Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, September 1990

6 Renovierung des jüdischen Friedhofe in Steyr Zur Renovierung des jüdischen Friedhofes in Steyr veranstalteten das Komitee „Mauthausen Aktiv" (in dem die GAL Steyr mitarbeitet) gemeinsam mit anderen Jugendorga- nisationen zwei Somn:iercamps, ein einwöchiges im Juli, ein zweiwöchi- ges im August. Während am ersten CamP, 12 Jugendliche aus der CSFR und Osterreich teilnahmen, war das zweite mit 11 Jugendlichen aus der J?DR, der UdSSR, England und Osterreich international bcsl,tzl. Neben den praktischen Arbeiten am jüdischen Friedhof: sct,tcn sich die jungen Leute in einem Bildungspro· gramm mit der Geschichte der Juden in Steyr, jüdischer Kuhur und Religion auseinander. Außerdem stand •n der Besuch des ehemaligen KZ Mauthausen, Gcspriiche mit Zeitzeugen und l listorikern, ein Besuch im Museum Arbeitswelt und eine Stadtführung auf dem Programm. Die Jugendlichen waren mit viel Eifer und Interesse bei der Sache, wodurch sie die jüdische Kultur und Religion besser verstehen lernten und über das grausame Schicksal der Steyrer Juden, von denen viele in Konzentra- tionslagern ermordet wurden, erfuhren. Die Steyrer jüdische Kultusgemeinde hat eine bewegte Geschichte: Schon im Mittelalter ist die Ansiedlung von Juden in Steyr bezeugt, auch deren Verfolgung aufgrund damals gängiger Beschuldigungen, wie die Hostien- schändung von Garsten (1420). Ein Reliquiar davon ist noch heute vor- banden. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, als viele Juden vor allem aus dem südböhmischen Raum zuwanderten, ist die jüdische Kultus- gemeinde, die sich 1894 offiziell kon- stituierte, besser dokumentiert. Um 1900 zählte sie 188 Mitglieder. Seit 1873 bestand ein jüdischer Frit.dhof und ein Krankenpflege- und Beerdi- gungsverein (Chewra Kadischa). 1938 fand die Kultusgemeinde ein abrup- tes Ende: Viele wurden in Konzen- trationslagern ermordet, einige konnten emigrieren. Einer von ihnen, Herr Ehrlich (Name von der Redak- tion geändert), lebt heute noch in Steyr, atbeitet Im Komitee Mauthau- sen Aktiv mit und war bei der Fried- hofsrenovierung als Betreuer tätig. (Interviews mit ihm in den GAL- Zeitungen Nr.1/2 (1989). Die Campleiterin Elke Groen vom SCI (service civil international) unterstrich das ausgesprochen gute Arbeitsklima, die entspannnte Atmosphüre und die interessanten Kontakte, die durch die Teilnehme- rinnen aus verschiedenen Ländern möglich wurden. Auch würdigte sie die gute Organisation und das vertiefende Bildungsprogramm. Beides, sowie die gute Dotierung durch Subven~jonen der Stadt Steyr, des Landes 00., des Bundesministe- riums für Wissenschaft und For- · schung u.a., sind den intensiven Bemühungen vor allem des Hauptor- ganisators, Christoph Jungwirth (Friedenswerkstatt Steyr) zu verdanken. Umso bedauerlicher ist es daher, daß kein offizieller Vertreter der Stadt Steyr es der Mühe wert fand, den Camps einen Besuch abzustatten. Dafür konnte der der ÖVP-Landes- rat Josef Pühringer im Zuge einer Wahlkampfreis~ mit einem wenige Minuten währenden Besuch werbe- wirksam in der Lokalpresse posieren. Etliche ältere Besucher, die täglich am Friedhof vorbeikamen, schienen keine Ahnung zu haben, welches Schicksal ihre jüdischen Mitbürger In- nen, die sie noch persönlich kannten, erlitten hatten·. .. Schuhhaus Haidenthaler Werkstatt für Orthopädie 4400 Steyr, Sierninger Str. 22 Telefon (0 72 52) 61 .0 00 ..... persönlidterSchuh. Wir von der GAL Steyr freuen uns besonders über dieses gelungene Projekt, da wir in dieser Zeitung auf das Thema: ,,Juden in Steyr" auf- merksam machten und uns laufend mit dieser Thematik beschäftigen. Vergangenheitsbewältigung ist uns ein echtes Anliegen, denn: ,,Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar" (Inge- borg Bachmann). Waltraud Neuhauser Wie wohnen Gastarbeiter in . Steyr? Viele von· uns werden wieder nach Jugoslawien fahren und auf einem Campingplatz einige Wochen verbrin- gen. Leider, so klagen manche, ist das beliebte Urlaubsland nicht mehr so billig wie früher. Was darf für Sie ein Zeltplatz für eine 3köpfige Familie für vier Wochen kosten? (Duschen und WC sind vorhanden). 4.500 Schilling zahlen bei uns in Steyr jugoslawische Gastarbeiter für ein 3-Bett-Zimrner, nicht viel größer als ein Zelt! In einem Haus an der Haager Straße verlagt ein Vermieter pro Bett 1.500 Schilling. 7 Duschen und 5 Toiletten stehen 50 Schlafgehern (am Gang) zur Verfü- gung. Hoffentlich kommt es nicht, wie auf Campingplätzen häufig der Fall, zu Verstopfungen der Abflußrohre. Auf Grund der sozialen und finanziel- len Situation der Unterrnieter wehren sich diese gegen die menschenunwür- digen Massenquartiere nicht. Diese Frauen und Männer verdienen zu wenig, um sich Wohnungen leisten zu können. Allerdings· brauchen sie einen ,,Wohnungsnachweis", um Arbeitsge- nehmigungen zu erhalten. Der Vermieter weiß um diese Nöte und verdient daran sehr gut. Jene, die sich gegen diese Ausbeutung auflehnen, müssen damit rechnen, auf die Straße gesetzt zu werden. So ergeht es jetzt der Familie, die beim Verkauf des Hauses Anfang dieses Jahres nicht ausgezogen ist. Sie wurde gekündigt, nachdem ihre Miete von 500 auf 2.200 Schilling erhöht wurde. Der Hausbesitzer möchte vorwiegend an alleinstehende Frauen und Männer vermieten, um so höhere Einnahmen zu erzielen. Der Umbau des Hauses erfolgte erst vor kurzem. Wie ist es möglich, daß der Magistrat einer solchen Umwidmung zustimmte? Jedes Kellerloch wurde zu einem Zimmer umfunktioniert, und der Dachboden bis ins letzte ausgebaut. Es liegt der Verdacht nahe, daß ein Parteifreund des Hausbesitzers Druck auf die zuständigen Beamten gemacht hat. Hoffentlich•ist diese geschilderte Situation ein Einzelfall und zeigt nicht die Einstellung der Steyrerlnnen Ausländern gegenüber.

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