Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1990

BVR.fiERZEITl!Nfi Weihnachten steht vor der Tür. Zeit des Schenkens. Oft ist es nicht leicht, weil wir schon soviel, zuviel haben. Andernorts gibt es Menschen, die das dringendst Notwendige nicht haben. Die Kinder von Tschernobyl brau- chen Ihre Hilfe, um ihre Qualen zu lindem oder vielleicht zu überleben. Der Vorarlberger Journalist Werner Kräutler besuchte die nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl besonders verstrahlten Gebiete Weißrußlands. Er berichtet in seinen i erschütternden Eindrücken von der mangelnden Information der Bevöl- kerung durch die zuständigen Behörfen anläßlich des Supergaus am 27.4.1986 und von den fatalen Fol- gen für die Kinder. Heute, 4 Jahre danach, leben noch immer Mütter mit ihren schwer- kranken Kindern in der Todeszone, weil die Väter woanders in der Sowjetunion keine Arbeit oder keine Wohnung finden. Es gibt sogar Neubauten, die in der Todeszone gerade hochgezogen werden. ,,Plan- erfüllung" ist alles, auch nach dem Supergau. Die Dörfer in der ver- strahlten Zone werden trotz Verbots wieder besiedelt, nicht nur von alten Menschen, sondern auch von Müt- tern mit kleinen Kindern. Die folgenden Schicksale stehen für viele ähnliche: Der 14jährige Sergej Sadchenko hat unheilbaren Knochenkrebs. Er war ein guter Schüler und begeisterter Fußballspieler, sogar Bezirksmeister wurde er mit seiner Mannschaft. Stolz zeigt er die Goldmedaille. Jetzt ist er todkrank, aus der Klinik wurde er zum Sterben nach Hause ge- schickt. Der 5jährige Andrej Budnik ist völlig verkrüppelt, er konnte plötzlich nicht mehr sprechen und wurde auf dem rechten Auge blind. Die Mutter hofft, ebenso wie der Vater von Sergej, daß man im Westen die Krankheit heilen könnte. Die 1Ojährige Svetlana liegt unter entsetzlichen Qualen im Sterben. Ihr Körper, der durch Wasser völlig entstellt ist, besteht zu 60 % aus Krebszellen. Schon eineinhalb Jahre lang wachte ihre Mutter Tag und Nacht am Krankenbett. Jetzt begleitet sie ihre Tochter im Sterben. Die gemessene Radioaktivität liegt weit über den Grenzwerten, die Erde müßte hierzulande in einem speziel- len Endlager für radioaktiven Abfall ,,entsorgt" werden. Die Menschen wurden von der Regierung Weißrußlands im Stich gelassen, sie können nichts erwarten, weder neue Wohnungen, noch medizinische Hilfe. 30 Rubel erhalten die Strahlungs- geschädigten seit neuestem, man nennt es „Sarggeld". Es gibt weder unverstrahlte Lebens- mittel noch Medikamente. „Erzählt doch den Menschen im Foto: Mathis Westen, wie schlecht es uns geht", fleht Frau Budnik. ,,Hier sterben alle Kinder, wir haben keine Zukunft. Bitte helft uns." In den Kinderkliniken herrschen unvorstellbare Zustände: Bis zu sieben krebskranke Kinder liegen in einem Zimmer, die Krebsstation ist das Vorzimmer des Todes für die Kinder von Tschernobyl. Die Mütter der noch lebenden Kinder müssen zusehen, wie andere Kinder sterben. Selbst die primitivsten Apparate sind nicht vorhanden, wie z.B. Einweg- nadeln oder Zentral-Venen-Katheter. Die Zustände werden durch eine Clique stalinistischer Bürokraten und Apparatschiks, die jede Opposition im Keim ersticken, verschärft. Eine von einer Kindergärtnerin aus der Kleinstadt Vetka gemeinsam mit einigen kritischen Ärzten durchge- führte Reihenuntersuchung brachte ein niederschmetterndes Ergebnis: Jedes Kind ist krank. Schilddrüsen- veränderungen, Veränderungen des Blutbildes oder ein geschwächtes Immunsystem sind häufig anzutref- fen. Leukämie, Strahlenstar (Erblindung), Tschernobyl-Aids, eine spezielle Immunschwächung auf- grund der extrem hohen Strahlungs- dosis und TBC sind im Vormarsch. Die Mütter begleiten ihre Kinder auf ihrem Leidensweg unter kaum vorstellbaren Mühen. Monate und Jahre verbringen sie mit ihnen gemeinsam im Spital, und sie müssen miterleben, daß es Hilfe in ihrem Land nicht geben kann. (Gekürzt aus: Welt der Frau, November 1990) Foto: Ma1his ·-----------· 1 Hilfsaktion 1 1 ,Kinder von 1 : Tschernobyl" : 1 .. ~ s· 1 1 Heuen ie 1 : Kindern : : überleben! : 1 Radioaktive Strahlung setzt 1 1 1 Kindern besonders zu. Schneller 1 als bei Erwachsenen setzen sich in 1 1 ihren kleinen Körpern die radio- 1 aktiven Strahlen fest und beginnen 1 1 ihr zerstörerisches Werk. Durch 1 andauernde Bestrahlung wird das 1 1 Immunsystem geschwächt. Infekti- 1 1 onskrankheiten treten häufiger auf 1 und dauern länger als normal. 1 Hätten die Kinder ausreichend 1 1 unverstrahlte Nahrung zur Verfü- 1 I gung, könnte zumindest das 1 1 Immunsystem etwas gestärkt I werden. Gerade an dieser 1 unverstrahlten Nahrung fehlt es 1 1 aber, besonders in den stark 1 kontaminierten Gebieten um 1 Gomel und Mogiljov. Nach allen 1 1 bisherigen Erfahrungen erwarten 1 1 die Eltern der Kinder von den 1 1 staatlichen Stellen keine wirklich 1 sinnvolle Hilfe mehr. Sie wenden 1 sich durch das Komitee ,,Kinder 1 1 von Tschernobyl" an uns um Hilfe. 1 : Liebe Leserinnen, : 1 liebe Leser! 1 1 Die Kinder von Tschernobyl 1 1 brauchen, um ihre Überlebens- 1 1 chancen zu erhöhen, dringend 1 unverstrahlte Nahrungsmittel. 1 1 1 Spenden Sie, bitte, Nahrungsmittel- I Pakete im Wert von je SlOO,- für 1 die Kinder von Tschernobyl. Jedes 1 1 Nahrungsmittelpaket enthält Obst- 1 und Gemüsebreie und -säfte, 1 Milchpulver und Vitaminpräparate. 1 1 Zahlen Sie bitte Ihre Spende direkt 1 1 auf eines der nachgeführten 1 Konten ein: 1 Sparkasse Linz, ,,Kinder von 1 1 Tschernobyl", Kto.-Nr. 2500- 1 1 011115; Volkskreditbank Linz, 1 I „Kinder von Tschernobyl", Kto.-Nr. I 19.002.922. 1 1 Setzen Sie mit Ihrer Spende ein 1 Zeichen, daß wir vier Jahre nach 1 Tschernobyl die Leiden der 1 1 Bevölkerung nicht vergessen 1 haben. Gerade den Kindern, denen 1 1 durch den Strahlenwahnsinn die 1 I Unbeschwertheit ihres jungen 1 1 Lebens schon genommen.:wurde, I sind wir zur Hilfe für ihr Uberle- 1 ben verpflichtet. 1 I Welt der Frau 11190 1 ·-----------· 7

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