Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1992

Steyr ist mit seinen Ein- kaufsmöglichkeiten, Kultur- und Veranstal- tungsangebotenaufsein Zentrum fixiert. Die Folge: langeAnrei- sen, verstopfte Straßen und an der Peripherie zum Großteil nur noch Schlafstätten. Gegensteuern könnte man mit der Aufwertung der einzel- nen Stadtteile zu Städten in der Stadt oder - einfach gesagt - zu „Dörfern" mit vielen Funktionen. Am besten noch erfüllt Münichholz diese Aufgaben. Der bevölkerungs- reichste Stadtteil bietet fast alle Ver- sorgungsmöglichkeiten (Geschäfte, Polize~ Banken, zwei Pflichtschulen und die Berufsschule...). Vergleicht man jedoch die Geschäfte mit Ge- meinden ähnlicher Einwohnerinnen~ zahl (zum Beispiel Sierning) schneidet Münichholz schlecht ab. Raumplane- risch wurde versäumt, das gegebene Zentrum an der Kreuzung Punzer- straße/Wagnerstraße zu einemMarkt- platz auszubauen. Ähnlich ist die Situation auf der Ennsleite. Mit dem Unterschied, daß für die mehr als 7.000 Menschen ein ausreichendes Angebot nicht besteht. Die Arbeiterstraße könnte Zentrum sein, wenn sie umgestaltet und zum Bummeln einladen würde. Das Ennsdorf hat in jüngster Zeit seinen Namen verloren, wurde von der Kaufmannschaft in „Bahnhofs- Bürgerlnnen„beteiligung" sieht in Steyr oftmals so aus: Informationen über ein Bauvorhaben oder ein Planungsprojekt dringen an die Öf- fentlichkeit und Gerüchte geraten in Umlauf. Schnell wird eine Initiative dagegen gegründet (womöglich auch eine dafür) und Unterschriftenlisten gehen uni. Emotionen schaukeln sich auf. Schließlich entschließt sich der Magistrat zu einer „Bürgerversamm- lung" oder einem „Stadtteilgespräch". Nur, die Atmosphäre ist schon so auf- geheizt, daß kaum sachliche Ausein- andersetzungen möglich sind - siehe Fußgängerzone Steyrdorf oder Aus- bau des Plenklberges. Schließlich setzt sich eine Lösung durch - nicht selten aus Prestigegründen - oder jenes Mo- dell, das von der stärkeren Lobby be- fürwortet wird. Unterschiedliche In~ BURGERZEITUNG '· 1)A:!9; · viertel" umgetauft und ist in schreckli- cherLage. DerVerkehrsringzerschnei- det die ansonstenattraktive Geschäfts- zone, die sich in der Pachergasse ex- plosivaus- zuweiten droht. Leider das Ver- V O n raum werbeim- wird hältnis Wohn- und Ge- günstiger. Durch den Bau des Bahnhofparkdecks und ent- sprechende Straßenführung ließe sich die Verkehrssituation beruhigen. Steyrdorf ist das zweite „Dorf'' in der Stadt, das seine ursprüngliche Bedeu- tung wieder finden muß. Als Zentrum scheint der Wieserfeldplatz geeignet, wenn er zum „Marktplatz" umgestal- tet würde. So wie in Ennsdorf fehlt eine Volksschule - bereits die Kinder müssen „auspendeln". Jenseits des Schnallentores sieht die Welt des Tabors'ganz anders aus. Ein zerrissenes Viertel, mit 5.000 Be- wohnerinnen das drittgrößte. Von den Flutendes Straßenverkehrsgeteilt, hilft es auch nicht, wenn am Taborknoten sich alle wichtigen Einrichtungen teressen, langfristige Zukunftsper- spektiven und Mitbestimmung der Betroffenen geraten dabei in den Hin- tergrund. Neue, kreativere Wege werden in der BRD im Rahmen des Modelles „Pla- nungszellen" gegangen. Steht ein neues Projekt, ein Stadtentwicklungs- konzept oder ein Bauvorhaben zur Planung an, werden nach dem Zu- fallsprinzip 25 Personen aus dem Melderegister ausgewählt und zur Mitarbeit eingeladen. Für die Dauer der Planungsarbeiten werden sie von derArbeit freigestellt underhaltenAuf- wandsentschädigungundLohnausfall. ImRahmen der mehr- m o n a t i - gen Pla- nungen . dürfen Politi- kerln- nen nur a 1 s ballen. Der Weg dort- hin ist von Autoko- lonnen versperrt. Ein Zentrum könnte durch die Absenkung der Kreuzung und durch die Verringerung des Individualverkehrs ent- stehen. Mit 3.500 Einwohnerinnen ist der Resthof der räumlich kleinste, aber nicht der schwächste Stadtteil. Gebaut wurde eine Emmentaler-Architektur (,,Kas mit Löchern"). Aber die Woh- nungen sind immerhinfunktionell und preisgünstig. Die Geschäfte sind der Kaufkraft angepaßt und wären noch ausbaufähig. Es fehlen Sportflächen, · die Hunderte Meter weiter westlich gesucht werden müsseri. Für Be- sucherinnen ist die Straßenführung verwirrend und störend. Ein Stadtteil mit Zukunft ist Gleink mit dem ehemaligen Stift als Mittel- punkt. Allerdings besteht die Gefahr, daß die Siedlungslücken nicht nur ge- schlossen werden, sondern daß das Bauland krebsartig in die Umgebung . hinauswuchert. Zum Schluß noch eines: Die Stadtplani.mg müßte insgesamt Vorsorge treffen, daß Wohnbereiche entstehen, die nachaußenabgeschottet und vom Durchzugsverkehr befreit sind. Ansatzweise ist das schon ge- schehen. ♦ Gastreferenten auftreten. Zur Infor- mation der Bürgerinnen werden Expertinnen zugezogen. Diese zeigen sichjedesmal begeistert von der Lern- fähigkeit der Laienplanerlnnen und von derBrauchbarkeit, Praxisnäheund Zukunftsorientierung der Vorschläge. Hervorragende Erfahrungenmit „Pla- nungszellen" wurden in vielen deut- schen Städten gemacht. Zum Beispiel bei der Umgestaltung der Kölner In- nenstadt. Aber auch bei der Neu- planung des Telefonsystems der BRD arbeiten Bürgerinnen in „Planungs- zellen" erfolgreich mit. Und die StadtWien d~nkt daran, noch heuer „Planungszellen" im Rahmen der Stadtentwicklung einzusetzen. · Wäre doch auch in Steyr einen Ver- such wert! ♦

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