Grüne Bürgerzeitung, Nummer 1, März 1990

BÜRGERZEITUNG staunt, was man denn alles aus der "alten baufälligen Werndlfabrik" machen kann. Enthusiasmus entbrannte allerseits! Berichte und Kommuniques wurden verfasst und in die Welt versandt. Industriearchäologen und Historiker nach Steyr eingeladen, um alles zu besichtigen. Eine Landesausstellung wurde vorbereitet, ein wunders.::hö- ner Steg wurde gebaut, und, und, und... Es schien, als hätte man in Steyr plötzlich die eigene Geschichte entdeckt, deren Monumente man nun der "Welt" in mannigfaltiger Form präsentieren wollte. Die Wehrgrabenerhalter und all jene, die von Zeit zu Zeit etwas über die Grenzen des Landes hinaus zu blik- , ken pflegen, sahen voller Optimis- mus in die Zukunft. Nun endlich würde man in Steyr dasselbe tun, was vorher bereits in den USA, in England, in Frankreich, in Deutschland und in den Benelux- staaten geschehen war: Man würde mit Stolz und Überzeugung daran- gehen, die Arbeitsstätten der Groß- väter und Großmütter zu vitalisieren und sie in allen nur möglichen Vari- anten neu nutzen. Aber weit gefehlt: Schon bei der Bestrebung des "Forschungs- und Ausbildungszen- trums für Arbeit und Technik" (FAZAT), war die Stimmungslage merklich abgekühlt. (Auch wenn dort bereits wieder die ersten Kie- bitze kommen, die den schönen re- vitalisierten Bau im Wehrgraben bewundern!!!). Der wichtige Reprä- sentationscoup im Wehrgraben war also gelungen, die Pflichtübung ab- gehakt, und obendrein hatte man demokratische Einsicht bewiesen. Und dann die leidige Reithoffer- werkgeschichte: Da wollten doch glatt wieder irgendwelche Phanta- sten aus der baufälligen Bruchbude ein Museum machen, wo wir doch ohnehin schon eines haben. Und außerdem: was das Geld kostet. .. ! Genauso ist es eben nicht: Die so- genannten Phantasten sind eine an- sehnliche Gruppe von Leuten, die aus allen politischen Lagern kom- men und die alle real und fest im Berufsleben stehen: Architekten, Geschäftsleute, Journalisten, Histo- riker, Lehrer, Künstler, Angestellte. Sie alle wollten mit ihren Vorschlä- gen und Plänen auch niemanden zwangsbeglücken, sondern lediglich auf die große Chance hinweisen, welche die Anlage der Reithoffer- werke darstellte. Vorallem wollten sie grundsätzlich erst einmal mit al- len Zuständigen und Verantwortli- chen über ihre Vorstellungen reden. Dazu hatten die Aktivisten in vielen ehrenamtlichen Stunden eine genaue Bauaufnahme gemacht, hatten Nutzungspläne ausgearbeitet und Kostenvoranschläge erstellt und hatten sogar mehrere Kaufinteressenten an der Hand. Aber wie das so ist: In gewissen Kreisen spricht man nicht mit jedem, womit die Müh vergebens war. Na ja, liebe Leser, mittlerweile wis- sen sie wahrscheinlich selbst, daß die Steyr-Daimler-Puch AG als Be- sitzer der Reithofferwerke, ~icht nur mit der Eisenkugel gnadenlos in Fa- brikshallen schlagen läßt, sondern daß sie auch in anderen Betriebsbe- reiche~ nicht zimperlich vorgeht. Was die Stadt Steyr betrifft, ist die Sache ohnhin klar: "Das Bundes- denkmalamt hat festgestellt; daß der Hauptteil der Fabriksgebäude nicht sch~tzun~swürdig ist", und die Her- ren m Wien müssen es doch wissen ... oder? ' Dampfkraftwerk im Wehrgraben - Das nächste Industriedenkmal im Visier der Demolierer? Kinder: "Der ewige Streit" Jedes Jahr zu Beginn des Frühjahres kommt es zu Konflikten·zwischen ballspielenden Kindern, WAG-Be- wohnern und der WAG. Der Grund für die Streitigkeiten ist das natürli- che Bewegungsbedürfnis der Mäd- chen und Buben. Sie spielen fast immer auf den Grünflächen zwi- schen und vor den Häuserreihen. Daß sie sich meist nicht sehr leise verhalten, ist auch verständlich. Die oft älteren Bewohner, die sich in ih- rer Ruhe gestört fühlen, rufen dann den Verwalter der WAG herbei und klagen ihm ihr Leid. Die Reaktion des WAG-Verantwortlichen ist fast jedesmal die gleiche: Er läßt Verbotstafeln auf den Grünflächen aufstellen und versucht dadurch die Spielwut der Kinder einzudämmen. Durch diesen Schritt wurden schon mehr als 20 solcher Tafeln im Be- reich Münichholz aufgestellt. Auf die Frage der Kinder, wo sie denn jetzt spielen sollen, gibt er meist die gleiche Antwort: "Geht auf die Fuß- ballplätze oder auf die Kirchen- wiese". Daß diese Ausweichplätze nicht befriedigend sind (meist weit entfernt und auch nicht immer zu- gänglich), dürfte ihm schon aufgefal- len sein. Denn trotz Verbot kom- men sie immer wieder auf die Flä- chen zurück, die in ihrem Nahbe- reich liegen. Sie werden auch nicht einsehen wollen, wieso sie nicht auf diesen Wiesen spielen dürfen, liegen sie doch direkt hinter ihren Häu- sern. Und so wird es von Jahr zu Jahr zu Konflikten zwischen den Kindern und derWAG kommen, solange es nicht offiziell erlaubt ist, auf allen Grünflächen mit und ohne Ball zu spielen. 3

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