Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, September 1993

Arisierungen 26.263 Betriebe und Objekte wurden mit JO· Dezember 1938 in Österreich zur Arisierung vorgeschlagen. Das heißt sie mußten von jüdischem in deutschen Be- sitz übergehen. In Oberösterreich waren vor allem Klein- und Mittelbetriebe und mittlere Handelsbetriebe betroffen, kei- ne Großbetriebe und Kreditinstitute. (...) Offensichtlich fand aber die Arisierung von jüdischen Geschäften in Steyr nicht nur Zustimmung. Ein Artikel der Steyrer Volksstimme, dem lokalen Parteiorgan der NSDAP, sieht jedes Mitleid mit den Juden als unangebracht an. (...) In Steyr wurde etwa das Herrenkleider- geschäft N. Pollak, Enge 6, am 8. August 1938 durch Franz und Max Haubeneder arisiert. Der Kaufpreis betrug 34.000 Schilling. ,,Das Pollakhaus, Enge 6, wurde von den Handelsangestellten Max undFranz Haubeneder aus Enns angekauft': heißt es lapidar in der Steyrer Volksstimme. Ein Zeitzeuge schildert den Vorgang so: ,,Ei- nige Tage nach dem Umbruch erschienen etli- che Herrn von der Gestapo im Geschäft und erklärten der Frau Pollak, daß dieserjüdische Betrieb nun eine kommissarische Leitung be- kommt. Tags darauf erschienen die gleichen, ein langjähriger Angestellter wurde zur kommissarischen Aufsichtsperson ernannt. Frau Pollak mußte alle Schlüssel an die Her- ren übergeben. Einige Tage später erschienen SA-Männer und überklebten die Auslagen mit der AufschriftJudengeschäft'. Die Kund- schaften trauten sich nicht mehr in das Ge- schäfl, weil sie Repressalienfürchteten. Es gab den Auftrag, daß alle Anfragen wegen dem Erwerb des Geschäfles direktan die Vermögens- verkehrsstelle in Wien zu verweisen sind. Über Nacht hat es dann der Haubeneder übernom- men." 1948 bekamSidonie Pollak das Haus durch die Rückstellungskommission beim Landesgericht Linz wieder zurück. Frau Pollak „bezeichnet den Verkauf als eine Vermögensentziehung, denn sie war Jüdin nach den Rassegesetzen und als solche politi- scher Veifolgung ausgesetzt. Von dem Kauf preis sei ihr nichts zurfreien Ve,fügunggestan- den ''. Als sie 1952 in Kalifornien in den USA starb, erbte den Großteil des Hauses ihre Tochter Dorothea. Diese verkaufte 1968 das Haus anJosefWaldburger. ,,Reichskristallnacht" am 9. November 1938 in Steyr In der Nacht vom 9. auf den IO. Novem- ber wurde im ganzen Deutschen Reich ein Pogrom gegen die Juden inszeniert. Die Synagogen in vielen Städten brann- ten und wurden zerstört, jüdische Ge- schäfte geplündert und Wohnungen aus- geraubt. In Wien wurden 3.000 Juden in dieser Nacht verhaftet, in Salzburg 70, in Graz 350 und in Innsbruck 18. 1950 Juden- wohnungen wurden inWien ausgeräumt, 4-000 Geschäfte gesperrt. Der endgültige Bericht von Wien spricht von 6.547 Ver- hafteten, von denen 3.700 Juden in das Konzentrationslager Dachau kamen.(...) Die Synagoge in Steyr blieb verschont, da sie ja schon Anfang August 1938 arisiert wurde. Wann die beiden Gesetzestafeln, die sich ganz oben aufder Fassade befan- den, heruntergenommen wurden, läßt sich nicht eruieren. (.. .) . Der Zeitzeuge Dolf Uprimny - er lebt heute in Israel - schildert das Novem- berpogrom in Steyr: ,,Eines Tages kam die Gestapo und holte meinen Vater zum Verhör ab. Den Kampfgegen dieJuden, den die Nazis führten, litßen uns auch unsere Hausparteien spüren. Der Sohn einer solchen Hauspartei drangin derReichskristallnachtals SA-Mann in unsere Wohnung ein undfotografierte alles. · Am Sparkassengebäude am Stadtplatz be- fand sich ein Schaukasten, in dem Fulul der demolierten Wohnungen und der Juden im Gefängnis ausgestellt waren. Meine Mutter wurde eingesperrt, weilsie sich aufregte, was in unseren Wohnungengemachtwurde. Sie wollte Selbstmord begehen, aber ein Polizist hinderte sie daran. Die Wohnungen derJuden wurden, oft auchmitHi!fevon Hausbewohnern, durch- sucht undbestohlen. In der Reichskristallnacht wurdenwirvom Wieseifeldplatzinden Wehr- grabengetrieben undwiederhinaufzurPolizei- kaserne und dort verhört. Meine Schwester wurde beim ¼rhörgeschlagen. Dann kamen ziir in die Berggasse ins Gefängnis. Ich kam mit meinem kleinen Bruder in die Zelle, wo auch ein 70- bis 8ojährigerJude aus Neuzeug namens Deutsch war. Die Zelle war voll von Juden. Der Gefängniswärter war sehr erregt, weil er alle kannte und auch Kinder ins Ge- fängnis kamen. Mein Bruder war erst sechs Jahre alt. Als er gefragt wurde, warum er im Gefängnis ist, sagte er, weilerJude ist. Was ein Jude ist, antwortete er den SS-Leuten stolz, wüßte er. Auch Frauen waren eingesperrt." William Nürenberger, ein Sohn des letz- ten Rabbiners in Steyr, fuhr im Mai 19)8 mit einem illegalen Transport nach Israel. Deshalb kann er über die Reichkristall- nacht nicht viel berichten. ,,Meine Schwe- Kleiderhaus Skalla, Sieminger Straße 39 K.ama,h ster, die damals noch in Wien war, hat mir erzählt, daßmein Vtzter in Stryrverhaftet und nach Linz transportiert wurde. Dort ist er an einer VerletzungamKopfgestorben. Zur selben Zeit hat die SS sechs Thora-Rollen von der Synagoge entfernt. Vor vier Jahren habe ich eine dieser Thorarollen wie durch ein Wunder gefunden..." MÖBEL-BASAR-STEYR AN- UND VERKAUF NEU UND GEBRAUCHT Wir übersiedeln in die Haratzmüllerstraße 33a (ab 4.9.), Telefon O 72 52 / 51513 Tolle Eröffnungsangebote! Blochberger •Schwelger GmbH. OPTIK · HÖRGERÄTE A-4400 Steyr, Glelnkergasse 10 072S2166117 Kostenloser Sehtest, Brtllenservlce, gemeinsammit uns finden Sie die passende Brille. Bel uns können Sie Ihre Brille färben -umfärben, je noch Material. Feldstecher, Operngläser, Wetterstationen, Toucherbrtllen, Brillen- putzmittel, Brillenetuis, ... Kostenloser Hörtest. 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