Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1994

00 Q) ·i V) 100 TAGE STEYRER INTEGRATI0NSPROJEKT FiiR IN- UND AUSUINDER Steyr gelangte vor Monaten wegen eines Ausländerkrawalls in die Schlag- zeilen. Ein von den GRÜNEN mit- initiiertes Integrationsprojekt versucht nun Lösungsansiitze abseits von „law and order": Mag. Michaela Frech ist seit September als Integrationsarbei- terin in Steyr tiitig. Anfang Dezember zogen In-und Ausländerinnen gemein- sam vor zahlreich erschienenem Publi- kum nilanz der ersten 100 Tage des Integrationsprojekts. Zwei Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawirn, Vera Lujic-Krcsnik und Dzcncla Zcjnilovoc, lösten dabei mit ihren Rcdl·n grolk Betroffenheit aus. Die Griinl' Biirgnzcitung bringt Aus- ziigc. vhr1 / ,1111( K,nml.· Dieses Land ist ein bißchen unser Land geworden In de1 S1.1t1stik f"u1 199,1steht: 1.1.19 Aus l:i11dc1 111 Stcy1-S1,1d1, 10.000 /\uk111h,1lts vnlmlc in ( )s1c1reil h, 1,18.000 Zurüt k Wl'1,u11gc11 .111 dc1 Crcn diese Unterschiede. Viele von uns haben hier ein Zuhause gefunden. Dieses Land ist ein bißchen unser Land geworden. Zeigen wir diesem Land unsere Kultur und Tradition auf die besteWeise, sodaß wir etwas von uns geben: Mein Nachbar trinkt gerne einen türkischen Kaffee, sei- ne Frau ißtgerneineinem Chinarestaurant und ich kaufe die bosnische Zeitung „Oslobojenje" in Zwischenbrücken und esse gerne Kaiserschmarrn. Diese Art To- ler,mz ist furmich eine fröhliche Seite des Lebens. /)/l'111'/t1 7.1/1ulrmic Wenn wir nicht hierher ge- flüchtet wären, wären wir tot (... ) Äng.s tc und I laf5, Mifsverst:inclnisse und Vorurteile zu verbreiten ist leicht. Bcsondns zwischen Leuten unterschied- lilhc1 Kulturen, Religionen und Mcnt.1lit:iten. Sie ab- zubauen ist über- haupt nicht ein- f:1ch. Doch, sie In Steyr leben viele Frauen mit Kindern. Ihre Männer sind nicht da. Die Frauen sind in einem fremden Land, alleine und voller Sorgen. Ich bin auch mit meiner Mutter und den Geschwistern da. Meine Mutter war Kinderärztin, mein Vater Gynäkologe. Sie haben immer den Menschen geholfen, ohne Unterschiede zu machen. In der Nacht, die ich nie vergessen werde, am 2. Mai 1992, sind bewaffnete serbische Banditen in unser Familienhaus einge- brochen, meinem Vater haben sie aus dem Bett weggeschleppt, meine Mutter geschlagen und und fürchterlich gedroht: Daß sie uns erstechen und erschießen werden. Warum? Weil meine Eltern ein schönes Haus hatten? Weil wir eine ande- re Religion haben? Weil meine Eltern Menschen sind, was diese Monster nie seinwerden(...). Es bricht mein Herz, daß es unsere ehemaligen Nachbarn sind, die uns hassen, uns erstechen, uns in Kon- zentrationslager stecken, auf uns schie- ßen, uns foltern, unsere Kinder mit Hun- ger quälen, Krankenhäuser voller Men- schen sprengen, alles ruinieren. Wirwerden beschimpft, weil wir hier sind. Sie hören oft im Radio, daß Ser- ben und bosnische Ser- Zl', 8. 100/\hsl l11ehungen (... ). C1h1 l'S ,1lm eine S1.111s11k, die Me11sd1 - l1lhkc1t zeigt, die uns s,1g1, daf5 es ,1uth Nach- b,un gibt? • • ben und bosnische Or- p thodoxe, die ich auch a rap U Serbennenne,nichtbe- teiligtsind. Werdann?Die, die meinen Vaterabgeführt ..... haben, waren sowohl aus Im Leben gibt es immer zwei Seiten: Eine zeigt sich der Öffentlichkeit und die andere müssen lnte grationsproj ekt Steyr BosnienalsauchausSerbi- für In- und Ausländerlnnen wir selbst finden. In unserem sogenann- ten „Ausländerfall" sind wir, die Auslän- der, oft bereit, diese Seite zu sehen, die uns Ausländerfeindlichkeit und Intole- ranz zeigt (...). Es stimmt, daß wir ver- schiedene Kulturen haben. Aber eine Kultur kennen lernen, macht uns reicher. Die Welt wäre langweilig und grau ohne MAYR ffi -------------- Wir wünschen allen Kunden ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches 1995! Das besondere Weihnachts- geschenk von bleibendem Wert finden Sie bei Ihrer Kupfer- schmiede. :!: = c.:, U) a: M.I .... a.. ::::, Sierninger Straße 32 =.:: 4400 Steyr a: Telefon 07252/61237 M.I Fax 07252/80167 Q gehören abgebaut. Warum? Ob wir es wollen oder nicht, ob es unsere Gastgeber freut oder nicht, wir sind nun einmal da. Damit uns allen dieser außergewöhnli- che Zustand leichter fallt, müssen wir uns bemühen, einander besser kennenzuler- nen (... ). Wenn wir es wollen, ist da gar nicht so schwierig. Wir sind natürlich die, die Hilfe brauchen, Österreicher leisten sie. Neben den Gastarbeitern sind noch Flüchtlinge dazugekommen, weil man geglaubt hat, daß die Kämpfe in Bosnien nicht lange dauern werden. Für manche ist aber das Boot schon voll. Ihre Männer sind nicht da Wir wurden plötzlich und brutal ange- griffen, unsere Familien sind getrennt, weil unsere Angehörigen umgekommen und gefangen oder einfach weit weg sind. Wenn wir nicht hierher geflüchtet wären, wären wir tot oder hungrig.Und das kann jedem passieren. Wir haben auch schön gelebt(...). Und es geht dabei gar nicht um Krieg, in Bosnien wird ethische Säuberung voll- zogen(... ). en (...). mein Vater ist tot oder gefangen. Gefangen ohne Grund und wer weiß, auf welch schlimme Weise mißhandelt. Meine Großeltern, bei denen ich aufge- wachsen bin,weil meine Eltern in Sarajewo studierten, sind erstochen (...). Mein Bruder war neun, als er den Vater zum letztenmal gesehen hat. Inzwischen ist er 20 Zentimeter gewachsen, hat eine Weltsprache gelernt, geht jetzt ins Gym- nasium und ist zwei Jahre ältergeworden. ÜberVatersprichter DIE GRÜNEN nie (...). GA L s TE y R Diese Welt hat unse- remVolkdas Grund- recht auf Selbstver- teidigung entzogen. Und wenn wir das einzige tun, was wir tun können, in das Ausland flüchten (was wir nur sehr ungern getan ha- ben), werden wir be- schimpft, weil wu hier sind(...). ♦ Herausgeber DIE GRÜNEN - GAL Steyr· Postfach 24 · 4404Steyr; Karl Pragerstorfer Redaktion CbristophJungwirth Mitarbeit Kurt Apfeltbaler, Erik Heileis, M1rco Vanek, · Eva Schencher, Andreas Kupfer Gesta/Jung Atteneder! Fotos J ungwirth, Kainrath, Markovsky, Traxler, Atteneder Druck Prietzel, Steyr

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2