Grüne Bürgerzeitung, Nummer 2, Juni 1990
BiiRGERZEITl!NG den türkische und jugoslawische Jugendliche bedroht und manchmal auch zusammengeschlagen. Wieviele Anhänger haben die Skinheads in Steyr ? Es sind 3 Gruppen von Jugendlichen in diesem Zusammenhang zu unter- scheiden: 1. Jugendliche, die in einer Gruppe fest organisiert sind, z.B. in einer Hit- lerjugend-Gruppe. 2. Jugendliche, die gelegentlich bei Aktivitäten mitmachen. 3. Jugendliche, die mit rechtsextre- men Ideen sympathisieren oder so denken. Die ersten beiden Gruppen dürften in Steyr ca. 50 Jugendliche ausmachen: Ca. 20 davon besuchen die HTL, 10 die beiden Gymnasien und 5 die HAK. 10-15 Jugendliche sind Lehrlin- ge. Eine deutsche Studie zeigt,daß ca.1/3 der Jugendlichen für neofaschisti- sches Gedankengut sehr empfänglich ist bzw. solches vertritt. D.h.: Dieses Gedankengut beschränkt sich nicht auf die fest organisierte Gruppe und die Mitläufer, sondern erfaßt viel mehr Jugendliche. Das äußert sich z.B. daran, wenn Jugendliche am Fußballfeld in Sprechchören in Richtung Gegner schreien ,,Vergasen,vergasen" oder „Au- schwitz, Auschwitz". Oder ein Steyrer Schüler erzählt, daß in seiner Klasse die Hälfte aller Schüler nach dem Film „Die Welle", der zeigt, wie leicht auch heute Jugendliche für eine Art Hitlerjugend zu begeistern wären, auch bei einer solchen Gruppe dabei, sein wollten. Die Hintermänner Diskutiert man mit der fest organi- sierten Gruppe der Skins, dann bringen sie Detaildaten der Nazizeit, aber wenn man genauer nachfragt, stehen sie ziemlich schnell an mit ihrem Wissen. Man hat das Gefühl, sie sagen jemanden die Parolen und Sprüche nach. Je länger man disku- tiert, desto klarer stellt sich heraus, daß sie ihre Aussagen und Parolen nicht selbst erfunden haben, sondern Erwachsene sie schulen und ausbil- den für ihre Aktionen. Auch die Fahrten nach Deutschland und Wien muß jemand bezahlen, da diese Ju- gendlichen kaum selber dafür das Geld haben. Das legt die Vermutung nahe, daß alte Steyrer Nazis ein großes Interesse haben am Gedeihen der Skins in Steyr. Schließlich können sie diese dann auch benützen, daß sie z.B. in der Nacht am Stadt- platz Hakenkreuzpickerl kleben gehen oder eine Gedenktafel be- schmieren. Zu denken gibt auch,daß diese Ju- gendlichen auf ihren Sturzhelmen Aufkleber vom Ring freiheitlicher Jugend haben und mit Programmen dieser Organisation ausgestattet sind. Die FPÖ wird also zu klären haben, ob auch sie Kontakte zu diesen Jugendlichen unterhält oder diese möglicherweise sogar fördert. Welche Ursachen gibt es, daß Jugendliche solche Skinhead- gruppen anziehend finden? Lehrlinge, die in der Arbeit den Druck und die Macht des Chefs, des Meisters spüren oder Schüler die Macht des Lehrers, wollen selber ihre Macht spüren„ Es ist die Macht auf der Straße, wenn sich Leute vor ihnen fürchten, weil sie kahlgescho- ren sind. Dazu kommt der Reiz des illegalen. Mit ihren Aktionen bewegen sie sich immer am Rand des Gesetzes oder übertreten es auch. Dabei nicht erwischt zu werden, erzeugt eine innere Spannung und Genugtuung. Wenn ich Gewalt anwende und selber Sieger bleibe oder jemanden herabsetze, bin ich selber der Starke und der Gute. Ich zähle auf Kosten eines anderen. Jugendliche wollen erleben, daß sie zählen. Manche schaffen es nur auf diese Weise. In unserer Gesellschaft geht ein starker Prozeß der Individualisierung vor sich. Einbindungen von Jugendli- chen in Parteien, Kirchen, Vereinen und in die Gewerkschaft gelingen gerade in der Stadt immer weniger. Jugendliche wollen aber irgendwo dazugehören. Eine Ursache ist auch die Undurchschaubarkeit gesellschaft- licher Entwicklungen und der Politik insgesamt. Jugendliche fühlen sich ohnmächtig angesichts der kompli- zierten Institutionen und schließen sich dann Gruppen an, die ein einfaches Weltbild vermitteln. Jugendliche leiden zunehmend unter einer großen Orientierungslosigkeit. Gruppen, die eine klare und einfache, auch für Jugendliche durchschaubare Orientierung anbieten können, wirken bei ihnen anziehend. Die Steyer Stadtpolitiker sollten dieses Phänomen unter den Jugendli- chen ernster nehmen als bisher, und über konkrete Möglichkeiten - z.B. der Bekämpfung der Ausländerfeind- lichkeit in unserer Stadt überlegen. Dabei geht es auch darum, gegen die Ausländerfeindlichkeit der Erwachse- nen etwas zu unternehmen, denn die Ausländerfeindlichkeit der Ju- gendlichen spiegelt nur die der Erwachsenen wi der. CS.tX-Kontakte Bereits vor der Wende, der soge- nannten „samtenen Revolution" im November 1989 haben wir versucht, Kontakte zu tschechischen Bürger- rechts- und Umweltaktivisten aufzu- bauen. Dabei sind wir auf eine faszinierende, alte Stadt an der Moldau, auf das 25km von der österreichischen Grenze entfernte Krumau (Cesky Krumlov), übrigens der Geburtsort Egon Schieles, aufmerksam geworden. Im Rahmen etlicher, auch gegenseitiger Besuche haben u.a. GAL-Mitarbeiter Kontak- te zu Aktivisten dortiger Initiativgrup- pen (Bürgerforum, Grüne) aufgebaut. In den Gesprächen mit den Vertre- tern des Krumauer Bürgerforums (der aus der Charta 77 hervorgegan- genen Bürgerrechts- und Demokra- tiebewegung der ersten Stunde) haben wir viel von dieser politischen und gesellschaftlichen Aufbruchs- stimmung in diesem uns nicht nur geografisch sehr nahen Land mitbe- kommen. Jetzt werden wichtige Entscheidungen getroffen, jetzt besteht die Chance, Fehler, die wir (im „Westen") gemacht haben, von vorneherein zu vermeiden. Deshalb braucht es auch unsere Erfahrungen. Von der Verwirklichung demokrati- scher Strukturen angefangen, über Fragen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, bis zu ganz konkreten Hilfen in Sachen Umwelt- schutz {Müllentsorgung, Wasser- und Luftreinhaltung, Alternativen zur Kernenergie) und, besonders im Hinblick auf Krumau im Bereich der Altstadtsanierung und des Fremden- verkehrs. Alle, die am Dialog mit den nördli- chen Nachbarn und speziell mit unseren Freunden in Krumau interessiert sind: Bitte an uns wenden. Georg Neuhauser, 0 72 52/23 77 24 Peter Prack, 0 72 25/84 70 Au·••tm~ 0,..., ;;r=;;-=:mo• EDELHARZ- HART6LLASUR für alle stark MESSNER Gesundes Bauen und Wohnen Slemlnger Straße 39 4400Steyr NATURFARBEN beanspruchten Bereiche Telefon O72 52 / 65 9 31 7
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