Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1992
Während in Linz schon vor mehr als einem Jahr ein Symposiumunter dem Titel „Frauenleben in der Stadt" sich mitThemenwie „Frauen imVerkehr", ,,Wege in einer weiblichen Stadt", ,,Frauen in der Wirtschaft" oder „Ge- walt gegen Frauen" auseinandersetz- te, werden in Steyr diese Fragen tabuisiert. Esgibt in Steyrallerdings zwei Frauen- gruppen, die in Not geratenen Frauen sofortige Hilfe anbieten. Im Verein „Frauen für Frauen (Frauenhaus)" finden bedrohte und mißhandelte Frauen mit ihren Kin- dern Schutz durch Wohnmöglichkeit im Frauenhaus. Aber auch Beratung und Hilfe bei der Wohnungs- und Ar- beitssuche oder bei Behördengängen, Schulwechsel sowie anderen Proble- men wird angeboten. Die ,,Frauenstiftung" hilft Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben, bei Interesse an nicht-traditionellenBe- Bewegungsbehinderten -älteren, geh- behindertenMenschen, ElternmitKin- derwagen oder Rollstuhlfahrerinnen etc. ist es oft nicht möglich, die Ange- bote der Stadt Steyr zu nutzen. Stufen, Treppen, nicht vorhandene Park- möglichkeiten und Lifte, zu schmale Eingänge undTürbreiten, zu steile Zu- fahrten und Wege oder nicht vorhan- dene Rampen verhindern dies. Es gibt kaum berollbare ö1Ientliche und pri- vate Einrichtungen undkeine olfentlichen Verkehrsmittel, die für gehbehinderte Perso- nen auch benutzbar sind. Damit die Stadt Steyr aber für alle Bürger- Innen benutzbar ist, braucht es keine uto- pischen Maßnahmen. Es braucht nur ein Umdenken, das bereits in den Planungen, Adap- tierungen, Neubauten und Anschaf- fungen berücksichtigt wird. Um die Stadt Steyr auch als eine Stadt für alle Bürgerinnen bezeichnen zu können, braucht es vor allem den po- litischenWillen aller dafürVerantwort- lichen. WelcheVoraussetzungen dazu notwen- dig sind, kann nur unter Einbeziehung rufen, bei der Suche nach geeigneter Kinderbetreuung und bei der Lösung privater und beruflicher Probleme. In beiden Vereinen arbeiten engagier- te Frauen und sind weit über einen 8-Stunden-TaghinausfürandereFrau- en da. Zu ihrer beruflichen Belastung kommt die ständige Sorge um den WeiterbestandderVereine. Nicht etwa, weil zu wenige Frauen ihre Unterstüt- zung benötigen, ganz im Gegenteil, die Nachfrage übersteigt bei weitem . ihre Möglichkeiten. Ihre SorgeumdasWeiterbestehen trifft ausschließlich die finanzielle Seite. Die Stadtpolitiker scheinen bis heute nicht die Bedeutung dieser Frauengruppen begriffen zu haben. Immer noch neh- men die Subven- tionen Vereine einen aller Be- troffe- ner erar- b e i t e t w e r d e n . Dafür ist es notwenig, entsprechende Arbeits- gruppen zu schaffen, wobei die Be- troffenen als Experten mitarbeiten und auch die laufenden Vorhaben überwa- chen so11en. Für Randgruppen müssen unabhän- gige Beratungsstellen geschaffen und viel zu kleinen Stellenwert ein. Jedes Jahr müssen aufs neue harte Verhand- lungen geführt werden, bis die Finanzierung für ein weiteres Jahr ge- sichert ist. Die Stadt Steyr hat bis heute keine Stelle, in der ausschließlich Frauen- fragen besprochen und entsprechende Entscheidungengetroffen werden. Sol- che „Frauenbeauftragte", die selbstver- ständlich unabhängig arbeiten, gibt es bereits in anderen Städten. Die Erfah- rungen sind durchwegs positiv. Bis zur Schaffimgeiner solchenFrauen- beauftragten-Stelle müssen sich die Herren Steyrer Politiker in die in Not geratenen Frauen hineinfühlen und ' dann rasch die notwendigenMittel zur Verfügung stellen. Erst wenn Frauen die gleichen Mög- lichkeiten haben, politische Entschei- dungen zu treffen wie Männer, wird unsere Stadt „weiblicher" und men- schenwürdiger! ♦ finanziertwerden, wobei die Besetzung · durch Betroffene oder von ihnen ge- wählteVertretergewährleistet seinmuß. Eine bürgergerechte Stadt Steyr heißt auch, daß eine Durchmischung der Bevölkerung gewährleistet sein muß. Es kann nicht die Praxis bleiben, daß alte und behinderte Menschen in Hei- me abwandern müssen, nur weil es keine Möglichkeit gibt, zum Beispiel den dritten Stock zu verlassen. Wird der Wohnbau berollbar gemacht, ist ein Zu- sammenleben von al- ten, behinderten und ,,nichtbehinderten" Menschen möglich. 1 1 ~~h~~~:~~~si:~::, daß ganze Stadtteile nur mehr von alten Menschen oder HäusernurvonbehindertenMenschen bewohnt werden, die gegenseitig nicht einmal die Möglichkeit haben sich zu helfen. Wenn Steyr eine bürgergerechte Stadt für alle werden soll, so ist es der Auf- tragjedes einzelnen zuständigen Stadt- rates, in seinem Bereich anzufangen, bürgergerechte Notwendigkeiten in konkrete Maßnahmen umzusetzen. ♦
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