haben auch Steyr schwere Schä- den zugefügt. Ein Nebeneffekt ist das Aussterben der Stadtzentren. So hält sich in Steyrdas Nachtlebengerade amEnnskai noch am Leben. Die Stadtstrukturen müssen zu ihren Bewohnern passen. Regeneration und Er- neuerung ist die Devise! Das Reithoffer- Areal bietet dafür eine ideale Möglich- keit. Ausgehend von einem offenen KulturhausmitdemSchwerpunktJugend- kultur kann sich in diesem Stadtteil eine funktiona le Mischung aus Freizeit, Woh- nen und Arbeit entwickeln. Ein Keim, der andere Stadtteile befruchten kann. Basis dafür ist eine professionelle Gesamtpla- nung, die mögliche Konflikte von Beginn an .verhindert. Dabei ist ein Entgegen- kommen von allen Seiten notwendig. „Der Planer einer modernen, humanen Stadt müßte die Unterschiede übereinan- derschichten, statt sie zu segmentieren. Aus der Überlagerung ergeben sich komplexe, offene Grenzen. Offene Grenzen schaf- fen Räume der Preisgabe an den Unter- schied, an das Anderssein", sagt Reinhard Sennet. Vor der Sommerpause schien endlich Bewegung in die Diskussion zu kommen. Die Stadt hat das Areal aufgekauft und erste Gespräche mit den Jugendlichen geführt. ÖVP und F sind natürlich dage- gen. Sie wünschen sich Kultur nur weit weg von der Stadt. Leider stellt sich für die Betroffenen nun wieder die selbe Situati- on wie nach der Demonstration letzten November ein. Nur vage Zusagen und gänzlich fehlendes Engagement von Sei- ten der Stadt. Provinziell und desinteres- siertwartet die Stadtpolitik zu. Obwohl es viel einfacher ginge? Ein runder Tisch mit allen Initiativen, Jugendlichen und zuständigen Politikern, könnte der Startschuß für ein gemein- sames Gestaltungs-, Finanzierungs- und Erhaltungskonzeptsein. Initiativ muß die Stadt werden. Und wenn nicht der Kulturstadtrat, dann eben der Bürgermei- ster persönlich. Mit klaren Zusagen, mit verbindlichen und absehbaren Reali- sierungszeiträumen. Die Stadt muß sich auch bewußt sein, daß für die Adaptie- rung und den Kulturbetrieb Budgetmittel langfristig flüssig gemacht werden müs- sen. Das muß es der Stadtwert sein. Ohne Kosten-Nutzen-Analyse und ohne Lar- moyanz. Es geht nicht an, daß dieJugend- lichen bis zu einem Zeitpunkt vertröstet werden, wo sie nicht mehr jung sind oder gänzlich das Interesse an Steyr verlieren. Der zweite Schrittmuß die Entwicklungs- planung für das gesamte Areal umfassen. Ein städtebaulicherWettbewerb oder eine Projektarbeit von Architekturstudenten mit einem Bürgerbeteiligungsverfahren ist Voraussetzung für eine ganzheitliche Planung. Die Formulierung der Ziele für eine dynamische Entwicklung liegt im Aufgabenbereich der Stadt. Die Zukunft der Stadt liegt nicht in ihrer maßlosen Erweiterung, sondern in der Wiederbelebung. Die Zukunft der Stadt liegt in ihrer Offenheit für das Neue, für das Andere, für das Innovative. Die Zu- kunft der Stadt liegt in ihrer Lebensquali- tät, die sowohl die Bedürfnisse der Alten und derJungen als auch der Fremden und Besucher befriedigt. Das gilt auch für Steyr: Andreas Kupfer, Kultu rsprecher der Grünen OÖ.

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