Grüne Bürgerzeitung, Nummer 2, April 1995

AM 5. MAI '45 WURDE STEYR VON DEN NAZIS BEFREIT um zehn Uhr vormittag rollten amerikanische Panzer von Wels kommend über Sierning, am Landeskrankenhaus vorbei, in Steyr ein. In der Sierninger Straße übergab Nazi- Bürgermeister Ransmayr die Stadt an einen amerikanischen Offizier. Ein Riicl<hlid< 11011 Krtrl Ra111.111/(/in Am 11 . M:irz 19.38 h.1t te .1 lb 111it lkgc istcr- ung und J ubel bego 1111 t· t1 . N, ll h der letz- ten Rede von HL11 1tbk,111zk1St llll',t hni gg, di e im Vo lks kino übe , t1.1ge 11 wurde, erho- be n viele S1cy rc1 ih, c l l.111d zum l litl er· gru ß und s.mgc n st.1tt de , i1s tnrcichi - sc he 11 l ly 11 111 t· d.1' l)l'tt ls t hl.111dli cd . J\n st hl id~t·ml 1.ogl' t1 Sl l' 1ulw lnd zum S1.1dtpl.1t z h111t111le1. Opfer Ct·selzt· und 1/,w.111gs 111 .1f\ 11 ,1h111cn gege n Judcn wurd rn t· 1l,1sse 11 . Al k Stcy rcrJud cn wurd ·11 111 l,rst t' ll erf.d\ t, 1h r Vn rn ögrn ht·st hl.1g 11 .1h111t und ihr e Ct·st h:ifl e .iri - sic 1l. ,, l l.wpt s.1 t ht· di e ,1lt t· l!isemt .1d1 ist h.1ld vo llkrn nm t· n iud cnr ein ", st hri eb di e Stcy rt· rVo lkss t1111111 t· i<)lR Wer rmht tt't ht ze1t1g,Hrsw. 111d t· 111 ko nnt t·, wunk in Ko n zt· ritr ,lt 1oml.1gt· r 11 t· r111mdcl. Um J\1heitskr .1fl t· für dr c Stcy rt· r Werke , .u he ktHlllll en, wurde ,1111 5. _l :i1111 t· r 19,12 in ML'tni chh o lz ein Ndx· 11l.1ge r des 1<.Z M.1uth.1usc n t· 11i t ht et. Bis zu 2.000 1 l:ifl- lingc w.ircn hi e r unt ngcbr.1 cht und in der Rüstungs ind ust ri c ei ngcsclzl. Mißhand- lungen und Erschi eßungen waren an der T1gesordnung. I läftlinge, di e ausgebro- chen waren, wurden im Waschraum auf- gehängt. Ebenso erging es einem Häft- ling, der bei der Arbeit verschlafen hatte. Oft wurde von SS-lern nur aus purer Lust getötet. Pater Meindl, der damalige Pfar- rer von Münichholz, berichtet von zwan- zig Leichen pro Woche. Täter Eine ganze Reihe von Steyrern wurden auch wegen Wehrkraftzersetzung, dem Abhören fremder Sender oder wegen ab- fälliger Äußerungen über die Nazis zu einigen Jahren Gefängnis verurteilt. Es wurden auch Steyrer denunziert und hin- gerichtet. Neben den Opfern gab es auch Täter, die aus Steyr kamen. Im April 1945 erschoß beispielsweise Karl H . aus Steyr auf dem Linzer Verschiebebahnhof auf brutalste Weise einen ausgehungerten KZ-Häftling, weil dieser Brot gestohlen hatte. ,,Wenn die SS zu feig ist zum Schießen, dann muß eben ich das tun!" sagte er. Im Februar 1944 wurde ein französischer und zwei griechische Zivilarbeiter getö- tet, weil sie nach dem Bombenangriffein Paar Handschuhe und zwei Hosen ge- stohl en hatten. Bomben auf Steyr Am 23- Februar 1944 wurde Steyr mit se in en kri egswi chtigen Industriea n lagen Ziel des ersten Bombenangriffes . 288 Sprengbomben gingen auf Steyr nieder. 15Menschen starben , 55 wurden verl etzt. Am Tag darauf wurden 996 Bomben ab- gewo rfen . 212 Men schen starben, 317wur- den verletzt, über 1.0 0 0 obdachlos, 65 1I:iuse r total ze rstört und 445 beschädigt. Der schwerste Angrifferfolgte am 2. April 1944- In Steyr wurde die Stadt vernebelt. Der Wind tri eb den Nebel Richtung 1<.leinrarning, sodaß di e meisten Bomben dort ni ederginge n. Dieses sogenannte „Wunder vo n Steyr" bewirkte, daß die J\l h t.1d1 verst ho nt b lieb.Trotzdem waren ,12 Menst hcn zu beklagen und es gab vi ele Ve rl etzte. 