Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, September 1989

3 GRÜNE BÜRGERZEITUNG Abbruchbescheid Reithofferwerke: KULTURLOSE IGNORANTEN? Wer geglaubt hat, daß konzeptlose Bauvorhaben oder die Bedrohung wertvoller Kulturgüter in Steyr nun nach massiven Bürgereinsprüchen (Wehrgraben, Gsang- stcg, Garagenprojekte im Wehrgraben,...) bzw. nach Ankündigung des Bürgermei- sters, einen Gestaltungsbeirat einzuführen, der Vergangenheit angehören, wurde jüngst eines besseren belehrt. Mehr oder weniger zufällig erfuhren jetzt engagierte Steyrer, daß bereits im Juni des Jahres von der Baurechtsabteilung des Magi- strats einem von der Steyr-Daimler-Puch AG eingebrachten Antrag auf Abbruch eines Großteils der ehemaligen ReithotTerwerke in Pyrach stattgegeben wurde. Damit ist ein architekturhistorisch und industriegeschichtlich hochinteressantes Fabriksensemble, das in Österreich seinesgleichen sucht, unmittelbar von der Zerstörung bedroht. Nun hat der Ignorantenflügel im Steyrer Magistrat wieder ganze Arbeit geleistet. Während ganze Symposien und Kon- gresse sich immer wieder mit dem archi- tektonischen und industriekulturel!en Erbe der alten Eisenstadt beschäftigen und die Steyrer Stadtväter immer wieder voller Stolz auf die gelungene Revitali- sierung alter Fabriksobjekte im Wehr- graben verweisen, sorgt in einem Hinter- zimmer der Baurechtsabteilung ein übereifriger Beamter dafür, daß die Hoffnungen auf eine intelligentere Stadtentwicklungsplanung nun doch von der gewohnten Steyrer "Realität" cinge- holt w rd '' " · Kaum zu glauben, daß weder der Bür- germeister, noch sonst irgend ein Stadt- politiker von diesem Bescheid wußte. Angeblich beteuert sogar der Baudirek- tor seine Ahnungslosigkeit. Es darf doch nicht wahr · sein, daß ein einzelner Beamter im Alleingang den Abbruch eines ganzen Stadtteiles absegnen kann, ohne auch nur irgend einen Politiker davon in Kenntnis zu setzen. Wer trifft eigentlich die Entscheidungen in dieser Stadt? Ist den Politikern nicht schon längst die Kontrolle über einen Apparat, der sich offensichtlich immer mehr verselbststän- digt, entglitten? Foto: Hans Stögmüller Wohin führt uns eine solche Entwick- lung? Wer zieht jetzt Konsequenzen? Alles Fragen, die sich wahrscheinlich nicht nur uns aufdrängen. Daß der Besitzer des Areals, die zur Zeit in jeder Hinsicht angeschlagene Steyr-Daimler-Puch AG, wenig Verant- wortungsbewußtsein und Gespür für hi- storisch gewachsene Strukturen und in- novative städtbauliche Entwicklungen zeigt, dürfte niemanden wirklich ver- wundern. Daß aber die "Stadt" aus den Fehlern I der Vergangenheit oder aus deutlich sichtbaren nationalen und inter- nationalen Entwicklungen offenbar rein gar nichts lernt, stimmt uns mehr als nachdenklich. In diesem Sinne protestieren wir aufs schärfste gegen die geplante Zerstörung der ehemaligen Reithofferwerke und fordern die unverzügliche Zurücknahme des Abbruchbescheides durch die zu- ständigen Stellen des Magistrats der Stadt Steyr. Wir arbeiten mit vielen anderen Organi- sationen, Initiativen, Vereinen und Ein- zelpersonen aktiv an der neu gegründe- . ten "Aktionsgemeinschaft Reithoffer- werke" mit und stehen hinter ihren For- derungen und Alternatiworschlägen. 9/89 RESOLUTION Die Aktionsgemeinschaft Reithoffer- werke, bestehend aus verschiede- nen Vereinen und Organisationen, protestiert gegen den geplanten Abbruch der Gebäude auf dem Areal der Reithofferwerke in Steyr- Pyrach. Mit dem Abbruch würde Steyr ein wesentliches Zeugnis seiner Indu- striegeschichte und einen wertvol- len Bestand alter Bausubstanz ver- lieren. Angesichts des zunehmen- den Interesses an industrieller Archi- tektur im europäischen Raum, bietet sich dort die Möglichkeit, beispiel- gebend diese Objekte einer neuen Nutzung zuzuführen. Mit der Erhal- tung und Wiederverwertung der Gebäude fordern wir die Respektie- rung der Vergangenheit dieser Stadt in ihrer industriellen Ausprägung. Wir verlangen die Unterschutzstel- lung des gesamten Ensembles durch das Bundesdenkmalamt wegen der unverwechselbaren ge- stalterischen Qualität der Objekte und ihres räumlichen Gefüges. Da ein Großteil der Gebäude sich in gutem baulichen Zustand befindet, stehen die zu erwartenden Abbruch- kosten von fünf Millionen Schilling in keinem Verhältnis zu dem Verlust an wertvoller Bausubstanz, der dabei entsteht. Das Grundstück ist sowohl durch Straßen, als auch durch Kanal und Wasserleitungen gut er- schlossen, die für die Wiederver- wendung beste Voraussetzungen bieten. Die im Flächenwidmungsplan vor- gesehene Möglichkeit einer ge- mischten Bebauung erlaubt mehrere Nutzungen: Beginnend mit einer Wohnverbauung im Norden, die überleitet zu einer Nutzung durch Kleingewerbe, Büro- und Ge- schäftsflächen, bis hin zu einer Zone für Mittel- und Kleinbetriebe, sind viele Varianten der Nutzung vorstellbar. Die Hallen im zentralen Bereich des Geländes bieten ein räumliches Potential für Großveran- staltungen und Ausstellungen. Mit der Erhaltung und Revitalisie- rung der Reithofferwerke könnten die Stadt und der Eigentümer, die Steyr-Daimler-Puck AG, ein Zeichen setzen, das weit über ihre Grenzen hinaus wirkt und den städtebauli- chen Anfoderungen Steyrs entspre- chen würde. Für die Aktionsgemeinschaft Reit- hofferwerke: Mag. Udo Wiesinger eh.

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