Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, September 1994

VERSCHULDET DELOGIERT OBDACHLOS Obdachlosigkeit und Armut trifft niemanden aus heiterem Himmel, sondern beginnt sehr oft mit Mietrückständen und privaten Schulden. Ein Problem, das auch in Steyr immer weitere Kreise zieht. Mietrückstände in der Höhe von 5Mil- lionen Schillingweist die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft der Stadt Steyr (GWG) aus. ImmermehrBewohnerinnen können ihre Mieten nicht mehr bezah- len. Die Folgen: teure und aufwendige Delogierungen für die GWG, hoffnungs- lose Verschuldung der Betroffenen und das Absacken in die Armut. In immer mehr Fällen heißt dann die Endstation ,,Obdachlosigkeit". Daß es gar nicht soweit kommen darfund muß, davon ist GAL-Gemeinderat Kurt Apfelthaler überzeugt und verweist auf Beispiele in Linz und Wels. Dort sind Sozialarbeiter das Bindeglied zwischen der Genossenschaft und zahlungsunfähi- gen Mieterinnen. Weisen Bewohner einen Mietrückstand auf, bietet der/die Wohnsozialarbeiterin frühzeitig konkrete Hilfe an: Vereinba- rung von Zahlungszielen ohne gericht- liche Drohungen, Beratung in Schulden- fragen, Hilfe bei Umschuldungen oder die gemeinsame Suche nach einer finanzierbaren Wohnung. Die gemeinnützigenWohnungsgenossen- schaften in Steyr mit einem Steyrer Wohnsozialarbeiter nicht nur eine Reihe von Familien und Personen vor dem hoffnungslosen Absacken in die Armut bewahren, sondern auch bei teuren und aufwendigen Delogierungen sowie un- einbringbare Mietrückständen sparen, ist Kurt Apfelthaler von der Sinnhaftig- keit einer solchen Einrichtung über- zeugt. Darüber hinaus könnte eine derar- tige Fachkraft Ge- nossenschaftsmit- arbeiterlnnen be- reits bei der famili- en- und behinder- GAL-Gemc1ntlcr.1t Kurt Apfclthalcr schlägt WohnsoziJI- arbeiter bei den Steyrer Wohnungs- genossenschaften vor. GEWISSENSFREIHEIT FiiR ALLE STAR NARRENFREIHEIT· tengerechten Wohnungsplanung oder bei Konflikten unter Mietern unterstüt- zen. Von diesen können, neben den um- fangreichen Verwaltungsarbeiten, die Er- ledigung der sozialenAufgaben verständ- licherweise nicht erwartet werden. Aber es ist zu befürchten, daß die Stadt die Probleme wieder einmal verschläft. Die deutlichen Anzeichen der neuen Ar- mut in der schmucken Eisenstadt werden einfach geleugnet - was es nicht geben . darf, gibt es auch nicht: Als vergangenen Jänner die Stadt zu einem Symposium mit dem Titel „Armut und Unterversor- gung" eingeladen wurde, lehnte der Ma- gistrat eine Teilnahme ab, weil das Pro- blem der Armut und Obdachlosigkeit nicht gegeben sei. Und durch die Tagung würden Bestrebungen „vor allem aufdem Sektor des Fremdenverkehrs nicht gün- stig beeinflußt", heißt es vom Geschäfts- bereichsleiter für soziale Angelegenhei- ten Dr. Starzengruber. ♦ FiiR DIE BiiROKRATIE Neun Steyrer wurden vom Bundesheer falsch informiert und dürfen nun nicht Zivildienst leisten. Ein Bericht von Klaus Schnopfhagen über bürokratische Amokläufe. Als Erfolg feierte kürzlich der Verteidi- gungsminister die kleiner werdende Zahl an Zivildienern. Jedoch ist das kein Er- gebnis von Verbesserungen im Bundes- heer, sondern eine Folgemenschenrechts- verletzender und bürokratischer Hinder- nisse, die seit März, seit dem neuen Zivil- dienstgesetz, wirksam sind. Neun Steyrer abgelehnt Betroffen sind auch neun Steyrer: Von Seiten der Stellungskommission des Bun- desheeres wurde ihnen mitgeteilt, ein fom1loser Zivildienstantrag genüge. Als sie sich daran hielten, wurde ihnen prompt eine Ablehnung zugestellt, weil ein form- loses Ansuchen eben doch zuwenig sei ... In Oberösterreich gibt es mindestens 16 weitere Opfer der militärischen Desinfor- mation. Offensichtlich reichen Gewissensgründe nicht aus, um Zivildienst leisten zu dür- fen. Notwendig ist hingegen die genaue Kenntnis von Fristen, die Abwehr von Falschinformationen und das Beherr- schen der Behördentricks, mit denen das Zivildienstgesetz so restriktiv wie mög- lich ausgelegt wird. Friedenswerkstatt Steyr intervenierte Mitarbeiter der Friedenswerkstatt Steyr erreichten nun, daß Landeshauptmann Ratzenböck sich für alle jene jungen Männer einsetzt, deren Zivildienstantrag aus formalen Gründen abgelehnt wurde. Allerdings blieben landesväterliche Inter- ventionen in Wiener Ministerien bisher unbeantwortet. Noch tatkräftiger bemüht sich Dr. Severin Renoldner, Nationalrat der Grünen: Mit- tels parlamentarischer Anfrage versuchte er Klarheit in das Dunkel behördlicher Vorgänge zu bringen. Aber Löschnak und Fasslabend lassen warten. Einziger Lichtblick ist der Verfassungs- gerichtshof, bei dem Beschwerde einge- legt wurde. Und zumindest ein Aufschub der endgültigen Entscheidungwurde den verhinderten Zivildienern gewährt. ♦ Informationen undZvilidienstberatung: Friedenswerkstatt Steyr, o 72 52/668 66 Plus: Für die Friedenswerkstatt Steyr: Die Wehrdienstverweigerer verzichte- ten bei der Angelobung am Stadtplatz auf einen Zivildienst-Infostand. Und verhinderten so, daß die Staatspolizei nochmehrins Schwitzengeratenwäre. Minus:. Für die Stadtverantwortlichen, die wohl glauben, eine Bundesheer- angelobung sei Tourismus-Werbung für die Stadt. Hinter welchem Mond leben die Herrn?

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