1.620 Personen wurden obd.1t h los, 418 I l:i usc r ze rstö rt. Der letzte Bombenan griff ,1ll f' Steyr erfol gte am 17- Fcbru ,1r '9'15- Befreiung Noch am 1. Mai 1945 mußten di e Häftlin- ge des KZ Steyr-Münichholz Schützen- gräben ausheben . Am 2. Mai überlegten die Funktionäre der NSDAP die Verteidi- gung Steyrs. Jene, die gegen einen militä- rischen Widerstand waren, setzten sich durch. Trotzdem rief Gauleiter Eigruber, der sich auf seiner Flucht im Ennstal in Steyr aufhielt, zum Ausharren auf. Am 5. Mai um zehn Uhrvormittag wurde Steyr dann durch dieAmerikanervon den Nazis • befreit. ,,Steyr kapitulierte, ohne daß es einen einzigen Schuß abgab", beschreibt ein amerikanischer Offizier die Situation. An diesem Tag wurden auch die Häftlin- ge des KZ Münichholz befrei_t. Es wurde zu einem Lager kriegsgefangener SS-ler. Am 8. Mai 1945 treffen die ersten russi- schen Truppen an der Ennsbrücke beim Hotel Minichmayr ein. Die Amerikaner kontrollieren nun das Gebiet links der Enns, die Russen rechts der Enns . Damit war Steyr eine zweigeteilte Stadt. Die Ernährungslage war katastrophal. Lebensmittelkarten wurden ausgegeben. Unmittelbar nach Kriegsende wuchs die Bevölkerung der Stadt durch den Zuzug von Flüchtlingen, Fremdarbeitern und ehemaligen KZ-Insassen auf 79.000 an. Am 28. Juli 1945Yereinbarten Amerikaner und Russen die Landesgrenze zum Bahn- hof Ramingdorfzurückzuverlegen. Steyr- -Ost wurde von den Amerikanern besetzt. Steyr hatte damit aufgehört, eine zweige- teilte Stadt zu sein. Entnazifizierung Für die Entnazifizierung in Steyr war der sogenannte „Liquidierungs- und Wieder- gutmachungsausschuß" des Gemeinde- rates zuständig. Er setzte sich aus SPÖ- und ÖVP-Mitgliedern zusammen. Das Gemeinderatsprotokoll von 6. April 1946 spricht von 3.022 registrierten Nazis in Steyr und 2.744 Entregistrierungsgesu- chen. Von den Registrierten waren 391 schon vor 1938 illegale Nazis, 203 Partei- funktionäre, 29 SS-ler, 2-344 Mitglieder verschiedener NSDAP-Gliederungen und 47 Anwärter auf Parteimitgliedschaft. 20 Beamte und 20 Angestellte des Magistra- tes wurden entlassen. n Beamte ins Ange- stelltenverhältnis zurückversetzt. Angesichts zunehmender rechtsextremer Aktivitäten, die auch vorTerroranschlägen nicht mehr zurückschrecken, ist es umso wichtiger niemals zu vergessen, wieviel menschliches Leid in den 7 Jahren der Nazi-Barbarei geschehen ist.Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist blind für die Gegenwart. Sich-Erinnern an die Opfer des NS-Regimes ist ein Akt des Widerstandes. Das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis zu seinerWiederholung, heißt es am griechischen Denkmal in Mauthausen. ♦ Programm zum SO. Jubi- läum der Befreiung Öster- reichs von den Nazis: • Befreiungsfeier beim KZ-Denkmal in der Haagerstraße: Freitag, 5. Mai 1995 um n.oo Uhr • Kunstaktion ,, ...noch nicht mit Erde bedecl<t"von]ohannes Angerbauer in der Rathauspassage Donnerstag, 27. April 1995 (Grün- dungstag der 2. Republik) bis Sonn- tag, 7. Mai 1995 • Großprojektion des Filmes„Hasenjagd" aufdem Steyrer Stadtplatz Freitag, 5. Mai 1995 um 20.30 Uhr. Veranstalter: Friedenswerkstatt Steyr, Wanderkino Altenburger, Mauthausen Aktiv Steyr ... Uebe Deine Filsse ! _, NATURHAUS MESSNER Steyr

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